Portugal verliert Elfmeterschießen bei EM:Fàbregas schießt Spanien ins Finale

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Spanien besiegt Portugal 4:2 nach Elfmeterschießen und steht als erster Finalist fest. 90 Minuten lang passiert nichts, was den Begriff "Großchance" oder den Begriff "Spielhöhepunkt" rechtfertigen würde. Erst in der Verlängerung ändert sich der Charakter des Spiels, und am Ende hilft den Spaniern ein Billardtor des eingewechselten Cesc Fàbregas.

Johannes Aumüller

Und dann schritt also Cesc Fàbregas zum Punkt. Was hatte dieses Elfmeterschießen nicht schon alles gebotenen: zwei vergebene Versuche direkt zu Beginn, einen kuriosen Moment, als gleich zwei Portugiesen nebeneinander am Punkt standen, einen lässigen Elfmeter von Sergio Ramos und einen Lattenfehlschuss von Bruno Alves. Und nun stand also Fàbregas da, lief an, schoss an den linken Innenpfosten, und von dort sprang der Ball - nein, nicht wieder raus, sondern ins Tor. Mit 4:2 hatte Spanien das Elfmeterschießen gegen Portugal gewonnen und zog damit ins Endspiel ein. "Wir sind furchtbar traurig", sagte Nélson Oliveira, "können aber erhobenen Hauptes vom Platz gehen, denn wir haben auf Augenhöhe gespielt." Bei den Spaniern war Erleichterung zu spüren: "Noch ein Finale zu erreichen, ist fast ein Wunder. Gegen wen wir jetzt spielen ist egal", sagte Fàbregas. Verteidiger Sergio Ramos erklärte: "Wir sind verdient im Finale. Das Kollektiv ist wichtig, ich bin sehr stolz, in dieser Mannschaft zu sein."

Dabei war der Finaleinzug nur äußerst knapp gelungen. Denn in der zuvor über weite Strecken intensiven, aber ereignisarmen Partie hatte die Mannschaft von Vicente del Bosque nur phasenweise überzeugt - und manches Mal Glück. Del Bosque hatte sich für das fünfte Turnierspiel die dritte Besetzung der Angriffsmitte ausgedacht. Nach zwei Versuchen mit dem echten Stürmer Fernando Torres und zwei Versuchen mit dem falschen Neuner Fàbregas war diesmal etwas überraschend Álvaro Negredo an der Reihe. Noch auffälliger als der personelle Wechsel war aber der taktische Beginn des Spiels: Nach den tagelangen Debatten, ob die Spanier nun faszinierenden Tiki-Taka-Fußball oder doch eher einschläfernden Tiki-Takannacio zeigen, entschieden sie sich dazu, weder das eine noch das andere zu tun - sondern erst einmal dem Gegner den Ball zu lassen.

Zumindest sechs, sieben Minuten lang ging das so, dann stellten sie wieder auf die bewährte Spielanlage um. Allerdings war das mit der bewährten Spielanlage an diesem Abend nicht so einfach: Zwar hatte Spaniens Rechtsverteidiger Álvaro Arbeloa nach einer starken Kombination die erste gute Chance des Spiels (Distanzschuss/9.), aber insgesamt verteidigte Portugals Mannschaft kompakt und bissig - und vor allem sehr früh gegen den ballführenden Spieler.

Den Spaniern fehlte so die Souveränität, sie leisteten sich ungewohnt viele Fehlpässe, und das eine oder andere Mal hatten sie Probleme, wenn die gegnerischen Außen Nani und vor allem Cristiano Ronaldo zu Aktionen ansetzten. Oft mussten sie sich mit Fouls helfen. Eine richtige Torchance für den Gegner ergab sich daraus jedoch nicht. Kein Wunder, schließlich hatte Portugal im Angriffszentrum Hugo Almeida, der mit seiner Spielweise und seinen Bewegungen die Frage aufwarf, ob es für die Seleccao nicht auch einmal angebracht wäre, ohne echten Stürmer zu spielen. Für Spanien sprang lediglich eine Schusschance für Andrés Iniesta heraus (29.).

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EM-Halbfinale

Da dürfte sich in der Halbzeitpause wohl mancher spanische Fan mit der Historie beschäftigt haben. Exakt sechs Jahre war es her gewesen, dass die spanische Nationalmannschaft zum letzten Mal bei einem großen Turnier ein Spiel in der K.-o.-Runde verloren hatte. Am 27. Juni 2006, im Achtelfinale der Weltmeisterschaft gegen Frankreich. Sollte an diesem Abend also eine beeindruckende Serie enden?

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Also: zweite Hälfte. Angeblich waren es 45 weitere Minuten, die die 22 Spieler bestritten. Aber es könnte auch sein, dass die Zuständigen beim Europäischen Fußballverband (Uefa) einfach nur 22 Spieler und einen Ball ins Stadion reingeschnitten haben. Jedenfalls war in dieser angeblichen zweiten Hälfte zunächst dasselbe zu sehen wie vor dem Seitenwechsel: nichts. Zumindest nichts, was den Begriff "Großchance" oder den Begriff "Spielhöhepunkt" rechtfertigen würde. Dafür gab es eine extreme taktische Disziplin, eine große Intensität, viele harte Zweikämpfe, einige gelbe Karten. Alle warteten auf diesen einen Moment der Unachtsamkeit beim Gegner, doch dieser Moment der Unachtsamkeit, er kam nicht.

Nach einer knappen Stunde brachte del Bosque Fàbregas für Negredo. Der Versuch mit dem Sevilla-Stürmer hatte nicht funktioniert. Seine Bilanz: null Torschüsse. Kurz danach probierte es Spaniens Trainer mit einer wirklich symbolischen Handlung - oder war es nur ein Zufall, dass gerade die 61. Minute des Spiels lief, als er Jesús Navas ins Spiel brachte? Schon in der Vorrunde gegen Kroatien war Navas genau in der 61. Minute eingewechselt worden und hatte kurz vor dem Abpfiff diese enge Begegnung mit einem Tor entschieden. Doch anders als gegen Kroatien brachte das diesmal nichts. Stattdessen hatten die Portugiesen die größten Chance der zweiten Hälfte: Aber zwei Freistöße von Cristiano Ronaldo gingen knapp über die Latte (73./84.), und kurz vor Schluss schloss der Außenstürmer einen Konter zu ungenau ab.

Erst in der Verlängerung änderte sich der Charakter des Spiels. Den Spaniern war es nun offenbar unangenehm, es hier auf ein Elfmeterschießen ankommen zu lassen - und sie spielten nun deutlich konsequenter und energischer nach vorne. Auf der anderen Seite war den Portugiesen irgendwann auch der hohe läuferische Aufwand anzumerken. Und so gab es dann endlich, endlich einige Chancen: Erst vergab Andrés Iniesta völlig freistehend (104.), dann zog Sergio Ramos einen Freistoß knapp über das Tor (105.). In der 110. Minute machte Portugals Torwart Rui Patrício eine starke Chance von Navas zu Nichte, kurz danach schloss der für Xavi eingewechselte und fürs Angriffsspiel sehr belebend wirkende Pedro einen Konter ab - allerdings viel zu schwach. Und kurz danach ging es ins Elfmeterschießen.

© SZ vom 28.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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