Portugal in der Einzelkritik
Rui Patricio
Pepe sorgt bei Thomas Müller für Kopfschmerzen, Cristiano Ronaldo ist genervt von lauter Kunstverächtern und Fábio Coentrão erlebt ein schlimmes Wiedersehen mit Mesut Özil. Die Nationalmannschaft Portugals beim 0:4 gegen Deutschland in der Einzelkritik. Rui Patricio: Ist im Mann-zu-Mann-Vergleich mit Deutschland in besonders undankbarer Position: Muss sich da schließlich mit diesem Welttorhüter aus Gelsenkirchen vergleichen lassen. Patricio werden gute Reflexe nachgesagt, doch so weit wie Neuer sollte er nicht aus dem Kasten trauen: Mit dem Fuß ist er mitunter recht ungeschickt. Zeigte das schon nach acht Minuten, als er den Ball direkt zu Sami Khedira passte. Hatte beim Elfmeter zwar das richtige Näschen für die Ecke, hörte Müllers Ball aber nur noch an sich vorbeizischen. War beim 2:0 ohne Chance, lag beim 3:0 schon auf dem Rasen bevor Müller an den Ball kam. Verhalf Müller mit einem Abpraller zum 4:0. Erlebte einen Abend, bei dem man als Torhüter den "Blues" kriegt.
Portugal in der Einzelkritik
João Pereira
João Pereira: Strahlt die Aura eines Kükens aus, kann aber ziemlich stinkig auftreten. Erlebte gegen Deutschland einen schlimmen Auftakt: Bekam Götze nicht in den Griff - verursachte schon in der 12. Minute einen Elfmeter. Hielt seinen Gegner im Strafraum mit dem Arm zurück, es folgte Gelb und der Strafstoß zum 1:0. Zeigte daraufhin dem Schiedsrichter den Vogel, was unbemerkt blieb. Feierte in der zweiten Hälfte auch mal einen kleinen Zweikampf-Erfolg gegen Götze. Da stand es aber schon 3:0.
Portugal in der Einzelkritik
Bruno Alves
Bruno Alves (li.): Hat durch seinen Vater quasi brasilianisches Blut, sollte sich also nicht allzu unwohl fühlen im Gastgeberland. Ist in der Innenverteidigung mit Pepe die Traumbesetzung von Trainer Paulo Bento. Geriet allerdings mit seinem Abwehrpartner nach einer halben Stunde aneinander, weil die Abstimmung beim Zurücklaufen nicht stimmte. Musste sich nach dessen roter Karte nicht mehr um Pepe scheren, wohl aber um die ständige Nervensäge Thomas Müller: Legte ihm mit einem unglücklichem Abpraller das 3:0 auf. Und es wurde nicht besser: Ließ vor dem 4:0 den Ball zu Schürrle durchrutschen, der prompt richtung Tor loszog. Brasilianisch war an Alves an diesem Tag wenig. Er agierte eher wie ein waschechter Holzfäller.
Portugal in der Einzelkritik
Pepe
Pepe: Befindet sich in einem unausgesprochenen Wettkampf mit Cristiano Ronaldo in Punkto Aufsehenerregen. Spezialisiert sich aber eher auf temperamentvolle Mätzchen, die für den Gegner schmerzhaft werden können. Hielt zu Beginn seinen Kopf in einen Ball von Götze, tauchte dann mal klärend, mal meckernd auf. Verlor beim 2:0 das Kopfballduell gegen Hummels. Und danach die Contenance gegen Müller: Hielt ihn sich mit einem Klatscher an die Nase vom Leib. Machte es aber noch schlimmer, als er den am Boden hockenden Deutschen an den Kopf knockte. Sah dafür Rot - hatte damit in aller Kürze mehr Aufsehen erregt als Ronaldo in 90 Minuten.
Portugal in der Einzelkritik
Fábio Coentrão
Fábio Coentrão: Schickte vor dem Anpfiff noch einen Tweet an Mesut Özil. Inhalt: "Kann es kaum erwarten, dich wieder zu sehen. Es wird ein großartiges Spiel!" Darf als gelernter Außenstürmer Backup für Ronaldo spielen. Aber wer tut das nicht in diesem Team? Coentrão, wegen seiner blonden Tapete auch Rod Steward gerufen, hatte zunächst viel Abwehrarbeit zu leisten. Sah nach der Pause seine Chance, zum Torschuss zu kommen, doch Nani gab den Ball nicht ab und beide rempelten zusammen. Griff sich nach einer Stunde im Sprung an den Oberschenkel, musste vom Platz getragen werden. Hatte sich das Treffen mit Özil sicher anders vorgestellt.
Portugal in der Einzelkritik
Miguel Veloso
Miguel Veloso: Schon sein Vater spielte einst für die Nationalmannschaft der Portugiesen, ihm kam allerdings nie die Ehre zu, an einer WM teilzunehmen. Sohn Miguel ist mit 28 Jahren schon bei seiner zweiten dabei. Agierte zunächst fahrig und ließ sich früh in eigener Hälfte den Ball abnehmen. Merkte schnell, dass das gefährlich werden kann und steigerte die Konzentration. Musste zur Halbzeit gehen, Trainer Bento hatte auf den Verlust von Pepe zu reagieren - da war ein Mittelfeld-Verwalter wie der Dynamo-Kiew-Legionär nicht mehr gefragt.
Portugal in der Einzelkritik
João Moutinho
João Moutinho: Fungiert als Architekt und Bauleiter zugleich im Spiel der Portugiesen: Soll das Gerüst der Mannschaft mit Übersicht und klugen Pässen erzeugen. Foulte nach 22 Minuten Philipp Lahm, kam aber mit einer ernsten Unterhaltung mit dem Schiedsrichter davon. Durfte einen Freistoß treten, der den Deutschen wenig ausmachte. Schickte immer wieder feine Pässen zu seinen Mitspielern, doch die nützten nichts bei der robusten Abwehr. Das Gerüst in Moutinhos Spiel stand, ein imposantes Bauwerk wurde nicht daraus.
Portugal in der Einzelkritik
Nani
Nani: Vertrauensfigur in Punkto Konterfußball. Ist zusammen mit Ronaldo der Roadrunner des Teams. Befand sich allerdings zuletzt in England in einer Formkrise. Startete gegen Deutschland eine gute Tat von hinten: Half aus, als Pereira gegen Götze schwindelig wurde. Drosch den Ball nach 20 Minuten gewaltig Richtung Tor, erwischte allerdings nicht die perfekte Flugkurve. Hätte wenig später Ronaldo den Ausgleich auflegen können, spielte stattdessen einen so schlechten Pass, dass dem Portugiesenboss die Gesichtszüge entgleisten. Ließ sich immer mehr nerven von diesen stabilen Deutschen, versuchte es dann mit einem Gewaltschuss: Doch auch der verfehlte die Hütte knapp.
Portugal in der Einzelkritik
Raúl Meireles
Raúl Meireles: Hat sich vor der WM noch schnell die Brust tätowieren lassen, sodass sich dort nun zwei Totenköpfe gegenseitig anbrüllen. Präsentiert ansonsten einen so üppigen Bart, dass eine Dose Freistoßpray problemlos darunter Platz finden würde. Half nach dem Wut-Aus von Pepe zunächst in der Abwehr aus. Hatte so viel Gefallen daran gefunden, dass er in großem Eifer Mario Götze einholte, der kurz davor war, das 4:0 zu erzielen. Und sonst? Trägt einen der am schwierigsten auszusprechenden Namen der WM: "Raaauoool Merelsch". Oder so.
Portugal in der Einzelkritik
Hugo Almeida
Hugo Almeida: Befindet sich einem unausgesprochenen Wettkampf mit Raúl Meireles in Punkto Bartwuchs. Hat sich jedenfalls dazu entschlossen, die Gesichtsbehaarung während der WM sprießen zu lassen. Trat mit furchteinflößender Hulk-Hogan-Behaarung in dunkel auf. Feuerte nach fünf Minuten den ersten Schuss aufs deutsche Tor ab, es folgte später ein Handspiel im deutschen Strafraum und die Auswechslung nach nicht mal 30 Minuten. Der ehemalige Bremer humpelte nach einer Attacke von Hummels betrübt vom Feld. Das sah man trotz Bart.
Portugal in der Einzelkritik
Cristiano Ronaldo
Cristiano Ronaldo: Kann zurecht behaupten, dass es eine WM mit Portugal ohne ihn gar nicht geben würde (machte alle Tore in den Playoffs gegen Schweden). Ist allerdings auch dafür verantwortlich, dass es nun eine WM ohne Zlatan Ibrahimovic gibt. War zuletzt zudem noch der Schweinsteiger Portugals: Das Knie der Nation, es schmerzte. Lief nach wenigen Minuten mit bekanntem Düsenantrieb auf Manuel Neuer zu, musste aber einsehen, dass ein Weltfußballer gegen einen Welttorhüter auch mal unterlegen ist. Außer einigen Sprints an der Seitenlinie war von Ronaldo nichts zu sehen, was ihm die Laune verhagelte und Pfiffe einbrachte. Prallte mit seinen Übersteigern an Khedira ab, traf diesmal auf lauter Kunstverächter. Kann behaupten, was er will - besonders gut war er diesmal nicht.
Portugal in der Einzelkritik
Einwechselspieler: Eder, Ricardo Costa und André Almeida
Eder: Kam in der 28. Minute für Almeida auf den Rasen. Köpfelte einen Ball recht knapp übers Haupt von Manuel Neuer. Zog seine Kreise in der Spitze, als Ronaldo schon viel zu angeödet von der Partie war. Hätte zum Abstauber von Nanis Gewaltschuss werden können, ließ sich aber allzu leicht durch Höwedes stoppen. Hatte allen Kollegen etwas voraus: Brachte den Ball als einziger Portugiese ins Tor der Deutschen. Allerdings in einer bereits abgepfiffenen Aktion. Ricardo Costa: Kam nach der Pause für Veloso aufs Feld. Stoppte den heranstürmenden Lukas Podolski wie eine 100-Jährige Buche. Ließ sich nicht umrempeln vom 29-Jährigen. Immerhin. André Almeida: Kam in der 65. Minute für Coentrão. Konnte das Ergebnis nicht mehr beeinflussen. Durfte kurz vor Schluss noch einen Einwurf absolvieren. Immerhin.