Polizeikosten im Fußball:"Das kann die DFL aus der Portokasse bezahlen"

Lesezeit: 3 min

Sie gehören wie der Ball zum Spiel: Polizisten bei einem Fußballspiel im Stadion von Borussia Dortmund. (Foto: picture alliance/dpa)

Diesen Freitag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, wer die Polizeikosten bei Hochrisikospielen tragen muss. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer erklärt, warum er den Fußball in der Pflicht sieht.

Interview von Tim Brack

Am heutigen Freitag um 11 Uhr will das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil verkünden, das als richtungsweisend für den deutschen Fußball gesehen wird. Es geht darum, ob die Deutsche Fußball-Liga (DFL) an den Polizeikosten für Hochrisikospiele beteiligt werden darf. Ursprung des Streits ist ein Gebührenbescheid, den das Land Bremen an die DFL gestellt hatte. Für die besonderen Polizeikosten, die aufgrund des Hochrisikospiels zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV im April 2015 entstanden waren, stellte der Stadtstaat der DFL 425 718,11 Euro in Rechnung. Möglich war das nur, weil Bremen kurz zuvor sein Gebührengesetz geändert hatte. Die DFL zog deswegen vor Gericht, bekam zunächst Recht. In der Revision vor dem Oberverwaltungsgerecht setzte sich dann Bremen durch. Im Interview erklärt Ulrich Mäurer, Bremer Senator für Inneres, warum es ihm so wichtig ist, dass die DFL sich an den Polizeikosten beteiligt und warum er den Fußball in der Pflicht sieht.

SZ: Warum fiel die Entscheidung, Polizeikosten in Höhe von 425 718,11 Euro von der DFL zu verlangen?

Ulrich Mäurer: Diese Position vertrete ich seit mehr als zehn Jahren. Sie begründet sich in diesem krassen Missverhältnis: Auf der einen Seite sehen wir Jahr für Jahr die neuen Rekordergebnisse der DFL - inzwischen 4,4 Milliarden Euro Einnahmen für 2018. Bald wird die Fünf-Milliarden-Grenze geknackt sein. Auf der anderen Seite sehen wir die Probleme des Bundes und der Länder, mit Polizeieinsätzen weit über einer Million Stunden allein im Bereich des Profifußballs. Kosten, die zusammengenommen in dieser Spielzeit an die 150 Millionen heranreichen werden. Das zahlen alles die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Bundesland Bremen vs. DFL
:So teuer ist der Polizeieinsatz bei einem Bundesligaspiel

Die Sicherheitskräfte müssen nicht bei jeder Partie den gleichen Aufwand betreiben. Bei Hochrisikospielen können die Kosten allerdings stark steigen.

Von Carsten Scheele

Von der Gegenseite wird Ihnen vorgeworfen, Sie würden die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit Ihrer Forderung privatisieren. Was halten Sie dieser Kritik entgegen?

Seit Inkrafttreten der neuen Gebührenordnung Ende 2014 hatten wir in Bremen rund 60 Spiele. Von diesen sind sieben in der Kategorie "Risikospiele" ausgetragen worden. Das heißt, in rund 53 Spielen haben wir alle Polizeikosten getragen. Und auch das waren Spiele, in denen bis zu 600 Kräfte im Einsatz waren. Es geht also keinesfalls darum, die Kosten der öffentlichen Sicherheit zu privatisieren. Es geht darum, dass wir einen kleinen Teil dieser Kosten, nämlich den für Hochrisikospiele, erstattet bekommen, ansonsten sind die Partien bei uns kostenfrei. Und selbst bei einem Risikospiel tragen wir die Grundkosten.

Die DFL sieht nicht den Fußball als Verursacher der Gewalt. Vielmehr müsse er vor gewaltbereiten Dritten geschützt werden ...

So wie diese Bundesliga organisiert ist, werden große Gewinne damit realisiert. Und diese Spiele sind nur vorstellbar, weil die Polizei sie so massiv begleitet. Ohne dieses riesige Aufgebot würden die Hunderttausenden von friedlichen Fans niemals ins Stadion gehen. Wir sichern durch diese massive Polizeipräsenz den Spielbetrieb. Wenn das nicht der Fall wäre, wären unsere Stadien halbleer. Deswegen ist es auch angemessen, dass wir uns von diesem wirtschaftlichen Vorteil, den die Vereine haben, einen Teilbetrag zurücknehmen.

Warum soll der Fußball Polizeikosten tragen, wenn die Polizeikräfte bei Veranstaltungen wie dem Oktoberfest aber weiter von Steuergeldern bezahlt werden?

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer sieht den Fußball in der Verantwortung, wenn es um die Polizeikosten bei Hochrisikospielen geht. (Foto: dpa)

Unser Gesetz ist auch für andere Großveranstaltungen anwendbar. Und zwar dann, wenn diese gewinnorientiert sind, eine gewisse Mindestanzahl von Besuchern haben - und es erwartungsgemäß zu gewalttätigen Auseinandersetzung kommt. Das haben wir aber außerhalb des Fußballs überhaupt nicht, nicht beim Eishockey und nicht beim Marathon. Die Körperverletzungsdelikte einzelner Besucher auf einem Oktoberfest reichen da nicht aus. Und auch der Rosenmontagsumzug oder der evangelische Kirchentag würden nicht unter diese Regelung fallen, weil es keine gewinnorientierten Großveranstaltungen sind.

Könnten andere Bundesländer Ihrem Beispiel im Erfolgsfall nacheifern?

Rheinland-Pfalz sieht es genauso wie Bremen. Es ist ja eine absolute Minderheitenposition, die von der DFL vertreten wird. Alle Umfragen zeigen uns, dass die große Mehrheit der Bevölkerung sagt, es könne nicht angehen, dass man für einen Transfer 80 Millionen (Bayern München verpflichtete den Verteidiger Lucas Hernández für diese Summe, Anm. d. Red.) hinlegt und gleichzeitig die gesamten Polizeikosten dieser Profiliga dem Steuerzahler in Rechnung stellt. Im Übrigen haben viele europäische Länder bereits eine Kostenregelung getroffen. Die DFL aber bleibt stur.

An welchen Regelungen könnte man sich ein Beispiel nehmen?

Mein Vorschlag ist, dass die DFL einen Fonds auflegt. Man kann berechnen, wie viele Hochrisikospiele wir im Jahr haben. Das Bundesland, das damit belastet wird, bekommt einen Teil dieser Summen erstattet. Das sind Größenordnungen von vielleicht 20 oder 30 Millionen Euro für die gesamte Spielzeit im Bereich der Profiliga. Das kann die DFL aus der Portokasse bezahlen. Es gibt zahlreiche Beispiele aus dem europäischen Ausland, wie man das regelt. Aber da sind wir leider noch nicht. Die DFL ist überhaupt nicht bereit, sich an diesem Thema zu beteiligen. Ich bin überzeugt: Moralisch und politisch ist diese Auseinandersetzung für die DFL nicht mehr zu gewinnen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPolizeikosten in der Bundesliga
:"Der Fußball ist nicht Verursacher der Gewalt"

Dürfen Bundesliga-Vereine an Polizeikosten bei Spielen beteiligt werden? DFL-Chef Rauball erklärt, warum er die Forderung des Landes Bremens nicht versteht - und wie die Polizei entlastet werden könnte.

Interview von Philipp Selldorf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: