Politikdebatte um die WM:Ehre, Stolz und Fußballtore

Der geballte globale Zweifel facht den Ehrgeiz der Südafrikaner an - doch das ist nicht ungefährlich, denn es droht eine politische Überfrachtung der WM.

Arne Perras

Ein rauschendes Fest war das in Kapstadt, und nun klopft sich die Nation kräftig auf die Schulter. Prächtig sah es aus, und alles lief glatt. Die ganze Welt hat bei der Auslosung der WM-Mannschaften mitgefiebert. Das war Balsam auf die Seele Südafrikas. Was soll da noch schiefgehen, wenn 50.000 Fans bis tief in die Nacht friedlich feiern? Südafrikas WM-Architekt Danny Jordaan hat jedenfalls schon verkündet: "Der Zweifel ist tot." Das wünschen sich viele, denn lange schon quält dieser Zweifel die Psyche der Nation. Für Südafrika geht es längst nicht mehr um das größte Fußballfest der Welt, um siegreiche Stürmer auf dem Rasen oder heldenhafte Hüter im Tor. Für dieses Land stehen andere, wichtigere Dinge auf dem Spiel: die Ehre und der Stolz der gastgebenden Nation.

Politikdebatte um die WM: Viele hatten den südafrikanischen WM-Veranstaltern eine reibungslose Organisation nicht zugetraut - ein besonderer Ansporn für das Gastgeberland.

Viele hatten den südafrikanischen WM-Veranstaltern eine reibungslose Organisation nicht zugetraut - ein besonderer Ansporn für das Gastgeberland.

(Foto: Foto: dpa)

Stets hat Südafrika unter dem Gefühl gelitten, dass die Welt dem Land das alles gar nicht zutraut, was auf anderen Kontinenten schon lange selbstverständlich ist. So wurde die WM 2010 in eine große Prüfung umgedeutet - als müsse der afrikanische Lehrling allen erst noch beweisen, dass er zum Klub der vollwertigen Nationen gehöre.

Politik und Sport

Es ist nicht neu, dass sich die Politik des Sports bemächtigt. Aber in Südafrika nimmt dieses Phänomen extreme Züge an. Zum einen liegt das am Lauf der Geschichte, an den langen Demütigungen und Schmerzen, die Südafrikas Bevölkerungsmehrheit und die heutige politische Elite erlitten haben. Erst 1994 hat das Land das Joch der weißen Herrschaft abgestreift, die Wunden der Apartheid heilen nur langsam. Es ist, als müsse die WM nun diese lange Phase der Unterdrückung endgültig beenden, als sei 2010 das Signal für den letzten Befreiungsschlag, den Südafrika braucht, um seinen Platz am Tisch der Nationen, auf gleicher Augenhöhe, zu reklamieren.

Auf Betrachter in Europa mag die erzwungene Verknüpfung der WM mit der Zukunft der Nation etwas wundersam wirken, doch hat die Welt diese besondere Psyche in Südafrika selbst mitbefördert. Das Land hat bei der Vorbereitung viele Probleme zu bewältigen - die Kriminalität ist hoch, das Transportwesen unterentwickelt.

Deshalb musste es sich von Anfang eines geballten globalen Zweifels erwehren: Können die das überhaupt? Sind die Afrikaner mit der WM nicht völlig überfordert? Manche Denker auf dem Kontinent konnten diesen im Unterton oft arroganten Plädoyers sogar noch etwas Positives abgewinnen. Denn der Argwohn hat den Ehrgeiz der Südafrikaner angefacht, er ist ein wesentlicher Ansporn. Sie wollen es der Welt endlich zeigen. Es ist dabei weniger wichtig, dass die eigenen Mannschaft siegt. Nein, die Welt soll glücklich sein und sagen: Alle Achtung, das hätten wir jetzt nicht erwartet!

Urteil über den ganzen Kontinent

Andererseits ist es tückisch, die WM politisch derart aufzuladen. Denn so wird der Sport 2010 ein Urteil über einen ganzen Kontinent provozieren, das - egal wie es ausfällt - nur ungerecht sein kann. Ob die WM glückt oder nicht, sagt nur wenig über die Zukunftschancen Afrikas aus. Das Schicksal dieses Kontinents wird sich nicht daran entscheiden, ob Herr Blatter nach dem Abpfiff gute oder schlechte Noten verteilt. Investoren, die für den Fortschritt Afrikas unerlässlich sind, erstellen ihre eigenen Risikoanalysen, die Welt des Fußballs werden sie dabei kaum zu Rate ziehen.

Es stimmt schon, dass das Gütesiegel einer gelungenen WM manches Vorurteil über Afrika aufweichen kann. Und das wird den Menschen auf dem Kontinent guttun. Aber die politischen, oft sehr gewalttätigen Umbrüche südlich der Sahara sind viel zu komplex, als dass eine gelungene - oder misslungene - WM dort große Wirkung entfalten könnte.

Es geht hier auch gar nicht um "afrikanische Spiele", wie häufig unterstellt wird. Südafrika ist kein "pars pro toto", kein Exempel, das weit über seine Grenzen hinausreicht. Das Kap ist von vielen afrikanischen Ländern Welten entfernt, es geht also allein um Südafrika. Dieser Staat fühlt sich vom Ausland völlig missverstanden. Und der Sport soll das nun richten. Die Botschaften dafür haben sich Politiker und Funktionäre längst zurechtgelegt: Wir sind gar nicht so gewalttätig, wie ihr alle glaubt. Wir organisieren für euch ein tolles Fest!

Ja, der Zweifel ist tot, unten am Kap.

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