Politik im Sport:Boateng soll dem FC Bundestag helfen

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(Foto: Studio Kohlmeier)
  • In der Fußballmannschaft des Parlaments wurde bislang nicht über Politik geredet.
  • Das hat sich durch den Einzug der AfD geändert - nun wird über den Umgang mit den Rechten debattiert.
  • Aus den verschiedenen Parteien kommen kreative Lösungsvorschläge.

Von Javier Cáceres, Berlin

Um den auf der Hand liegenden Kalauer gleich abzuräumen: Der bisherige Rechtsaußen des FC Bundestag, der Fußball-Mannschaft des deutschen Parlaments, bekleidete diese Position "gegen innere politische Widerstände". Scherzt Marcus Weinberg, der Kapitän des Teams - und spielt damit auf die tatsächliche Gesinnung des Mannes an, der in der abgelaufenen Legislaturperiode die rechte Flanke beackerte: "André Hahn von den Linken, ein ausgezeichneter Stürmer."

Im neuen Bundestag sind bekanntlich diverse Rechtsaußen dazugekommen: Abgeordnete der Alternative für Deutschland, kurz AfD. Einige von ihnen sind der Einladung gefolgt, Mitglied beim FC Bundestag zu werden. Und seitdem ist die Frage des Umgangs mit den Rechten, die den Bundestag schon in vielen Formen beschäftigt hat, auf das intime Format einer Fußballerkabine heruntergebrochen.

Bislang haben fünf von 92 AfD-Abgeordneten förmliche Aufnahmeanträge gestellt; von einer "feindlichen Übernahme durch die AfD" könne also keine Rede sein, sagt Weinberg, der selbst der CDU angehört. Die Anträge gelten als angenommen vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung der Mitgliederversammlung des FC Bundestag, sie ist für Mitte Januar geplant. Zuletzt hatte der FC Bundestag fünfzig Mitglieder; die Zahl der Neuanmeldungen lag am Donnerstag bei 22, Frauen sind nicht darunter, obwohl sie explizit aufgefordert wurden, dem Verein beizutreten. Was es nicht geben kann und wird: einen pauschalen Ausschluss von AfD-Mitgliedern. "Das würde sich mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung gewählter Abgeordneter nicht vertragen", sagt Weinberg.

Ein AfD-Politiker wurde zu sechsmonatiger Freiheitsstrafe verurteilt

Interessant könnte die Prüfung durch die Mitgliederversammlung dennoch werden. Zu den AfD-Politikern, die dem FC Bundestag beitreten wollen, zählt Jens Maier zwar nicht, auf dessen Twitter-Account der Sohn des dreimaligen Wimbledon-Siegers Boris Becker soeben als "Halb-Neger" verunglimpft wurde. Aber "rassistische Äußerungen, wenn es sie in dieser Form gegeben hat, können in der Konsequenz zu einer Nichtaufnahme führen", sagt Weinberg. Ein weiteres AfD-Mitglied mit Interesse am Fußballspiel ist Sebastian Münzenmeier. Dessen Immunität war vom Bundestag aufgehoben worden, nachdem das Amtsgericht Mainz ihn im Oktober zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt hatte, die auf Bewährung ausgesetzt wurde. Nach Überzeugung des Gerichts hatte er sich bei einem Angriff von Hooligans des 1. FC Kaiserslautern auf Anhänger des FSV Mainz 05 der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Münzenmeier bestreitet dies und hat Berufung eingelegt.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, könnte der Kodex greifen, dem sich der FC Bundestag verpflichtet fühlt und der sich in "Werten wie Toleranz, Respekt und auch der Fairness" äußert. Zu diesem Kodex gehört auch der überparteiliche Konsens, in der Kabine ausdrücklich nicht über Politik zu reden. Der Kodex ist zwar nicht in der Satzung festgeschrieben, ergibt sich aber von selbst, sagt Weinberg: "Wir vertreten den Deutschen Bundestag."

Konsequenz dessen seien Benefizspiele, etwa für ein Hospiz, das Ferienaufenthalte für Kinder aus Tschernobyl organisiert, dem Nuklearkatastrophenort von 1986, das Freundschaftsspiel gegen die Vertretung des israelischen Parlaments, oder aber Partien gegen die "Initiative Fußball-Fans gegen Rechts". Ein Projekt habe aus terminlichen Gründen bisher nicht bewerkstelligt werden können: ein Turnier mit Flüchtlingsteams aus Wahlkreisen der Bundestag-Kicker. Es könnte aber bald folgen. Und bei solchen Auftritten sollen AfD-Vertreter mitspielen? "Das müsste ich im Einzelfall entscheiden", sagt AfD-Mann Münzenmeier, es sei die Frage, "ob man der Sache gerecht werde, wenn solche Mannschaften zu 80 Prozent aus abgelehnten Asylbewerbern bestehen". Ob es solche Mannschaften gibt? "Weiß ich nicht."

Ein Eignungstest "unter der Leitung von Trainer Boateng"

Der Nichtparlamentarier Gerd Wagner, der das Projekt "Am Ball bleiben - Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung" leitete, bis das Bundesfamilienministerium 2009 die Finanzierung nicht verlängerte, sagt, er hätte ein Problem damit, mit Rechtspopulisten in einem Team zu spielen. Aber er verfolgt die Debatte um den FC Bundestag mit großem Interesse - allein schon, weil die Frage des Umgangs mit den Rechten im Fußball, die den Bundestag erreicht habe, immer dringlicher geworden ist. Die Anfragen häufen sich, wie man etwa auf rechte Jugendbetreuer in Klubs reagieren könne.

Wie sehr die Frage gärt, zeigt aktuell auch der Fall von Peter Fischer, dem Präsidenten des Bundesligisten Eintracht Frankfurt. Der wurde von der AfD angezeigt, nachdem er im Hessischen Rundfunk mit Blick auf die AfD gesagt hatte, dass es "keine Nazis bei Eintracht Frankfurt geben wird", solange er dort Präsident sei. Der CDU-Politiker Weinberg sagt, er sei "sehr positiv überrascht", dass ein Präsident "so klar Stellung gegen rechte Gesinnung bezieht." Es sei aber "natürlich problematisch, kollektiv Wähler und Mitglieder einer bestimmten Partei zu bewerten und damit aus dem Vereinsleben auszuschließen."

Denn über allem schwebt die Furcht, der AfD Steilvorlagen zu liefern, sich als Opfer zu stilisieren. "Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt, Projekte und Spiele anzuschieben, die von den AfDlern das Bekenntnis abverlangen, die Werte zu leben, die der FC Bundestag propagiert. Zum Beispiel durch Spiele gegen Flüchtlinge". Oder, wie der Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek im Deutschlandfunk vorschlug, den FC Bundestag für ein Foto hinter einem Banner zu vereinigen, auf dem steht: "Für Flüchtlingshilfe und gegen Rassismus".

Der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi trug der SZ eine andere Idee vor. Eingedenk des Zitats von AfD-Bundessprecher Alexander Gauland aus der FAS von 2016 über den deutschen Nationalverteidiger Jérôme Boateng ("Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben"), schlägt De Masi einen "fußballerischen Eignungstest" vor: "Unter der Leitung von Trainer Boateng."

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