Polen:Es droht die Verliererrunde

Enorme personelle Probleme schwächen den WM-Dritten von 2015 und Olympia-Vierten von Rio de Janeiro.

Von Joachim Mölter, Nantes/Rouen

Es war schon zu erwarten gewesen, dass Polens Handballer zurückfallen würden bei dieser WM in Frankreich. Denn es hat einen Umbruch gegeben im Team des WM-Dritten von Doha 2015 und Olympia-Vierten von Rio 2016. Aber dass sie sogar in der Vorrunde scheitern? Genau das droht nach nur zwei Spielen, die die Polen beide verloren haben, erst gegen den EM-Vierten Norwegen (20:22), am Samstag dann gegen Brasilien (24:28). Unterliegen die Polen am Montag auch noch den Russen, können sie für den President's Cup planen, die Verliererrunde um die Ränge 17 bis 24. Ein gewaltiger Abstieg.

Die Niederlage gegen Brasilien war per se überraschend: Europäische Teams haben zwar häufig Probleme mit der ungewohnten Spielweise südamerikanischer Gegner, in aller Regel gewinnen sie trotzdem. Doch die Polen waren vor 10 000 Zuschauern in Nantes erschreckend plan-, hilf- und chancenlos. Das erste Tor gelang ihnen nach acht Minuten zum 1:5, nur einmal kamen sie näher heran, auf 23:26 (58.). "Natürlich sind wir äußerst enttäuscht", sagte Rückraumspieler Piotr Chrapkowski: "Immer, wenn wir die Chance hatten, aufzuholen, haben wir vorbeigeworfen."

Diese Abschlussschwäche hatten die Polen schon gegen Norwegen offenbart, sie ist sogar erklärlich. Nach den Spielen von Rio traten neben Weltklasse-Torwart Slawomir Szmal, 38, auch Olympia-Torschützenkönig Karol Bielecki, 34, und dessen Rückraumkollege Krzystof Lijewski, 33, zurück. Und vor der WM fielen in Kreisläufer Kamil Syprzak (Meniskus- und Kreuzbandschaden) sowie den Rückraumspielern Michal Jurecki (Handbruch) und Mariusz Jurkiewicz (Schulterblessur) weitere torgefährliche und routinierte Akteure aus. Trainer Talant Duschebajew, der den Job nach der Heim-EM 2016 vom Deutschen Michael Biegler übernommen hatte, hatte nicht mehr viel Auswahl.

Als Klubcoach hat Duschebajew im vorigen Jahr die Champions League mit KS Vive Kielce gewonnen, doch von dem Klub sind nur drei jüngere Profis dabei. Es ist generell ein sehr junges Team: Nur Linksaußen Mateusz Jachlewski und Torwart Adam Melcher sind jenseits der Dreißig. Und bis auf Spielmacher Lukasz Gierak vom deutschen Zweitligisten Tus N-Lübbecke sind alle Spieler in Polen beschäftigt, also ohne viel internationale Erfahrung. Da tun sie sich halt selbst gegen das brasilianische Team schwer.

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