Pokern:Casino Royale

Wenn Zocken zum Beruf wird: Mehr als Hundertausend Menschen nahmen an einem Wettbewerb teil, um ihren Traum vom Poker-Profi zu verwirklichen. Am Wochenende trafen sich die besten 30 Spieler dazu im Ausland - im Zillertal.

Jürgen Schmieder

Michael Körner kann hellsehen. Der DSF-Pokerexperte sieht seinem Gegenspieler in die Augen und sagt: "Du hast zwei Buben!" Der Angesprochene versucht, sein Pokerface beizubehalten, kann seine Überraschung und sein Entsetzen nicht verbergen. Spätestens jetzt wissen alle Spieler am Tisch: Er hält tatsächlich zwei Buben in der Hand. Eine Runde später gelingt Körner das Kunststück noch einmal: Er kennt die Karten seines Gegners - allein daran, wieviel Einsatz er bringt: "Dreifacher Blind, das sind ein Ass und eine Zehn."

Darum geht es beim Pokern: die eigenen Chancen berechnen und die Gedanken der Gegner erahnen zu können. Das kann ein nervöses Zucken sein, ein kleines Grinsen - oder eben der gebrachte Einsatz. Daran kann man die eigene Strategie ausrichten. Aus diesem Grund wird Pokern nicht den Glücksspielen zugeordnet, sondern als Geschicklichkeits- und Strategiespiel gewertet.

Am Wochenende kamen 30 Pokerspieler ins Zillertal, um sich mit anderen zu messen - und den Traum vom Berufspokerspieler zu verwirklichen. Das Internetcasino 888.com hat den Wettberwerb "German National Team" ausgeschrieben. Die zwei besten Spieler sollten sich qualifizieren und zusammen mit Michael Keiner - einer der besten deutschen Pokerspieler - das "National Team" bilden. 888.com übernimmt alle Startgebühren für die größten Turniere, darunter auch die World Series of Poker. "Eine Teilnahme bei diesem Turnier ist der Traum eines jeden Pokerspielers", sagt Michael Keiner. Kein Wunder, winkt doch ein Preisgeld von mehr als 14 Millionen Dollar für den Sieger.

Mehr als 100.000 Spieler nahmen an den Qualifikationsturnieren teil, die besten 30 durften ins Zillertal. Das Teilnehmerfeld war bunt gemischt. Da sitzt ein Mathematik-Student neben einem Kaufmann, ein Stück weiter rechts versucht es ein ehemaliger Fußballprofi. Eines haben die Spieler gemeinsam: Jeder fummelt mit seinen Händen herum. Einer lässt Chips durch die Finger gleiten, ein anderer stalpelt sie sorgfältig. Ein Dritter spielt an seinen Karten, wieder ein anderer zupft am Filz des Tisches.

Draußen im Foyer wird heftig diskutiert, die Spieler haben dafür einen eigenen Jargon. "Mit Pocket Rockets All-In zu gehen ist gefährlich", sagt einer. Gemeint ist damit, dass ein Spieler zwei Asse in der Hand hält und sein gesamtes Geld setzt. Ein Ass und ein König nennt man Anna Kournikova: sieht gut aus, gewinnt aber selten. Eine Neun und eine Zwei kennen Pokerspieler als "Montana Banana". "Ich habe keine Ahnung, warum das so ist", sagt Körner.

Auffällig: Die Begriffe "Glück" und "Pech" fallen sehr selten. Wenn sie gebraucht werden, dann eher abfällig: "Jetzt braucht er schon Glück", sagt ein Beobachter, als einem Spieler der Bluff misslingt. Die Botschaft ist klar: Wer sich aufs Glück verlassen muss, ist ein schlechter Pokerspieler.

Casino Royale

Am Tisch wird es derweil spannend. Sechs Spieler haben sich für das Finale qualifiziert. Der Tisch ist von 15 Fernsehkameras umstellt, das Event wird von zwei Sendern übertragen. Die Fernsehzuschauer freilich haben freie Sicht auf jedes Paar Karten, das die Spieler in der Hand halten - genauso wie die Beobachter im Foyer. Die diskutieren jede Aktion: "600 Chips mit einem Paar Zehnen, das kann nicht gut gehen", sagt einer. Klar, er sieht ja auch auf der Großleinwand, dass sein Gegner zwei Damen in der Hand hält.

Die Spieler selbst kennen nur ihr eigenes Blatt und versuchen, Emotionen so gut es geht zu verbergen. Einer hat sich deshalb eine Sonnenbrille aufgesetzt, ein anderer die Mütze tief ins Gesicht gezogen. Ein Dritter ist unentwegt am Reden, um seine Gegner aus dem Konzept zu bringen. Wirkt nicht, diese Taktik. Er scheidet früh aus.

Ab sofort Profis

Nach drei Stunden Spielzeit kommt man sich vor wie im James-Bond-Film "Casino Royale": Drei Spieler sitzen sich gegenüber, hinter ihnen stehen zwei atemberaubend schöne Frauen. Die werden jedoch kaum beachtet, die Konzentration gilt dem Spiel. Wieder sagt einer: "All-In!" Er setzt all seine Chips, es kommt auf die letzte Karte an, die umgedreht wird. Es ist eine Dame.

"Ja", rufen Christian Zetzsche und Maik Wnendt gleichzeitig. Der 22 Jahre alte Student und der 43-jährige Kaufmann haben das Turnier gewonnen. Damit war ihnen nicht nur der Respekt der Zuschauer sicher, nein, die beiden sind ab diesem Zeitpunkt professionelle Pokerspieler, die an der größten Turnieren der Welt teilnehmen dürfen.

"Ich weiß im Moment nicht, was ich sagen soll", sagte Wnendt nach dem Turnier. Aber er wusste, was er zu tun hatte: Nach einem Wochenende voller Poker fuhr er am Abend nach Nürnberg - um zu pokern.

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