Pokalspiel gegen den BVB:Dresden sucht die Bienenkönigin

SG Dynamo Dresden - VfL Bochum

Dresdner Jubelszenen - auch am Dienstagabend gegen den BVB?

(Foto: Thomas Eisenhuth/dpa)

Auf Dynamo Dresden warten gleich zwei große Spiele: Erst das Pokal-Achtelfinale gegen Dortmund, dann der Drittliga-Hit gegen Großaspach. Auch in der einst gefürchteten Fanszene scheint sich etwas zu tun.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Für die aktive Fanszene der SG Dynamo Dresden steht in dieser Woche das Spiel des Jahres an, sie erwartet einen herzlich befreundeten Gegner sowie einen Allzeit-Rekordbesuch im eigenen Stadion. Ein Sieg von Dynamo? Gilt unter Fachleuten als wahrscheinlich. Gleich noch mehr zum kommenden Samstag, zum 28. Spieltag der 3. Liga und zum Heimspiel Dresdens gegen die SG Sonnenhof Großaspach. Aus reiner Chronistenpflicht sei zunächst aber darauf hingewiesen, dass die SG Dynamo zuvor noch ein anderes Pflichtspiel zu bestreiten hat. Vor dem Liga-Knaller gegen Großaspach empfängt Dresden an diesem Dienstag im Achtelfinale des DFB-Pokals den Batman-Verein Borussia aus Dortmund (ARD, 20.30 Uhr).

Zugegeben, auch das Interesse an diesem Spiel übersteigt den Rahmen des Normal-Verrückten in der Stadt. Im Vorverkauf gab es am Ticket-Schalter eine dermaßen lange Schlange, dass nicht nur westlichen Beobachtern die Begriffspaarung "Bananen" und "DDR" gefährlich locker auf der Zunge saß. Ein Autohaus nutzte den großen Andrang für einen charmant-schamlosen Kontaktversuch auf dem Graumarkt: Per Zeitungsannonce versprach man zwei Karten beim Kauf eines Neufahrzeuges.

Ralf Minge wiederum, Sportdirektor von Dynamo, berichtete in einer Talk-Runde, dass er die 30000 verfügbaren Eintrittskarten locker und allein in seinem Freundes- und Bekanntenkreis losgeworden wäre. Wer da schon neidisch über das offenbar dicht geknüpfte soziale Netz Minges sinnierte, den beruhigte er mit einer Nachreichung. Es hätten sich nicht nur enge Freunde gemeldet, sondern auch Leute, von denen er "seit meiner Abiturzeit" nicht mehr gehört hatte.

Dynamo Dresden jedenfalls kommt das Spiel gegen Dortmund gelegen, das hat mit dem Wettbewerb zu tun und auch mit den vergangenen Wochen. Zum Wettbewerb: Die beiden ersten Hauptrunden haben den Begriff DFB-Pokal aus Dresdner Sicht wieder positiv besetzt. In der Vorspielzeit (13/14) gab es einen Pokalausschluss wegen Randale, in dieser Saison Siege gegen Schalke und Bochum. Nun wird das Stadion also ein drittes Mal zum Hexen- und vor allem Teekesselchen - es geht gegen den Pott, auf dem Weg zu selbigem. Zu den letzten Wochen: Nach einem wundersam spiel- und ergebnisstarken Saisonbeginn hatten sich in Dresden zuletzt wieder auf alte Schwächen besonnen - Minikrise, Trainerrauswurf, leichtes Nachtreten.

Nach drei verlorenen Spielen in Serie musste der von den Fans geachtete Stefan Böger gehen, Ralf Minge hatte bei ihm Autismus in Verbindung mit Beratungsresistenz diagnostiziert. Aus dem Schatten der jüngeren Vergangenheit meldete sich zügig der ehemalige Fitnesscoach Miserius und gab ein paar Interviews. Deren etwas bockiger Grundtenor: Ätsch, ich hab's Euch doch immer gesagt, Dynamo hat ein massives Fitnessproblem und der blöde Böger ist Schuld.

Aktion 30000+ könnte Zuschauerrekord bringen

Zumindest der Fitness-Befund von Miserius lässt sich mit einem Blick in die Späte-Gegentore-Tabelle der dritten Liga bestätigen. Am vergangen Wochenende führte Dynamo in Regensburg schon 3:0 in einem Spiel, das dann nur 3:2 ausging. Für Peter Németh war es der erste Sieg im zweiten Spiel als 32. Cheftrainer der SGD seit 1990. Er liegt damit im Schnitt und darf sich laut Statistik auf in Summe 9,375 Monate im Amt freuen.

DFB-Pokal, Achtelfinale, Dortmund - alles schön also, alles gut. Zu den Höhepunkten des noch jungen Jahres Zweitausendundnémeth gehört aber wie gesagt vor allem der Besuch der SG Sonnenhof Großaspach, in dessen Zusammenhang der Verein Dynamo Dresden und seine Fans sich mal wieder selbst erzählen, in vielen ihrer Facetten. Die zarte Freundschaft zu Großaspach geht zurück auf das Hinspiel, wo die Dresdner Fans im Württembergischen zur völligen Verwunderung ihrer selbst freundlich empfangen worden. Woanders rattern Rollläden und werden die Laufzeiten von Hausrat-Policen überprüft, wenn Dynamo zu Gast ist, da gibt es Angst und Respekt in seiner düsteren Ausprägung. In Großaspach hatte man stattdessen gemeinsam einen schönen Nachmittag.

Der Dresdner Anhang will es nun zurückdanken, 50 Gästefans werden am Samstag zur Stadtführung und zum Stadionbier eingeladen, man wird sie in die eigenen Reihen integrieren und sich so auch den Gästeblock sowie entsprechende Pufferzonen sparen. Im Ergebnis dürfte die Aktion "30000+" einen Zuschauerrekord bringen. Ob der Laden wirklich voll wird, gegen Großaspach? Darum sorgt sich im Grunde niemand ernsthaft. Die Kundschaft in Dresden ist event- und kollektivorientiert - und wenn es einem subjektiv als gut bewerteten Zweck dient, dann würden die Fans auch dann zu Tausenden aufschlagen, wenn Dynamo nur gegen die eigene F-Jugend aufläuft oder zum öffentlichen Laktattest. In einem der Mobilisierungs-Clips für das Spiel gegen Großaspach wird zudem mit einer ironischen wie rätselhaften Andeutung für den Ticketkauf geworben. Gibt es ein Duett von Dynamos Capo Stefan Lehmann und der Aspacher Exportgröße Andrea Berg? Gott bewahre.

Der "gute Zweck" ist in diesem Fall einer, der die Betreiber des Dynamo-Podcasts in ihrer Entscheidung stärken dürfte, der Sendung eine eigene Rubrik namens "Strafen und Vergehen" zu schenken. Mit dem Ausverkauf gegen Großaspach soll finanziell das Geisterspiel ein wenig abgefangen werden, das Dynamo vor einem knappen Monat gegen den FC Rot-Weiß Erfurt zu absolvieren hatte. Der DFB hatte dies angeordnet, nachdem es beim Auswärtsgipfel in Rostock mal wieder gekracht hatte. Die Reaktion einiger Dynamo-Fans? Sie versammelten sich vor dem Stadion und zündeten die Polenböller einfach dort, als drinnen mal wieder ein spätes Gegentor gefallen war.

Wie sich solche Konzentrationsschwächen in einem Spiel gegen den ausdauernd laufstarken BVB auswirken, wird eine der entscheidenden Fragen des Dienstagabends. Weitgehend gelassen wird Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich verfolgen, wer am Ende als "Bienenkönigin" vom Platz geht. Dieses Märchen der Brüder Grimm hatte Tillich vor eine Weile Kindern vorgelesen, es folgte eine kleine Fragerunde. Um die Auskunft gebeten, wer denn sein Lieblingsverein sei, sagte Tillich: "Schwarz-Gelb. Dynamo und Dortmund."

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