Pokalfinale der Frauen:Dorf gegen Wolfsburg

Die Fußballerinnen des SC Sand stammen aus einem Ort mit 1900 Einwohnern. Der Einzug ins Endspiel ist der größte Erfolg des Vereins.

Von Ulrich Hartmann, Köln

In einem Pokalspiel werden exakt zwei Rollen benötigt: ein Außenseiter und ein Favorit. Am liebsten im Finale. Deshalb versucht auch niemand, den kleinen SC Sand groß zu reden. Auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bunds steht: "Ein unbeschriebenes Blatt aus dem beschaulichen Willstätt." Die Sander Abwehrspielerin Laura Vetterlein sagt: "Ein kleiner Verein, der sonst nur in seinem Dorf stattfindet." Der Manager Gerald Jungmann meint: "Wir sind ein richtiger Dorfverein, der es geschafft hat, die Frauenfußballwelt unsicher zu machen."

Die Welt muss zwar noch warten, aber den deutschen Frauenfußball erschüttern die Bundesliga-Spielerinnen vom SC Sand an diesem Samstag (15 Uhr, ARD) gewaltig. In Köln stehen sie erstmals im Pokalfinale. Sie fordern den je zweimaligen Meister, Pokalsieger und Champions-League-Gewinner VfL Wolfsburg heraus. Wolfsburgs Saisonetat liegt bei geschätzten fünf Millionen Euro, der vom SC Sand bei 650 000 Euro. Sand hat 1900 Einwohner. Damit ist der Ortsteil der baden-württembergischen Gemeinde Willstätt zwischen Straßburg und Offenburg der kleinste Frauenbundesliga-Standort. Hoffenheim ist fast doppelt so groß. Spielmacherin Anne van Bonn, einst zweimal Pokalsiegerin mit dem FCR Duisburg, sagt: "Dieser Finaleinzug ist der größte Erfolg der Vereinsgeschichte." Als Zweitligist hatte der Klub 2014 das Halbfinale erreicht. Kurz danach ist er in die Bundesliga aufgestiegen. 875 Zuschauer kamen im Schnitt zu den Heimspielen dieser Saison. Die Eintrittskarte kostet sieben Euro. Mehr als 2000 Zuschauer aus dem Ortenau-Kreis werden zum Finale erwartet.

DFB-Pokal der Frauen

Im DFB-Pokalfinale der Frauen trifft Außenseiter SC Sand auf den je zweimaligen Meister, Pokalsieger und Champions-League-Gewinner VfL Wolfsburg.

(Foto: Marius Becker/dpa)

"Die Mädels können zu Legenden im Dorf werden", sagt Trainer Andreas Fischinger. Der Badener, Fan des 1. FC Köln und einst selbst Fußballer, musste seine Karriere früh beenden, weil ihm Freunde am Polterabend einen Streich spielten. Sie zogen ihn an einem Abschleppseil in die Höhe. Das Seil riss, Fischinger brach sich Becken, Knie und Handgelenke und war froh, irgendwann wieder richtig laufen zu können. In Freiburg hatte er zu seiner aktiven Zeit Joachim Löw kennengelernt. Vor dem Halbfinalsieg gegen Bayern München spielte Fischinger seinen Fußballerinnen eine Videobotschaft vom Weltmeister-Trainer vor. Anschließend schlug Sand Münchens Meisterinnen 2:1. Beim Siegtor half eine Platzunebenheit.

Ärger hat Sands Finaleinzug darob aber nicht bei den Münchnerinnen ausgelöst, sondern bei Ralf Kellermann, dem Wolfsburger Trainer. "Die Bedingungen in Sand sind unwürdig", polterte Kellermann damals aus der Ferne: "Der Rasen ist zu lang und wird nicht gewässert - da wird mit allen Tricks gearbeitet, und jetzt werden sie dafür auch noch belohnt." Am Tag vor dem Finale entschuldigte sich Kellermann ein bisschen für seine Kritik, erweiterte sie aber sogar: "In Sand wird mit unterschiedlichen Bällen gespielt, die Tore entsprechen nicht den Regelmaßen, und der Rasen wird zu selten gemäht." Fischinger wehrte sich gegen den Vorwurf, mit Tricks zu arbeiten. "Aber wir sind schon eine Besonderheit in dieser Liga, wir können mit den anderen Klubs nicht mithalten und hätten auch gerne so eine tolle Arena wie in Wolfsburg." Lächelnd fügte er hinzu: "Mittlerweile haben wir aber sogar gute Bälle."

Wieder Wolfsburg? Frauen-Endspiele um den DFB-Pokal seit 2004

2004 FFC Frankfurt - Turbine Potsdam 0:3 (0:1)

2005 Turbine Potsdam - FFC Frankfurt 3:0 (2:0)

2006 Turbine Potsdam - FFC Frankfurt 2:0 (0:0)

2007 1. FFC Frankfurt - FCR 2001 Duisburg

4:1 i.E./1:1 (1:1)

2008 FC Saarbrücken - FFC Frankfurt 1:5 (1:1)

2009 Turb. Potsdam - FCR Duisburg 0:7 (0:2)

2010 FCR Duisburg - FF USV Jena 1:0 (0:0)

2011 1. FFC Frankfurt - Turb. Potsdam 2:1 (1:1)

2012 1. FFC Frankfurt - FC Bayern 0:2 (0:0)

2013 VfL Wolfsburg - Turbine Potsdam 3:2 (1:0)

2014 SGS Essen - 1. FFC Frankfurt 0:3 (0:3)

2015 Turb. Potsdam - VfL Wolfsburg 0:3 (0:1)

2016 SC Sand - VfL Wolfsburg

Fischinger, 52, hat Sand erst kurz vor der Saison übernommen und zum Klassenerhalt geführt. Weil ihm der Aufwand zu groß ist, will er sich nach dem Pokalfinale wieder um seine Fußballschule bei Freiburg kümmern. Eines weiß er aber bereits: "Einen schöneren Abschluss gibt es nicht."

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