Podolskis Startelf-Debüt in Mailand:Schon applaudiert das Popolo

FC Internazionale Milano v Genoa CFC - Serie A

Neue Liebe in Mailand: Lukas Podolski zeigte eine gute Partie gegen Genua.

(Foto: Getty Images)

Vorne wirbelt Lukas Podolski: Innerhalb weniger Tage hat die deutsche Frohnatur die miesepetrigen Inter-Fans aus ihrer Winter-Melancholie gerissen - gegen Genua gelingt den Mailändern der erste Heimsieg seit zwei Monaten.

Von Birgit Schönau, Rom

Lange hat Inter Mailand nicht so energisch, ja befreit aufgespielt wie beim 3:1 am Sonntagmittag gegen CFC Genua. Ewigkeiten waren vergangen seit dem letzten Heimsieg am 29. Oktober, damals gegen Sampdoria, die andere Erstligamannschaft aus Genua, wenig deutete darauf hin, dass die Partei gegen den Tabellenfünften CFC die Wende bringen würde. Aber ein schmerzlich vermisster Schwung, eine ungeahnte Spielfreude hat die Internazionale erfasst - vielleicht liegt es ja an dem neuen Gebraucht-Motor, den Roberto Mancini seiner Offensivabteilung verpasst hat.

Er hat 29 Jahre in den Beinen, wurde bei Arsenal London als chronisch untertourig ausgemustert und heißt Lukas Podolski. Bei seinem ersten Heimspiel im Meazza-Stadion wirbelte Podolski in nahezu beängstigender Turbo-Geschwindigkeit vor dem gegnerischen Tor herum, holte unermüdlich Bälle aus dem Mittelfeld und bediente die Kollegen Rodrigo Palacio und Mauro Icardi derart präzise, als kenne man sich seit Jahren.

Wer hätte das gedacht: Ausgerechnet im stets leicht verkühlten und versnobten Mailand ist Poldi in seinem Element. Innerhalb von wenigen Tagen hat die notorische Frohnatur sogar die miesepetrigen Interisti aus ihrer gepflegten Winter-Melancholie gerissen. Schluss mit der Griesgrämigkeit, jetzt wird nach vorn gelebt und gespielt! Und siehe da, bei Inter kommt es zum Äußersten, sogar der berüchtigte Grübler und Grantler Roberto Mancini amüsiert sich. Die Mannschaft hielt die Luft an, als Marco Andreolli dem am Spielfeldrand stehenden Coach den Ball mit solcher Wucht gegen die Brust drosch, dass Mancini umfiel. Wie würde er reagieren?

Schließlich hatte der Trainer soeben ohne großes Federlesen Stürmer Pablo Osvaldo Spielverbot erteilt, weil es der Italo-Argentinier an Disziplin vermissen ließ. Mancini kann streng sein, und breit lachen sieht man ihn eigentlich nie. Aber als er nach der Szene aufstand und sich das Gras vom Mantel klopfte, schüttelte er sich vor Heiterkeit. Das Poldi-Syndrom, diese unwiderstehliche Spaßwelle, hat auch ihn erfasst.

Die Zeichen stehen auf Honeymoon, öffentlich schwärmt der Neue von seinem Trainer Roberto Mancini: "Super, dass der Coach noch mit uns mitkickt." Kein Kunststück für den 50 Jahre alten Italiener, der bei Testspielen im Inter-Pinienwald "Pinetina" gern selbst mitmischt. Und ein Seitenhieb für Podolskis bisherigen Übungsleiter Arsène Wenger. Der schmallippige Franzose, 65, lässt sich niemals zum lustigen Ballaustausch mit seinen Fußballern herbei, störte aber prompt die Idylle in der Pinetina.

Wengers Erwartungen an Podolski

"Podolski ist nur ausgeliehen, Inter hat keine Kaufoption", ließ der leicht genervte Wenger am Sonntag ausrichten. Offensichtlich hat Arsenals Coach nicht goutiert, was Podolski in der englischen Presse über ihn verbreitete: Wenger habe zum Abschied beharrlich geschwiegen; "er hat weder angerufen noch mir alles Gute gewünscht". Nicht, dass er "Blumen oder einen Kuss" erwartet habe, lästerte Poldi: "Aber es geht hier auch um Respekt."

Blumen! Küsse! Wenger zeigte sich höchst pikiert: "Ich erwarte meinen Spieler im Sommer zurück." Wo kein Abschied, da flicht man keine Sträuße, so einfach ist das. Eilfertig verbesserte sich Podolski, er fühle sich selbstverständlich als Arsenal-Spieler. Gleichzeitig twitterte er aber schon fröhlich, er könne es kaum abwarten, in San Siro "vor dem Inter-Volk" zu spielen. Addio Highbury, Poldis Popolo befindet sich jetzt in San Siro.

Das Italienisch des neuen Inter-Volkstribuns ist ganz offensichtlich hausgemacht, denn Podolski hat keine Berührungsängste und muss niemandem Perfektion beweisen. Er schwimmt einfach wie ein Fisch im Wasser, so lange es geht. Sollen Wenger und die Gunners sich doch kalte Füße holen, wenn sie vergebens nach ihm angeln. Roberto Mancini wurde im Pinienwald flugs der Poldi-Papa Waldemar vorgestellt. Mitspielen durfte Podolski senior noch nicht.

Lukas aber blieb gegen CFC von Anfang bis Ende auf dem Platz, während der zweite Inter-Zugang Xherdan Shaqiri sich vergebens aufwärmte. Ursprünglich sollte auch der Schweizer sein Debüt vor heimischem Publikum feiern, "mehr als drei, vier Minuten sind aber nicht drin", hatte Mancini angekündigt, Shaqiri sei noch nicht ausreichend trainiert.

Poldis Popolo applaudierte der Bayern-Leihgabe brav, bekam aber nicht das zu sehen, was die Sportpresse schon so begeistert versprochen hatte - einen "Wadenumfang wie einst bei Rummenigge". Die Beweisfotos waren in der Tat beeindruckend. Shaqiri musste also zuschauen, wie Palacio (12.) und Icardi (39.) trafen, wie Armando Izzo Genua wieder ins Spiel brachte (85.) und Nemaja Vidic drei Minuten später das 3:1 besiegelte.

Doch während Podolski wirbelt, kann Shaqiri warten. Für ihn hat Inter eine Kaufoption, gegen Zahlung von 15 Millionen Euro könnte der Schweizer bleiben. Bislang gehören ihm viele Vorschusslorbeeren, für die sich Shaqiri mit Artigkeiten revanchiert: "Nach der Bundesliga bedeutet ein Wechsel in die Serie A für mich keineswegs einen Abstieg." Inter ist jedenfalls auf dem aufsteigenden Ast und fand sich nach dem Mittagessen zumindest zeitweise in der ersten Tabellenhälfte wieder. "Um nach oben zu strampeln, brauchen wir erfahrene Spieler, die uns helfen", predigt Mancini. Poldi fürs Popolo.

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