Podolskis Abschied vom DFB:Fast zu kitschig, um wahr zu sein

  • Lukas Podolski feiert einen emotionalen Abschied aus dem DFB-Team - beim 1:0-Sieg gegen England schießt der 31-Jährige das entscheidende Tor.
  • Toni Kroos und Thomas Müller verraten, dass sie ihm möglichst oft den Ball auflegen wollten.
  • Hinterher glitzert es in den Augen von Podolski. Eingehüllt in die Fahne seiner Heimatstadt Köln verabschiedet er sich von den Fans.

Von Carsten Scheele, Dortmund

Es war natürlich Thomas Müller, dem der beste Kommentar an diesem zum Kopfschütteln einladenden Fußballabend gelang. Das Abschiedsspiel für Lukas Podolski war vorüber, sämtliche Ehrenrunden gedreht, als Müller seine Analyse unters Volk brachte. Wäre er selbst ein Filmregisseur, sagte der Stürmer, hätte er das Drehbuch nicht besser schreiben können. Wobei, korrigierte sich Müller: "Mir persönlich wäre es zu kitschig gewesen."

Kitschig, oh ja, das war dieser Abend wirklich. Da gab ein verdienter, überaus beliebter Nationalspieler im 130. Länderspiel seinen Abschied, die Freundschaftspartie gegen England dümpelte auf ein 0:0 hin, als der Ball 20 Minuten vor Schluss zu Podolski gelangte. Der zog aus 20 Metern ab, schickte den Ball knallerhaft in Richtung englisches Tor. Das Spielgerät rotierte, drehte leicht nach rechts, landete im Winkel. Ein Tor des Monats, mindestens. Bei seinem letzten Auftritt für die DFB-Elf. Kann man so machen.

Später ließ sich Podolski nach dem 1:0-Erfolg auf Schultern durchs Dortmunder Stadion tragen. Er, der fast immer lustig daherkommt, war nun gerührt. Es glitzerte in den Augen, als er sich zu kölschem Liedgut und eingehüllt in die Fahne seiner Heimatstadt von den Fans verabschiedete. Er hätte gerne jedem einzelnen die Hand geschüttelt, sagte er. "Wie im Film" sei ihm der Abend vorgekommen. Er wiederholte: "Wie im Film."

Es war ebenfalls Müller, der enthüllte, dass hinter all dem Kitsch ein ausgeklügelter Plan gesteckt hatte. Es sei natürlich das Ziel gewesen, Podolski zum Abschied im an und für sich wertlosen Freundschaftskick einen Treffer aufzulegen. Zusammen mit Toni Kroos habe er besprochen, Podolski den Ball möglichst oft in Strafraumnähe zu übergeben, damit ihr Teamkollege aus der Distanz draufhalten könne. Kroos lachte später, es sei ja trotzdem keineswegs ein geschenktes Tor gewesen: "Wahnsinn, dass er den so macht."

"Ich weiß ja, dass ich einen linken Fuß habe", pflichtete Podolski bei. Der "liebe Gott oder sonst wer" habe ihm diesen gegeben, sagte er in der ARD. Noch Fragen?

Besondere Spieler - besondere Abschiede

Bundestrainer Joachim Löw erzählte dann, dass er Podolski eigentlich schon früher auszuwechseln gedachte. Das Spiel lief lange an der Hauptperson vorbei, es schien, als käme Podolski mit dem Druck und seiner Rolle als Zehner zwischen all den jungen Wilden (Brandt, Sané, Werner) gar nicht zurecht. Podolski, so Löw, habe in der Halbzeitpause gebeten, ihn möglichst lange auf dem Platz zu belassen - der Spielverlauf gab ihm Recht. "Besondere Spieler haben dann eben auch einen besonderen Abschied", sagte Löw. Eine Viertelstunde nach seinem Tor war Podolski mit seiner Herausnahme dann übrigens einverstanden. Beide, Löw und Podolski, umarmten sich lange.

So hatte sich der Stürmer höchst selbst einen Abschied nach Wunsch beschert. All die Tage hatte er geduldig alle Fragen beantwortet, Pressekonferenzen gegeben, immer gelächelt, sich immer bei allen bedankt. Nun war er müde. Schon am Nachmittag hatte sich die Mannschaft mit einem selbst zusammengeschnittenen Film von Podolski verabschiedet; weitere Belobigungen verbat er sich. Er wolle keine Feier, keine weiteren warmen Worte. "Irgendwann ist auch gut", sagte Podolski.

Er wolle nun "nach Kölle" fahren mit seiner Familie, ein paar Tage bleiben. Danach gehe es zurück nach Istanbul, wo die Saison mit Galatasaray bis zum Juni andauert. Ab Juli beginnt dann das neue Abenteuer in Japan, wo er in den kommenden zwei Jahren für Vissel Kobe gegen den Ball tritt.

Sein DFB-Team, dem er 13 Jahre angehört hatte und mit dem er 2014 Weltmeister wurde, spielt dann ohne ihn in Russland den Confed-Cup, und Thomas Müller sprach diesbezüglich abermals wahre Worte. Solche, an die man sich vielleicht erst in einigen Wochen oder Monaten erinnert. Müller sagte: "Lukas wird uns bei den kommenden Turnieren sehr fehlen."

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