Podolski-Debatte in Köln:Aufgewärmtes zum Frühstück

Die Kritik, die Lukas Podolski an seinem 1. FC Köln äußerte, ist keinesfalls neu - alles wurde schon 500 Mal gesagt. Dennoch hat der Klub das Interview ausdrücklich als "Affront" gewertet und eine Strafe angekündigt. So kann der Unruhe-Klub endlich Stärke zeigen.

Philipp Selldorf, Köln

Üblicherweise ist das Sonntagsfrühstück von Claus Horstmann kein Gegenstand von öffentlichem Interesse. Diesmal aber wollten die Leute genau wissen, was am Sonntagmorgen am Tisch der Horstmanns im Bergischen Land geschehen war, und der Vorsitzende der Geschäftsführung des 1. FC Köln teilte es gern mit.

Podolski kritisiert Vereinspolitik in Koeln

Lukas Podolski kritisiert die Vereinspolitik seines Vereins und erntet dafür jetzt ebenfalls Vorwürfe.

(Foto: dapd)

Das beruhigende Ergebnis: Horstmann hat "erst mal in aller Ruhe mit der Familie lecker gegessen", bevor er sich dem Pressespiegel vom Tage zuwandte, der ihm elektronisch übermittelt worden war. Er war aber bereits darüber informiert, dass ihm Lukas Podolski auf nüchternen Magen womöglich nicht schmecken könnte.

Horstmann war der gefragte Mann am Sonntagabend in Müngersdorf, gefragter als die 14 FC-Spieler, die soeben 0:1 gegen den Hamburger SV verloren hatten. Dieses nicht besonders hochklassige Spiel, in dem der HSV den größeren Willen zum Sieg hatte, weshalb Paolo Guerrero in der 88. Minute noch das späte, schöne Tor glückte, war in der Wahrnehmung der berufsmäßigen Kölner Beobachter die reine Nebensache.

Es ging stattdessen wieder um jenen FC-Spieler, der auch sonst den Mittelpunkt des Interesses im Millionendorf am Rhein besetzt. Lukas Podolski, 25, hatte ein kontroverses Interview "zur Lage der Nation" gegeben, wie Horstmann ironisch bemerkte, und geriet damit zum Hauptdarsteller des Tages, obwohl er wegen einer Bänderverletzung nur als Zuschauer im Stadion war.

Auf der Tribüne saß er neben seinem besten Kumpel und gab kein schlechtes Gewissen zu erkennen. Ihm war jedoch bewusst, dass sein Interview in Bild am Sonntag dem Arbeitgeber nicht gefallen konnte. "Das kann ich nachvollziehen", sagte er.

Die kritischen Aussagen, die er zur Lage des FC vorbrachte, waren keineswegs originell, man hätte sie auch aus dem Archiv zusammensuchen können. Dass ihm die Klubführung 2009 bei seiner Rückkehr aus München Versprechungen über eine bessere Ausstattung der Kölner Mannschaft gemacht, aber nicht erfüllt habe, das hatte er schon öfter beklagt. Auch sein Interesse an einem Wechsel ins Ausland ("würde mich sehr reizen") hatte er schon früher kundgetan. Sein Unmut über Unruhen in der Klubführung ("hier fehlt Kontinuität") war ebenfalls bekannt.

"Alles schon 500 Mal gesagt"

Horstmann hat also die Erörterungen korrekt zusammengefasst, als er meinte: "Alles nicht neu. Alles aufgewärmt. Und schon zehnmal gehört." Aus Podolskis Lager kam der gleiche Hinweis: "Alles schon 500 Mal gesagt."

Dennoch hat der Klub das Interview ausdrücklich als "Affront" gewertet und eine Strafe angekündigt. "Selbst immer Ruhe fordern, um dann selbst Unruhe reinzubringen", das sei nicht akzeptabel, erklärte Horstmann, "die Regeln wurden nicht eingehalten, und das wird sanktioniert." Der Bruch der Regeln bestand weniger im Inhaltlichen - schließlich hatte man das Interview zugelassen und hätte ahnen können, was drinstehen würde -, sondern darin, dass das Gedruckte nicht der vom Klub autorisierten Fassung entsprach. Eine Verletzung des Arbeitsvertrages, wie Horstmann erläuterte.

Die ebenfalls durch den Manager monierte Störung des Betriebsfriedens hat zwar keine juristische Dimension, verletzt aber die Klubmoral. Lieber hätten die FC-Chefs etwas Ermutigendes von Podolski gehört, so wie vor einer Woche, als der Angreifer vor dem prekären Spiel in Kaiserslautern sagte: "Das gewinnen die Jungs auch ohne mich."

Trotz des großen Getöses halten Podolski und seine Manager den Zusammenstoß für reparabel und den Sachschaden für überschaubar. Die Kölner wird das aber nicht davon abhalten, eine erregte Debatte über Ursachen und Konsequenzen zu führen. Tatsächlich ist es wohl so, dass der Vereinsführung bei allem Ärger übers vermieste Frühstück die Gelegenheit am Ende gar nicht so unrecht kam, um sich in aller Öffentlichkeit vom Star zu emanzipieren. Der Klub wirkt jetzt ein wenig stärker als vorher, nachdem zuletzt häufig der Eindruck entstanden war, er hätte keine Kontrolle über seinen wertvollsten Profi.

Und für das eigentlich relevante Podolski-Thema muss der Vorfall keine Folgen haben, wie beide Parteien versichern. Die baldige Verlängerung des 2013 auslaufenden Vertrages bleibe "die Wunschvorstellung" des FC, erklärte Horstmann: Die Kritik des Klubs an Podolskis Klubkritik und die Fortsetzung der Beziehung, "das sind zwei Themen, die man trennen muss". Wie sich der Nationalspieler im Sommer entscheidet, ist eine Frage der Angebote. Am Ende könnte die Offerte des FC, inklusive sofort wirksamer Gehaltserhöhung, die attraktivste sein.

Dass Lukas Podolskis Beziehung zum FC unter der Disziplinierung nicht leiden muss, dafür hat am Sonntag ein enger Verbündeter im Klub gesorgt. "Ich kann Lukas verstehen. Er ist ein Weltstar, der bei einem Verein in der falschen Tabellenhälfte spielt", sagte Trainer Stale Solbakken. "Er hat Gründe, frustriert zu sein."

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