Playoffspiel Lazio gegen Bayer:Uuuh ist nicht Buuh

SS Lazio v Bayer Leverkusen - UEFA Champions League: Qualifying Round Play Off First Leg

Ein seltsames Spiel: Lazio-Stürmer Miroslav Klose (links) und Jonathan Tah in Rom

(Foto: Getty Images)
  • Rassismus auf der Tribüne - oder doch nicht? Im Champions-League-Hinspiel von Leverkusen bei Lazio Rom geschehen merkwürdige Dinge.
  • Auch Bayers Selbstbewusstsein nach der 0:1-Niederlage erstaunt.
  • Zu den Ergebnissen der Playoff-Runde geht es hier.

Von Birgit Schönau, Rom

Null zu eins in Rom verloren, warum eigentlich? "Wir haben uns klare Torchancen herausgespielt", sagte Leverkusens Trainer Roger Schmidt, "das Gegentor aber entstand aus einer Situation, die gar keine Chance bot. In einer Phase, als wir die dominierende Mannschaft waren." So ähnlich sah das auch Stürmer Stefan Kießling: "Wir haben ein sehr gutes Spiel abgeliefert. Nur das Ergebnis passt nicht." Alles richtig gemacht, also - bis auf dieses "Scheißtor" (Zitat Kießling) des Lazio-Spielers Keita, der es gewagt hatte, Kyriakos Papadopoulos im Mittelfeld den Ball zu klauen und einfach davon zu sprinten, vorbei am verdatterten jungen Bayer-Verteidiger Jonathan Tah. Der blitzschnelle Keita hatte danach genügend Zeit und Nerven für einen präzisen Flachschuss. Unhaltbar für Torwart Bernd Leno.

1:0 für Lazio also in der 78. Minute. Danach hätten die Rheinländer durchaus Zeit gehabt, den Römern ein Remis abzutrotzen und endlich ihr wahres Gesicht zu zeigen - das einer selbstbewussten, ja überlegenen Mannschaft. Aber verschoben ist nicht aufgehoben, tröstete Schmidt. Zu Hause in Leverkusen werde man am nächsten Mittwoch "die Schlacht" schon noch für sich entscheiden: "Und wenn die ein Tor schießen, schießen wir eben drei. Das traue ich uns zu." Ja, warum eigentlich?

Kießling erzielt ein Abseitstor - Klose verletzt sich und fällt wohl auch für das Rückspiel aus

Ganz einfach deshalb, weil in diesem Playoff-Duell um einen Platz in der Champions League Lazio der Außenseiter ist. Um nicht zu sagen: der Underdog, da hilft es auch nichts, dass die Römer über dem Stadio Olimpico einen echten Adler fliegen lassen - ein Weibchen mit dem sinnfälligen Namen Olympia.

Das Underdog-Image bescherte den Gastgebern auch eine brenzlige Situation, als in der 15. Minute der Stadionsprecher verkündete, Schiedsrichter Jonas Eriksson aus Schweden habe wegen "rassistischen Verhaltens" des Lazio-Anhangs mit Spielabbruch gedroht. Es ging da angeblich um "Affenlaute" aus der Kurve gegen Leverkusens schwarzen Außenverteidiger Wendell. Doch Eriksson dementierte, den Spielabbruch in Erwägung gezogen zu haben. Deswegen wird die Europäische Fußball-Union (Uefa), die nach dem Match Erklärungen forderte, wohl auch nicht gegen Lazio ermitteln.

Angeblich, hieß es, hatte der Stadionsprecher auf Weisung der Polizei gehandelt, die jegliche Krawalle im Keim ersticken wollte. Die etwa 38 000 römischen Tifosi waren auf dem Weg ins Olympiastadion kontrolliert worden wie selten zuvor. Vor den Eingängen bildeten sich Schlangen, es gab Leibesvisitationen, sogar die Schuhe mussten ausgezogen werden. Spruchbänder und Feuerwerkskörper wurden konfisziert, zwei Männer mit Messern festgenommen. Lazio ist europaweit berüchtigt wegen seiner rechtsradikalen Hooligans, die für manchen Eklat gesorgt haben und für die der Klub mit Geldstrafen und Stadionsperren belegt wurde. Doch seit einiger Zeit bemühen sich Klubführung und Ordnungskräfte, die Krawallbrüder nicht mehr ins Stadion zu lassen.

Es habe "keine Affenlaute" gegeben, erklärte dann auch Lazios albanischer Teammanager, der frühere Bundesliga-Profi Igli Tare, im deutschen Fernsehen. Tare war ob der Vorwürfe wütend, im Zorn entfuhr ihm ein etwas ungeschickter Deutungsversuch: "Die Kurve hat keine Buuhs gegrölt. Buuh wäre rassistisch, aber sie haben nur Uuuh gerufen, um dem Gegner Angst zu machen." Ob der Buchstabe B da wirklich den Unterschied macht?

Echte Pfiffe gibt es gegen Rudi Völler

Vielleicht sollte man auf den weltweisen Lazio-Stürmer Miroslav Klose hören, der achselzuckend zu bedenken gab, dass die Angelegenheit doch wohl eher harmlos gewesen sei - "wenn man sieht, was früher alles passiert ist". Mit jedem kleinen Buuh jedenfalls können die Hooligans die von ihnen so ungeliebte Klubführung erpressen und die Polizei in Angst und Schrecken versetzen. Das ist die Kehrseite der politischen Korrektheit. Echte und unüberhörbare Pfiffe gab es übrigens gegen Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler, das ehemalige Spieler-Idol des Erzrivalen AS Rom.

Lazios neuer Held und Leverkusens Schrecken ist ein Schwarzer, der die berüchtigte Nordtribüne in Verzückung versetzte: Keita Baldé Diao, Senegalese mit spanischem Pass, ist erst 20 Jahre alt, spielt aber bereits seit fünf Jahren für den römischen Klub, nachdem er vom FC Barcelona entdeckt worden war. Keita kam nach der Pause für Klose, der wegen Schmerzen im linken Oberschenkel aufgeben musste und für das Rückspiel wahrscheinlich ausfällt. Einen Pfostenschuss hatte Klose zuvor gezeigt, wenig mehr. Keita vermochte es, der verbissen kämpfenden Truppe von Trainer Stefano Pioli Temperament und Tempo einzuhauchen.

Denn Kampf hatte die durchaus spannende, zeitweise wilde, aber zu keinem Zeitpunkt hochklassige Partie geprägt. Von Anfang an wurden die Muskeln gezeigt, doch die aufregendsten Aktionen der ersten Halbzeit blieben Lars Benders Pfostenschuss aus 25 Metern und ein kühner Versuch von Calhanoglu, das leere Lazio-Tor aus 60 Metern Entfernung zu treffen. Schiedsrichter Eriksson zeigte sich großzügig angesichts der zahlreichen rabiaten Duelle zwischen Leverkusenern und Römern, er "begnadigte" sowohl die platzverweisgefährdeten Wendell und Papadopoulos als auch Lazios Mauricio - Letzteren für einen wirklich gefährlichen Tritt gegen Karim Bellarabi, den Roger Schmidt "nicht Rot, sondern Knallrot" fand. Ein mit der Wade erzieltes Abseitstor von Kießling wurde korrekt erkannt. "Da muss der Linienrichter aber besonders gute Augen gehabt haben", maulte Kießling. Hatte er.

"Im Rückspiel müssen wir noch eine Schippe drauflegen", erkannte Bayer-Kapitän Bender. Das gilt insbesondere für die Abwehr, Papadopoulos und Tah traten in Rom zu lässig auf. Und wenig hilft es, Lazios Konterfußball als taktisch minderwertig zu belächeln, wenn man diese wahrlich nicht raffinierten Römer nicht aufzuhalten weiß. Leverkusen geht als Favorit ins Rückspiel. Aber Roger Schmidt sollte wissen: Underdogs können verdammt bissig sein.

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