Playoff-Finale:Aus der Weltraum­station

Das Duell zwischen Mannheim und München lässt besondere Spannung erwarten. Die Klubs dürften das deutsche Eishockey in nächster Zeit dominieren.

Von Christian Bernhard, Max Ferstl und Johannes Schnitzler

Spieler Muenchen und Mannheim kommen zum aufwaermen in die Halle vor dem Spiel Adler Mannheim gegen; Eishockey

Gegner, die mehr verbindet als unterscheidet: Die Adler Mannheim und der EHC Red Bull München stehen im Finale der Deutschen Eishockey Liga.

(Foto: Michael Bermel/imago)

Die eine Serie war eine klare Sache: Mit 4:0 Siegen wischten die Adler Mannheim die Kölner Haie im Halbfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL) aus dem Titelrennen. Die andere war die engste und längste Playoff-Serie in der Geschichte der DEL: Nach sieben Spielen über insgesamt 504:46 Minuten setzte sich Titelverteidiger EHC Red Bull München mit 4:3 Siegen gegen die Augsburger Panther durch. Von Donnerstag an stehen sich nun Mannheim (sechs DEL-Titel), Tabellenerster nach der Hauptrunde, und der Tabellenzweite München (drei) gegenüber. Es ist das erwartete Finale - und wohl der Auftakt zu einer badisch-bayerischen Ära in der DEL. Beide Teams werden mit geschätzt rund 13,5 Millionen Euro alimentiert - Mannheim vom Softwareriesen SAP des Milliardärs Dietmar Hopp (dessen Sohn Daniel bei den Adlern die Geschäfte führt), München vom Getränkekonzern des Milliardärs Dietrich Mateschitz. Mannheim tritt in Blau, Weiß und Rot an, München in Blau, Weiß und Rot. Mannheim in der SAP Arena, München von 2021 an im (von Red Bull finanzierten) SAP Garden. Zwei Global Player, die vieles vereint - und doch einiges unterscheidet.

Das Produkt

Die Konstrukteure in Mannheim und München haben ein ähnliches Produkt entwickelt: solide, robust, stabil und auch in schwierigem Gelände von allerhöchster Laufruhe. Dafür wurden nur beste Materialien verbaut, die sich nicht jeder in dieser Breite leisten kann. Spieler, die hier in der vierten und nominell schwächsten Reihe aufgestellt werden, würden in den meisten anderen Klubs die Paradeformation schmücken wie der chromblinkende Kühlergrill einen alten amerikanischen Straßenkreuzer. Der Matchplan ist auf Zuverlässigkeit gebaut: konstant zunehmender Druck, bis der Gegner zusammenbricht. München war in den vergangenen Jahren Marktführer in diesem Segment. Drei Mal nacheinander gewann der EHC die Meisterschaft. Das Modell 2019 ist allerdings nicht so auf Hochglanz poliert wie die drei Vorgängergenerationen. Ungewohnte Fehlermeldungen häufen sich, speziell bei der Chancenverwertung. Die Hinterachse ist dagegen so belastbar wie eh und je. Hauptverantwortlich dafür ist Nationaltorhüter Danny aus den Birken, der nur 1,66 Gegentore pro Spiel kassiert - kein Torhüter ist besser. Als Frontantrieb verrichtet derzeit Spielmacher Mark Voakes, der laut Teamkollege Frank Mauer "Augen im Hinterkopf" hat, die Hauptarbeit. Mauer hat lange Zeit für die Adler Mannheim gearbeitet, ehe er im Sommer 2015 zum Konkurrenten nach München wechselte. Zum Abschied gewann er im Frühling 2015 mit den Adlern den Titel - es war die bisher letzte Meisterschaft für Mannheim. Die Adler sind wiederum die angesagteste Mannschaft des Jahres 2019. Kein Team hat die Konkurrenz jemals so dominiert: 116 Punkte (DEL-Rekord), die meisten Tore geschossen, die wenigsten bekommen. Der Kader hat praktisch keine Schwächen, was es erschwert, einzelne Mitarbeiter hervorzuheben. Zu den Besten in den Playoffs gehörte Torhüter Dennis Endras, der mit 1,76 Gegentoren pro Spiel nur marginal schlechter abschnitt als aus den Birken. Das vielleicht erstaunlichste Merkmal: In einem Kader, der vor Offensivkraft nur so strotzt, ist ein Verteidiger der beste Punktesammler ist: Mark Katic hat bisher zwölf Scorerpunkte beigetragen, einen mehr als der beste Stürmer Luke Adam, der seit Jahren auf hohem Niveau agiert und geschafft hat, worauf viele Spieler hoffen: Adam hat sein Spiel in den Playoffs noch mal auf ein neues Level geschraubt.

Leitende Angestellte

Playoff-Finale: Adler-Trainer Pavel Gross.

Adler-Trainer Pavel Gross.

(Foto: Timm Schamberger)

Münchens Don Jackson ist gewissermaßen der Warren Buffett der DEL-Trainer. Einer, zu dem alle ehrfürchtig aufschauen, weil sie insgeheim gerne so wären wie er. Erarbeitet hat sich Jackson diesen Status mit dem Gewinn von acht deutschen Meisterschaften - kein Trainer in der DEL war auch nur annähernd so erfolgreich. Und normalerweise besitzt kein Trainer eine Coolness, die Jackson die meiste Zeit ausstrahlt. Im Halbfinale gegen die Augsburger Panther brachte ihn das hippe schwäbische Start-up bisweilen aber ganz erheblich aus der Fassung. Ungewohnt emotional trat Jackson auf, attackierte sogar die Schiedsrichter und musste dafür eine Geldstrafe zahlen. Einen nicht unerheblichen Teil seines Ruhms hat Jackson gegen Pavel Gross erworben, den Trainer der Adler Mannheim. Drei Mal trafen die beiden in Finalserien aufeinander, drei Mal gewann Jackson, der mit allen Tricks vertraute Routinier, gegen Gross, den verbissenen Taktiktüftler, der sich zwar um jedes noch so winzige Detail im Getriebe kümmert, dem aber mit Wolfsburg die nötige Serienausstattung fehlte, um gegen die Spitzenmodelle aus Berlin (2011) und München (2016/2017) eine echte Chance zu haben. Doch diesmal ist anders: Es ist das erste Duell der beiden, in das beide Trainer mit der selben finanziellen Polsterung gehen. Gross kehrte vor der Saison zu den Adlern zurück, die er als Kapitän zwischen 1997 und 1999 zu drei Titeln in Serie steuerte. In Mannheim erfüllt er den Ruf, der ihm vorauseilte: dass er jeden Spieler besser macht und sich nicht scheut, Talente in verantwortungsvolle Positionen zu befördern. Die Mitarbeiter folgen seiner Idee vom aggressiven Spiel und sprechen in höchsten Tönen vom neuen Produktionsleiter: "Wir vertrauen ihm blind", sagt Kapitän Marcus Kink. Selbst dann, wenn dieser verdiente Akteure - wie zuletzt Kink - nicht berücksichtigt.

Die Entwicklungsabteilungen

Hans Zach, der André Kostolany unter den emeritierten DEL-Trainern, sagte vor kurzem dem Magazin Eishockey News, das deutsche Eishockey sei trotz der Olympia-Silbermedaille von 2018 "noch nicht weiter als vor 30 Jahren". In den Nachwuchsakademien der zwei Finalteams wird das anders gesehen. Die Mannheimer "Jungadler"-Akademie, vor 20 Jahren gegründet und seitdem fast immer Meister in den wichtigsten Nachwuchsligen, ist die Talentschmiede, an der sich die Konkurrenz orientiert. Aus ihr stammt zum Beispiel Moritz Seider, 18, der sich unter Gross zur Stammkraft entwickelt hat und sich berechtige Hoffnungen machen darf, beim NHL-Draft im Juni in der ersten Runde gewählt zu werden. Münchens Akademie erhielt vom Deutschen Eishockey-Bund zwar keine fünf Sterne, aber nur, weil sie sich nicht auf deutschem, sondern auf österreichischem Boden befindet. In Liefering bei Salzburg, nahe am Firmensitz, wollte der ehemalige EHC-Trainer Pierre Pagé den nächsten "Eishockey-Messi" ausbilden. Das gelang noch nicht. Doch die knapp 100 000 Quadratmeter große Anlage, auf der auch junge Fußballer ausgebildet werden, genügt höchsten Ansprüchen. Unterirdische Eisflächen, modernste Technik, wohin das Auge reicht, Schlafbeobachtung - Mitarbeiter fühlen sich manchmal wie in einer "kleinen Weltraumstation". Maximilian Daubner, Jakob Mayenschein, Tobias Eder oder Emil Quaas haben diese Saison den Durchbruch in München geschafft, in den Playoffs kamen die Azubis aber nur selten zum Einsatz. Die Hauptlast liegt weiterhin auf gestandenen Nationalspielern wie Yannic Seidenberg, aus den Birken oder Mauer - die ihre Lehre in Mannheim absolviert haben. Ihr damaliger Direktor Helmut de Raaf leitet heute die Salzburger Akademie.

Kundenurteil

Mannheim ist das iPhone der DEL, das derzeit angesagteste It-Piece der Szene. In der Nacht zu Sonntag schlugen Adler-Anhänger ihre Zelte vor der Geschäftsstelle auf, um Karten für die ersten Auswärtsspiele der Finalserie zu bekommen. Fast 13 000 Zuschauer kamen im Schnitt zu den Heimspielen der Adler. Mannheim gilt als Eishockeystadt, München - eher nicht. Die Münchner Belegschaft hatte auch im Halbfinale keinen leichten Stand. Aus dem verlässlich prall gefüllten Augsburger Gästeblock mussten sie sich Gesänge wie "Münchens wahre Liebe: AEV" und "Heimspiel in München" anhören. Als die Augsburger nach Spiel sieben trotz der 0:2-Niederlage ihr Team noch lange feierten, war die Münchner Kurve bereits leer. Einige EHC-Anhänger standen tatsächlich schon vor den Tickethäuschen für Finalkarten an. Die Schlange war aber kurz.

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