Pfiffe gegen Mario Gomez:Stürmer ohne Kredit

Germany v Argentina - International Friendly

Ohne Glück in Düsseldorf: Mario Gomez

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Drei vergebene Großchancen - und das Stadion pfeift: Nach langer Verletzungspause wird Mario Gomez vom Länderspiel-Publikum nach Kräften verhöhnt. Der Bundestrainer ist empört, Gomez nimmt es gelassen.

Von Lisa Sonnabend, Düsseldorf

Der Scheitel von Mario Gomez saß makellos, als käme er nicht aus einer Umkleidekabine, sondern vom Friseur. Er stellte sich aufrecht hin, lächelte entspannt, die Augen glänzten. "Ich habe mich sehr gefreut, wieder dabei zu sein", sagte der DFB-Stürmer. Er wirkte zufrieden - dabei war er nur wenige Minuten zuvor heftig ausgepfiffen worden.

Am Mittwochabend bei der 2:4-Testspielniederlage gegen Argentinien lief vieles nicht beim DFB-Team, doch das Publikum gab die Schuld vor allem: Mario Gomez. In der siebten Minute tauchte der Stürmer das erste Mal vor dem Tor der Argentinier auf, er zögerte, schaute nicht hoch, bevor er schoss. Sergio Romero konnte den Ball mit der Faust abwehren, Gomez stampfte wütend auf den Rasen.

In der 28. Minute bediente ihn dann Marco Reus herrlich, doch Gomez traf aus spitzem Winkel wieder nur Romero. Der Stürmer zog eine Grimasse, Thomas Müller schlug auf der Ersatzbank fassungslos die Hände über dem Kopf zusammen. In der 45. Minute landete dann ein Abpraller direkt vor den Füßen von Gomez - doch auch diesmal bekam er den Ball nicht ins Tor.

Das Publikum pfiff ungeduldig. Als der 29-Jährige schließlich in der 57. Minute vom Platz ging, waren die Unmutsbekundungen noch ein paar Dezibel lauter. Kaum ein Spieler hat weniger Kredit beim deutschen Fußballpublikum als Gomez, das wurde abermals deutlich.

Drei gute Chancen hatte Gomez vergeben, in einem WM-Finale sollte ihm so etwas nicht passieren. Aber dass ein Spieler bei einem Freundschaftsspiel derart verhöhnt wird, ist lange nicht passiert. Bundestrainer Joachim Löw fand nach dem Spiel entsprechend deutliche Worte: "Das geht einfach nicht, dass ein Spieler der deutschen Nationalmannschaft ausgepfiffen wird, nur weil er die eine oder andere Chance liegengelassen hat", empörte er sich. Auch Lukas Podolski schimpfte: "Das kann nicht sein."

Dabei wären Gomez aktuell mildernde Umstände zuzugestehen. Gegen Argentinien absolvierte er sein erstes Länderspiel nach 385 Tagen. Nachdem der 29-Jährige im vergangenen Sommer vom FC Bayern nach Florenz gewechselt war, lief es nicht gut für ihn. Zweimal verletzte sich Gomez am Knie, für die WM wurde er nicht rechtzeitig fit, erst am vergangenen Samstag gab er sein Pflichtspiel-Comeback für den AC Florenz. "Ich weiß es als Trainer richtig gut einzuschätzen, dass er nicht in Topform sein kann", nahm ihn Löw in Schutz: "Es wäre ja verrückt, wenn es nicht so wäre."

Gomez spaltet das Fußballpublikum

Manche Teamkollegen sahen das nach der Partie anders. "In der ersten Halbzeit hätten wir ein, zwei Tore machen müssen", sagte Ex-Teamkollege Müller. Es war nicht schwer zu erraten, an wen er seine Worte adressierte. Auch Torhüter Manuel Neuer kritisierte: "Wir haben unsere Chancen nicht gemacht." Gomez dagegen sah keinen Grund, allzu selbstkritisch zu sein. "Ich hätte es bisschen besser machen können", räumte er ein, "doch der Torwart hat grandios gehalten." Er schob noch hinterher: "Ich werde jetzt versuchen, in den zwei nächsten Jahren möglichst viel zu spielen."

Die Beziehung zwischen Mario Gomez und der Nationalmannschaft war schon immer eine schwierige, nun ist ein weiteres Kapitel hinzugekommen. Gomez spaltet das Fußballpublikum. Er spiele einen altmodischen Fußball, der nicht mehr in die Zeit passe, sagen die einen. Sie machen sich lustig, wie behäbig und langsam der 1,89-Meter-Mann auf dem Platz wirke. TV-Kritiker Mehmet Scholl trug mit seinem "Wundliegen"-Kommentar einiges dazu bei, dass sich dieses Bild verfestigt hat.

Doch häufig stand Gomez im entscheidenden Moment genau richtig. Und traf. In der Vorrunde der EM 2012 traf er dreimal und hatte großen Anteil daran, dass Deutschland ohne größere Probleme in die K.-o-Phase einzog. Auch in seiner Zeit beim FC Bayern gelangen ihm wichtige Tore, insbesondere in der Champions League, beim legendären 4:0 im Halbfinale 2012/13 gegen den FC Barcelona etwa. Die Kritiker verstummten allerdings nie.

Der Bundestrainer setzte dennoch auf den ehemaligen VfB-Spieler. Die Entscheidung, ihn wegen seiner mangelnden Fitness nicht mit zur WM zu nehmen, begründete Löw ausführlich und nachvollziehbar. Einen Tag vor dem Testspiel lobte Löw demonstrativ: "Gomez ist einer der besten Stürmer der Welt." Dass der Bundestrainer Gomez nun gleich im ersten Spiel nach Brasilien von Beginn an auf den Platz schickte, darf auch als Zeichen seiner Wertschätzung gedeutet werden.

Nach seinem unglücklichen Auftritt gab Gomez so ausführlich Interviews wie kein anderer Teamkollege. "Manchmal gehen sie rein, manchmal eben nicht", erklärte er, "das habe ich schon oft erlebt." Gomez grinste, er kann mit der Kritik um seine Person umgehen. Und er weiß, dass sie nie ganz verstummen wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: