Süddeutsche Zeitung

Pferdesport:Heimkehr im Sulky

Beim Renntag in Daglfing am Sonntag dürfen erstmals seit vergangenem Herbst auch wieder Amateurfahrer starten. Einer von ihnen ist Peter Platzer, der zu der Trabrennbahn seit Jahren eine besondere Beziehung hat.

Von Celine Chorus, München

Wenn Peter Platzer am Sonntag hinter seinem Pferd Zucchero in einem aus wenigen Stangen gebauten Fuhrwerk sitzt, muss es sich für einen der besten Amateurfahrer Bayerns auch ein bisschen wie eine Reise in die Vergangenheit anfühlen. In Daglfing hat der 55-Jährige aus Zorneding die meisten seiner Erfolge eingefahren, aber nicht nur deswegen verbindet er mit der Trabrennbahn viele Erinnerungen: Als Kind sei er wegen seines Onkels, eines bekannten Trabertrainers, ständig nach Daglfing gekommen, ehe er als junger Erwachsener den Kontakt zum Trabrennen verlor, erzählt er. Dass Platzer vor mehr als 20 Jahren seine Liebe zu diesem Sport wiedergefunden hat, das war dann in erster Linie seiner Ehefrau Pia zu verdanken, die sich damals für die sportliche Vergangenheit ihres Mannes interessierte. Gemeinsam besuchten sie also jene Stallungen, in denen Platzer so viele Stunden seiner Kindheit verbracht hatte: "Dann ist es schnell passiert, dass ich erneut mit dem Fieber infiziert war und mit dem Trabrennen angefangen habe."

Um künftig im Sulky Platz nehmen zu dürfen, kaufte sich Platzer ein eigenes Pferd und machte die Amateurfahrerlizenz. Schnell kam er auf die erforderlichen 25 Siege, mit denen er auch in offenen Rennen, also bei den Profis, starten darf. "Es ist ein Anreiz für sehr viele Besitzer, weil sie die Möglichkeit haben, selber auch Rennen mit ihren Pferden zu bestreiten", erklärt der Rennsekretär des Münchner Trabrenn- und Zuchtvereins (MTZV), Sascha Multerer. Unter normalen Umständen kommt Platzer auf bis zu 50 Rennen in einer Saison. Dass es sich dabei eher um Profi- als um Amateurrennen handelt, liegt auch in der finanziellen Situation im Trabrennen begründet. Denn nur die Pferdebesitzer, nicht die Amateurfahrer, erhalten Geld für ihre Teilnahme: "Im Endeffekt können wir unseren Sport nur über die Rennpreise, die unsere eigenen Pferde über das Jahr gewinnen, finanzieren", erklärt Platzer.

Amateurfahrer wie Platzer freuen sich, auf ihrer heimischen Rennbahn starten zu dürfen

Nach Absprache mit seinem Trainer, dem Erfolgsfahrer Rudi Haller, wird sein Pferd Zucchero an diesem Sonntag aber trotzdem im Amateurfahren starten. Denn: Für die anderen Rennen, in die das sechsjährige Rennpferd hineingepasst hätte, sei er noch zu unsicher. Erstmals in dieser Saison werden bei einem Renntag in Daglfing auch Amateure wieder starten dürfen, die speziell während der Lockdowns, als nur Berufssportler ihren Tätigkeiten nachgehen durften, zur Untätigkeit gezwungen waren. Diesbezüglich herrschten zuletzt unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern, was die gesamte Planung für die Amateurfahrer nicht unbedingt einfacher gemacht habe: "Deshalb freuen wir uns sehr darauf, wieder auf unserer eigenen Bahn fahren zu dürfen", betont Platzer. Sie werden unter anderem auf die von Marie Lindinger gefahrene Ocean Blue treffen, mit der sie sich bereits vor zwei Wochen in Straubing einen spannenden Kampf lieferten.

Im Zentrum des stark besetzten Renntags (Beginn 15.42 Uhr) steht der Auftakt zur mit 10 000 Euro dotierten Dreijährigen-Offensive, betont MTZV-Rennsekretär Sascha Multerer. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Schritt in Richtung des Deutschen Traber-Derbys, das im September in Berlin ausgetragen wird. In drei Rennen erhalten bayerische Pferde in Daglfing "die Möglichkeit, in guter Konkurrenz ihre Qualitäten zu schärfen" und sich auf die für Mitte August geplanten Vorläufe vorzubereiten. Ein zusätzliches viertes Rennen wird nach Angaben des MTZV erst nach dem Deutschen Traber-Derby stattfinden und sei für Pferde gedacht, die nicht in Berlin am Start waren oder dort die Erwartungen nicht erfüllen konnten. Für diesen Sonntag musste sich der MTZV allerdings von der Idee verabschieden, vor Publikum zu veranstalten - zum Renntag am 6. Juni werde man jedoch versuchen, wieder Zuschauer auf die Rennbahn zu lassen: "Wenn wir sowas machen, möchten wir auch umsetzen, dass es vernünftig funktioniert", verspricht Multerer.

Auch Peter Platzer würde sich für die kommenden Monate wünschen, dass die Politik nicht alle Sportarten über einen Kamm schere, damit sich Pferderennen wieder vor Zuschauern austragen lassen. Es mache einfach mehr Spaß, wenn Leute auf der Rennbahn sind, als wenn er alleine seine Runden fahre. Selbst ohne Publikum wird Platzer jedoch mit großer Vorfreude nach Daglfing kommen: "Auch wenn ich gerne woanders hinfahre, ist es für mich die wichtigste Rennbahn", sagt er. Bereits im August war es ihm an selbiger Stelle gelungen, den angepeilten 100. Sieg seiner Karriere einzufahren. Eine Statistik, auf die er durchaus mit Stolz blicke. Denn als er mit dem Trabrennen angefangen habe, betont Platzer, sei der Sport längst nicht mehr auf dem Höhepunkt gewesen: "Deshalb ist es inzwischen nicht mehr so leicht, derart viele Siege einzufahren, weil man nicht mehr so viele Möglichkeiten hat wie früher."

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