Pferdesport:Es gibt nur eine Alice

CHIO Aachen

Konzentration bis in die Ohrenspitzen: Weltmeisterin Simone Blum mit ihrer Stute Alice.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Simone Blum und ihr geniales Pferd Alice führen ein Team an, das den Rivalen bei den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio gefährlich werden kann. Beim Nationenpreis in Aachen deuten sie ihre Stärke bereits an.

Von Gabriele Pochhammer, Aachen

Auch vermeintlich abgebrühte Profis können sich freuen wie die Kinder. Als Christian Ahlmann in der Nacht zum Freitag sagte: "Es hat Spaß gemacht", da war kein Platz für abgewogene Statements und sorgsames Taktieren. Der 44-Jährige strahlte einfach, weil er wieder dabei war im Nationenpreis in der Aachener Soers, an diesem Abend ein brodelnder Kessel mit 40 000 Zuschauern, die ihn bejubelten, als sei er nie weggewesen aus der deutschen Mannschaft. Das sind Momente, in denen sich auch ein zweiter Platz wie ein Sieg anfühlt. Nur um einen Zeitfehler geschlagen, mussten die Deutschen (fünf Punkte) den Schweden (vier) den Vortritt lassen, die zum ersten Mal nach 90 Jahren wieder in Aachen triumphierten.

Dieser zweite Platz geriet zum emotionalen Sieg. Die beiden verlorenen Söhne Ahlmann und Daniel Deußer, die erst wenige Wochen vor dem Turnier die Athletenvereinbarung unterschrieben hatten, die Voraussetzung ist für einen Start im deutschen Team, konnten auf Anhieb zeigen, was sie wert sind. Deußer unterlief auf Calisto Blue lediglich im ersten Umlauf ein allerdings entscheidender Zeitfehler, ohne ihn hätten sich die Deutschen die Siegchance in einem Stechen gegen Schwedenbewahrt. Aber alle Stangen blieben liegen. Christian Ahlmann auf Clintrexo und Marcus Ehning auf Funky Fred nahmen im ersten Umlauf die oberste Stange am letzten Hindernis mit, beide in dem Bemühen, gerade jenen Zeitfehler zu vermeiden.

In beiden Umläufen fehlerfrei und damit Teambeste war Weltmeisterin Simone Blum auf Alice. Im vergangenen Jahr noch Neuling im Aachener Siegteam, ist sie inzwischen eine feste Größe, auf die Bundestrainer Otto Becker bauen kann, auch und gerade weil sie ihr Pferd sehr bedacht einsetzt, nicht auf die hochdotierten Turniere der Global Champions Tour geht, sondern sich auf die klassischen Championate konzentriert, im Fokus die Olympischen Spiele in Tokio 2020. Simone Blum hat nur dieses eine geniale Pferd, und sie ahnt vielleicht, dass es eine zweite Alice in ihrem Leben nicht geben wird. Aber für ein Team braucht es vier, auch wenn in Tokio erstmals seit 1968 nur drei Reiter in einer Mannschaft starten dürfen, der Ersatzreiter kann bei Bedarf eingewechselt werden. "Ich bin so froh, dass Daniel und Christian wieder dabei sind", sagte Marcus Ehning, der mit seiner Routine in den letzten Jahren das Team gestützt hat: "Kein Land der Welt kann auf solche Reiter verzichten." Und schon gar nicht Bundestrainer Becker. Jene beiden Jungstars, mit denen er 2018 in Aachen gewinnen und bei der Weltmeisterschaft in Tryon/USA Teambronze holen konnte, Laura Klaphake und Maurice Tebbel, hatten in Aachen beide keine Pferde, mit denen sie im Nationenpreis hätten bestehen können. Tebbels Pferde Chacco's Son und Don Diarado sind verletzt, die Stute Catch Me If You Can von Laura Klaphake wurde im Herbst verkauft. Da hätte Becker tief auf die hinteren Ranglistenplätze zurückgreifen müssen. So aber waren Ahlmann und Deußer hochwillkommen, Becker konnte in Aachen ein Team präsentieren, das auch 2020 in Tokio der Konkurrenz gefährlich wird.

Alle vier Reiter werden am Sonntag im Großen Preis von Aachen versuchen, die Glanzvorstellung zu wiederholen. Der Sieger erhält 330 000 Euro und hat die Gelegenheit, bei den weiteren Grand-Slam-Stationen in Calgary, Genf und 's-Hertogenbosch auf bis zu zwei Millionen Euro aufzustocken. Durch ihre Nationenpreisrunden wären alle vier qualifiziert, aber Ehning und Blum hatten ihre Starterlaubnis schon bei Turnierbeginn in der Tasche, Ehning als Vorjahressieger und Blum als Weltmeisterin. Ehning würde bei einem zweiten Sieg noch einmal 250 000 Euro Sonderprämie kassieren. Blum ist als Weltmeisterin vier Jahre lang in allen internationalen Große Preisen automatisch startberechtigt und kann sich kräftezehrende Qualifikationen sparen. Anders als sie haben ihre Teamkollegen zwei und mehr Spitzenpferde. Die braucht man auch, wenn man bei den zwanzig um den Erdball verstreuten Turnieren der Global Champions Tour mitspielen will, ohne die Vierbeiner zu überfordern. Doch wie viele Rösser auch im Stall stehen, im richtigen Moment auf dem richtigen Pferd zu sitzen, ist schließlich die Kunst, die den Champion macht.

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