Pferdesport:Endlich Licht

Springreiten - Europameisterschaft

Bester Deutscher einer überzeugenden Equipe in Riesenbeck: Springreiter David Will in der ersten EM-Wertungsprüfung auf CVier.

(Foto: Friso Gentsch/dpa)

Nach Monaten voller Enttäuschungen gelingt der deutschen Springreiter-Equipe bei der Heim-EM ein vielversprechender Auftakt. Dabei hatte es am Abend davor noch einen weiteren Rückschlag gegeben.

Von Gabriele Pochhammer, Riesenbeck

Das Licht am Ende des Tunnels, das die deutschen Hoffnungen bei der Springreiter-Europameisterschaft in Riesenbeck (Westfalen) nährte, hat einen Namen: David Will. Der 33-Jährige, dessen Gesicht bei Championaten bisher noch nie aufgetaucht war, legte mit einer sensationellen Runde in der ersten Wertung, dem Zeitspringen, den Grundstein für eine mögliche Mannschaftsmedaille, auf die nicht nur Bundestrainer Otto Becker nach dem Debakel von Tokio so sehnlichst hofft. Will blieb ohne Abwurf in der schnellsten Zeit von 71,66 Sekunden.

Der 13-jährige Holsteiner CVier, sensibel aber kontrollierbar, übersprang alle Stangen hoch und deutlich, sah dabei nie so aus, als ob ihm Druck gemacht würde. Als vorletzter Reiter hatte Will die Ritte von 63 Konkurrenten vorher treffend analysiert: "Der Kurs war sehr gut planbar, ich konnte mir viele andere Reiter angucken und habe dann meinen Plan exakt durchgeführt." Das klingt nicht nach Zufallserfolg. Gerade bei einem Zeitspringen, in dem die Hindernisfehler als Strafsekunden der Reitzeit zugerechnet werden, ergeben sich mehrere Möglichkeiten, durch geschickte Wahl der Route Zeit zu sparen. Will beginnt nun als Führender die nächste Runde mit der Idealnote Null. Fehler werden jetzt nur noch addiert, und wenn Will keinen mehr macht, ist er Europameister. Das klingt einfacher, als es ist, er ist jetzt der Gejagte, aber bis zum Titel stehen natürlich noch einige Hindernisse im Weg. Der Mannschaftstitel wird nach zwei weiteren Runden am Freitag entschieden, der Einzeltitel am Sonntag, ebenfalls nach zwei Parcours.

Auch das deutsche Team liegt unerwartet gut im Rennen: auf Platz zwei

Dank seiner Glanzleistung auf CVier brachte Will auch das deutsche Team auf Zwischenrang zwei, nur zwei Punkte hinter den Olympiasiegern aus Schweden. Vom Tokio-Goldteam ist nur Peder Fredricson auf einem andere Pferd, dem Schimmel Catch Me Not, dabei; auch Douglas Lindelöw auf Casquo Blue und Tokio-Reservist Rolf Göran Bengtsson auf Ermindo, blieben ohne Abwurf und damit Favoriten auf den Team-Titel. Das schwedische Streichergebnis, das es bei der Europameisterschaft gibt - anders als bei Olympischen Spielen -, lieferte Angelica Augstsson-Zanotelli auf Kalinka.

Riesenbeck soll die Revanche für Tokio werden, die Wiedergutmachung für den medaillenlosen Auftritt der deutschen Springreiter. Man wolle bei den Medaillen ein Wörtchen mitreden, formulierte Bundestrainer Otti Becker sein Ziel. Erst sah es nicht so aus, als könnte das was werden. Es fing damit an, dass Maurice Tebbel sein Olympiapferd Don Diarado bereits vor der ersten tierärztlichen Inspektion krank melden musste: Hufgeschwür, lautete die Diagnose, eine schmerzhafte Entzündung im Huf, die das Pferd sofort außer Gefecht setzt. Für Tebbel rückte Ersatzreiter Marcus Ehning nach. Der 47-Jährige ist an fünf goldenen Championatsmedaillen beteiligt, doch mit zwei Abwürfen des zehnjährigen Oldenburger Hengstes Stargold nach einer schnellen Runde endete die erste EM-Prüfung für Ehning enttäuschend.

Christian Kukuk, auf Mumbai mit 1,98 Punkten weniger als einen Springfehler von Will entfernt, liegt vorläufig auf Platz zehn. Der neunjährige Schimmelhengst, eines der jüngsten Pferdes des Feldes, kennt sich aus in Riesenbeck. Er wohnt hier. Kukuk ist Stalljockey beim Multiolympioniken Ludger Beerbaum, der in wenigen Monaten makellose Voraussetzungen für die kurzfristig anberaumte EM geschaffen hat. "Riesenbeck International", so heißt das von ihm und seinem Geschäftspartner, dem dänischen Dressureiter und Pferdehändler Andreas Helgstrand betriebene Unternehmen, hat jetzt schon die Feuertaufe bestanden.

Das zweite Tokio-Paar, André Thieme auf Chakaria, begann gut und schnell, aber wieder mal plumpste mit der Stange am Doppelsprung auch die Hoffnung auf einen Einzelerfolg zu Boden. Allerdings gibt es ja noch vier Runden, da kann sich noch vieles tun. Auch für den Favoriten dieser EM, den Schweden Peder Fredricson. Der 49-Jährige selbst bleibt zurückhaltend. "Ich glaube nicht, dass ich von Tokio viel mit nach Riesenbeck nehmen kannte", sagt er. "Andere Formel, anderer Boden, anderes Pferd." Der Schimmel Catch Me Not mag nicht die katzenhafte Geschmeidigkeit von All In haben, dem vierbeinigen Tokio-Helden, der sich auf olympischem Parkett keinen einzigen Abwurf leistete. Catch Me Not sei nicht der Schnellste, sagte sein Reiter. Dafür schnell genug für die zweitbeste Zeit zum Auftakt.

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