Pferderennen:Aufgalopp mit Auflagen

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Siegerehrungen müssen leider entfallen, wenn, wie hier auf der Rennbahn Neue Bult in Langenhagen bei Hannover, wieder galoppiert werden darf. (Foto: Galoppfoto/Imago)

Erst Hannover, dann Köln, Berlin, Mülheim: Pferderennen sind wieder gestattet.

Von Ulrich Hartmann, Hannover/München

Aus der neuesten Mitteilung des deutschen Galoppverbands wird nicht auf Anhieb ersichtlich, dass an diesem Donnerstag auf der Rennbahn Neue Bult in Langenhagen bei Hannover erstmals in der Corona-Krise wieder ein offizielles Sportereignis in Deutschland stattfindet. Um öffentliche Debatten wie etwa beim Fußball zu vermeiden, verzichten die Galoppveranstalter vorsichtshalber auf Vokabeln, die mit Sport in Verbindung gebracht werden könnten. Sie vermelden die Wiederaufnahme des Rennbetriebs in jenem förmlichen Jargon, in dem Galopprennen im Rahmen des Tierzuchtgesetzes als Leistungsprüfungen firmieren.

Folglich heißt es in der Mitteilung: "Die Leistungsprüfungen der Vollblutzucht, die aufgrund der Corona-Pandemie seit 15. März nicht mehr durchgeführt werden konnten, werden am Donnerstag in Hannover unter strenger Einhaltung des von den Behörden als sachgerecht eingestuften Hygiene- und Abstandskonzeptes des Verbandes wieder aufgenommen; damit ist sichergestellt, dass ohne Infektionsrisiko die Berufsausübung im Rahmen der Zuchtleistungsprüfungen der Vollblutzucht unter Berücksichtigung aller behördlichen Vorgaben und unter Ausschluss von Zuschauern wiederaufgenommen werden kann." Es wird tatsächlich nicht ein einziges Mal das Wort Galopp oder Rennen verwendet. Dabei geht es doch genau darum: In Deutschland werden ab diesem Donnerstag wieder Galopprennen ausgetragen.

Maximal 100 Personen werden sich bei jedem der zwölf Rennen auf und am Geläuf aufhalten dürfen, nicht einmal die Pferdebesitzer erhalten Zugang zum Rennbahngelände. Am Eingang wird penibel die Temperatur gemessen. Die Jockeys ziehen sich nicht wie sonst gemeinsam in der Umkleide um, sondern einzeln; auch müssen sie ihre Brotzeit für den ganzen Tag selbst mitbringen. Siegerehrungen entfallen, während des Rennens müssen die Reiter Gesichtsschutz oder Masken tragen. Die Preisgelder sind halbiert, solange die Rennen ohne Publikum vonstatten gehen. Das wird mindestens bis zum 15. Juni so sein.

Nur 100 Personen sind zugelassen. Nicht einmal die Pferdebesitzer erhalten Zugang zum Gelände

Dass die Renntage grundsätzlich wieder notwendig sind, begründet der Verbandspräsident Michael Vesper erstens mit der Sicherung der etwa 3000 Arbeitsplätze in der Branche und zweitens mit dem für das Überleben von Rennvereinen und Ställen erforderlichen Wettgeschäft. Gewettet werden kann nur online, dazu werden die Rennen aber auf diversen Plattformen im Internet ausnahmsweise unentgeltlich übertragen. Eine Solidaraktion, bei der sich Galoppfans verpflichten, bei jedem der bundesweit 227 Rennen bis zum 15. Juni eine 50-Euro-Siegwette zu platzieren, hat bis Mittwoch 112 Teilnehmer und Wettgemeinschaften eingebracht. Auch Vesper macht mit, er hegt hier und da sogar Gewinnchancen. "Als Präsident bekomme ich von vielen Experten todsichere Tipps", witzelt der vormalige Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbunds.

Hannover, unter dessen Namen die Rennbahn Langenhagen in der Branche firmiert, macht also den Auftakt, am Freitag folgt Köln, am Sonntag Berlin, am Montag Mülheim an der Ruhr. München am Samstag hingegen ist abgesagt worden. Die bayrische Infektionsschutzverordnung ist bis Sonntag gültig und gestattet keine Ausnahme. Der Länder-Hoheit in Veranstaltungsfragen war am vergangenen Montag schon der Saisonauftakt in Dortmund zum Opfer gefallen. Dieser Renntag wird aber nachgeholt, weil die 22 vorgesehenen Renntage bis zum 15. Juni unbedingt eingehalten werden sollen. Die Branche benötigt die Einnahmen aus dem Wettgeschäft dringend, die Wettvermittler verzichten vorerst auf ihre Provisionen. Man hält zusammen in diesen schwierigen Zeiten.

Die Vorstandsriege des Galoppverbands wird dann auch komplett vertreten sein an diesem Donnerstag: der Geschäftsführer Jan Pommer, der Rennleiter Frank Becker und der Renntechnik-Leiter Rüdiger Schmanns, vermutlich wird auch der Präsident Vesper nach dem Rechten sehen wollen. Die Komprimierung des Personals vor Ort, so Vesper, "hat ein Infektionsrisiko gleich Null zum Ziel". Die Atmosphäre auf der Rennbahn kann derlei Tristesse freilich nicht ersetzen: das Raunen des Publikums, wenn die Pferde auf die Schlussgerade einbiegen, die extravaganten Hüte, das Schaulaufen der Prominenten.

Dem Starjockey Andrasch Starke ist momentan aber wichtiger, "dass es überhaupt wieder losgeht und die Rennen gelaufen werden können". Dem Fachblatt Sport-Welt sagte er: "Natürlich wäre ein Derby vor leeren Rängen fad, aber dass Rennen ohne Zuschauer funktionieren, sieht man an Frankreich, wo unter der Woche auch vor Corona nie Leute auf der Bahn waren und man Geisterrennen hatte." Wichtig sei jetzt, dass es für die Basis überhaupt weitergeht.

© SZ vom 07.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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