SC Freiburg:Die verlässlichen Freiburger Mittel

SC Freiburg: "Jetzt geht's los", singen die Fans in Freiburg - und dann trifft meistens Petersen, so wie hier gegen Mainz.

"Jetzt geht's los", singen die Fans in Freiburg - und dann trifft meistens Petersen, so wie hier gegen Mainz.

(Foto: H. Langer/Imago)

Standardsituation, Flanke, Jokertor: Der frühere Nationalspieler Nils Petersen poliert beim 1:1 gegen Mainz 05 seinen Ruf als erfolgreichster Schütze nach Einwechslungen. Christian Streich ist trotzdem unzufrieden.

Von Ron Ulrich, Freiburg

Nach einer Stunde rief das Freiburger Volk nach höheren Mächten. Wenn es schließlich sonst im Fußball nicht läuft, muss sprichwörtlich vorne der liebe Gott helfen. Nur gut für den SC, dass der von ihnen ernannte "Fußball-Gott" leibhaftig von der Bank aus erscheinen kann. So rief das Stadion im Spiel gegen Mainz 05 ab der 59. Minute unaufhörlich nach "Petersen, Petersen!", bis eben jener Nils Petersen, Fußballgott, acht Minuten später eingewechselt wurde.

"Jetzt geht's los", prophezeiten die 10 000 Zuschauer - und sollten nur zwei Minuten später recht behalten. Da drückte Petersen eine Ecke zum 1:1-Ausgleich über die Linie, jubelte vor den Fans und ballte beim Zurücklaufen kurz die Faust in Richtung Bank.

"Ich kenne das schon aus dem Dreisamstadion", meinte Freiburgs Trainer Christian Streich nach dem Remis. "Wenn der Nils draußen war und wir in Rückstand lagen, sind die Fans auch auf diese Idee gekommen." Doch Petersen war in dieser Saison durch Verletzungen und die starke Konkurrenz nur sporadisch zu Einsätzen gekommen. Am Samstag polierte er wieder seinen Ruf als erfolgreichster Schütze nach Einwechslungen - ganz programmatisch spielen sie in Freiburg ja beim Einlaufen den Wolfmother-Song "Joker and the Thief".

Die Rolle des Diebes kam an diesem Tag aber den Gästen aus Mainz zu, die aufgrund der starken ersten Hälfte mehr als diesen einen Punkt aus dem Breisgau hätten entführen können. Sie stellen nunmehr die beste Defensive der gesamten Liga und lieferten den Beweis dafür in Freiburg ab. Trainer Bo Svensson und seine Bande erschienen in komplett schwarzer Montur; die gesamte Elf rückte bei Ballbesitz in die gegnerische Hälfte und bei Kontern zu elft rasend schnell hinter den Ball. In der Abwehr räumten Hünen auf, die alle mehr als 1,90 Meter messen, "Hacki" und "Bello" gerufen werden und damit auch formidable Türsteher abgeben würden. Alexander Hack schoss in der 31. Minute aus Abseitsposition die 1:0-Führung, Stefan Bell ordnete mit all seiner Routine die Defensive und Moussa Niakhaté gewann 74 Prozent seiner Zweikämpfe. Dabei fällt in Jeremiah "Jerry" St. Juste noch ein wichtiger Verteidiger wegen einer Schulter-Operation aus.

Christian Streich ist unzufrieden: "Vielleicht müssen wir auch mal wieder eine Einheit machen, die nicht so viel Spaß bereitet"

"Wir definieren uns eben über das Spiel gegen den Ball. Dadurch haben wir und der SC Freiburg schon viele Punkte geholt", sagte Svensson zur Defensivstärke, fasste damit aber auch die Krux der Partie zusammen. Sie wirkte gerade in der ersten Halbzeit wie eine wilde Tresenrangelei, in der es hin und her ging und sich immer mehr Leute ineinander verhakten. Pressing, Gegenpressing, Ballverlust und Ballgewinn - es war kein Spiel für Klaustrophobiker, weil beide Teams sich gegenseitig absolut keinen Raum ließen. Streich rief immer wieder verzweifelt wie ein besorgter Zahnarzt "Zwischenräume, Zwischenräume!", doch in den Platz zwischen den Ketten kamen seine Mannen einfach nicht. "Wir müssen wieder zu den Basics zurückkehren: Spielaufbau, Spielrhythmus, Anlaufverhalten. Vielleicht müssen wir auch mal wieder eine Einheit machen, die nicht so viel Spaß bereitet", kündigte Streich an.

Pech hatte der SC beim irregulären Gegentor, weil der Video-Assistent sich nur auf die Prüfung eines Handspiels konzentrierte und das Mainzer Abseits außer Acht ließ. In der zweiten Halbzeit spielte Freiburg munterer, Roland Sallai (52.) und Lucas Höler (60.) vergaben gute Chancen. Doch Zählbares brachten eben nur die beiden verlässlichen Freiburger Mittel Standardsituation und Joker Petersen. Eine halbe Stunde nach Abpfiff hatte der Gefeierte auch das Auslaufen mit den Ersatzspielern absolviert, da beglückwünschte ihn selbst Gäste-Trainer Svensson zur Leistung.

Die verbliebenen Fans auf der Tribüne baten Petersen derweil um sein Trikot, sodass dieser nach der Teambesprechung in der Kabine noch mal Nachschub besorgte. Um 18 Uhr brachte er weitere Trikots zu den wartenden Fans. So gingen nach diesem Unentschieden wenigstens einige Freiburger mit einem guten Gefühl nach Hause - und mit einem Götter-Gewand in der Hand.

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