Peter Neururer zurück beim VfL Bochum:"Die Freizeit, das war Stress"

Peter Neururer

Peter Neururer.

(Foto: dpa)

Der abstiegsbedrohte Fußball-Zweitligist VfL Bochum engagiert einen Ausrangierten: Peter Neururer. Der 57-Jährige war dreieinhalb Jahre lang kein Trainer, hatte einen Herzinfarkt und verfasste eine blumige Biografie. Nun träumt der Klub bereits wieder von der ersten Liga.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Die Feuerwehrmänner haben ausgedient, so stand es zuletzt in der Branche wiederholt zu lesen. Es ging dabei um Friedhelm Funkel, Ernst Middendorp, Peter Neururer, solche Typen. Für Trainer der sogenannten alten Schule gibt es in der Branche kaum noch Bedarf, weil immer mehr junge, taktisch mutmaßlich besser und moderner ausgebildete Trainer nachrücken. Funkel ist raus, Middendorp ist in Südafrika und Neururer war Spielervermittler, TV-Experte und in Buchhandlungen Vorleser seiner Biografie "Aus dem Leben eines Bundesligatrainers". Bis Sonntag hat er sich damit die Zeit vertrieben.

Dann ergab sich ziemlich überraschend, dass er mit 57 Jahren - nach dreieinhalbjähriger Abstinenz aus dem Trainerjob und etwa ein Jahr nach einem Herzinfarkt - doch noch einmal als Übungsleiter ins Geschäft zurückkehrt. Der Feuerwehrmann Neururer hat nicht ausgedient. Er ist ein zäher Hund. Der Gelsenkirchener übernimmt für vorerst sechs Spiele die Aufgabe, den akut abstiegsbedrohten VfL Bochum vor dem Niedergang in die dritte Liga zu retten. "Das ist wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe, die ich je hatte", sagt er plakativ.

Am Montag herrschte im Stadion-Fanshop des VfL Bochum gähnende Leere. Niemand will die Hemden und Tassen einer Mannschaft kaufen, die saft- und kraftlos am Abgrund zur Drittklassigkeit laviert. Am späten Nachmittag versammelten sich immerhin etwa 50 Fans am Stadioncenter und harrten der Ankunft eines Mannes, der die in der Bundesliga einst als "unabsteigbar" gerühmten Bochumer nun vor dem endgültigen Absturz in die Bedeutungslosigkeit bewahren soll.

Als sie Neururer hinter einer großen Glasfront erblickten, applaudierten ein paar. Zu mehr Ekstase ist man an der Castroper Straße in diesen Tagen nicht fähig. Auch Neururer schaut bei seiner Präsentation allenfalls gelassen. Seine Freude über die Rückkehr ins Business korrespondiert nicht mit der dramatischen Lage im Klub.

Neururer lächelte und sagte: "Ich bin wieder zuhause." Eintracht Frankfurts Klubchef Heribert Bruchhagen habe ihn am Morgen angerufen und gesagt: "Peter, du bist verrückt!" Solche Komplimente gefallen Neururer. Er liebt den Fußball genauso wie das Pathos. "Leidenschaft, Disziplin und Verantwortung" wolle er den Spielern nun einbläuen, damit der Klassenerhalt noch gelingen möge. Aufsichtsrats-Chef Hans-Peter Villis scheint emotional bereits ergriffen und träumt schon von "einer neuen Ära mit Peter Neururer". Er sagt gar, man wolle mit dem Klub "auf Dauer zurück in die erste Liga".

Am Freitag hatte der VfL sein im zweitklassigen Abstiegskampf bedeutsames Heimspiel nach besorgniserregender Leistung 0:3 gegen den Tabellennachbarn Erzgebirge Aue verloren. Es war die vierte Niederlage nacheinander. Am Samstag rutschte der Klub, der 2011 in der Bundesliga-Relegation noch knapp an Borussia Mönchengladbach gescheitert war, durch den Sieg des Kontrahenten Dynamo Dresden auf den drittletzten Platz. Da saß der Aufsichtsrat des VfL bereits zusammen.

"Ich bin absolut fit.“

Am Sonntag hat sich dessen Vorsitzender Villis in einem Gelsenkirchener Golfklub mit Neururer getroffen. Am Montag fiel die Entscheidung. Trainer Karsten Neitzel wurde nach nur fünf Monaten im Amt und Sportdirektor Jens Todt nach knapp zwei Jahren entlassen. Neitzel, unter dessen Regie die Mannschaft aus 17 Spielen 17 Punkte holte, hatte erst Ende Oktober Andreas Bergmann beerbt - dem ein 1:6 in Aue zum Verhängnis geworden war. Der FC Erzgebirge hat in dieser Saison rein zufällig zwei Mal relevante Personalwechsel im 500 Kilometer westlich gelegenen Bochum ausgelöst.

In zwei Wochen wird Neururer 58 Jahre alt. Es ist dreieinhalb Jahre her, dass er eine Mannschaft trainiert hat. Am 29. Oktober 2009 war er nach elf Monaten beim Zweitligisten MSV Duisburg entlassen worden. Er hatte dort mit bloß mittelmäßigem Erfolg gearbeitet und bei jeder Nichtigkeit seinen Rücktritt angedroht. Das ist den Verantwortlichen irgendwann zu viel geworden.

Zum VfL Bochum hat Neururer nach eigenem Bekunden ein besonders inniges Verhältnis. Er ist dort bereits von Dezember 2001 bis Juni 2005 Trainer gewesen und hatte die Mannschaft 2002 von der zweiten in die erste Liga sowie 2004 sogar (für allerdings nur zwei Spiele) in den Uefa-Pokal geführt. Seine Amtszeit in Bochum ging 2005 mit dem Wiederabstieg in die zweite Liga zu Ende. Danach hatte er noch neun Monate lang Hannover 96 und elf Monate den MSV Duisburg trainiert, ehe er endgültig vom Trainerkarussell heruntergefallen zu sein schien. Im Juni 2012 erlitt Neururer beim Golfspielen einen Herzinfarkt, erholte sich jedoch schnell davon und sprach auch alsbald von einem ersehnten Comeback als Fußballtrainer.

Zur Untermauerung dieses Ansinnens ließ er kürzlich eine Biografie verfassen, in der er blumige Erfahrungen und Anekdoten aus 22 Trainerjahren bei 13 Klubs zum Besten gibt. Nun sagt er: "Die Freizeit, das war Stress! Ich will arbeiten, arbeiten, arbeiten. Ich bin absolut fit." Sechs Spiele hat er Zeit, dies unter Beweis zu stellen. Die erste Aufgabe führt ihn und sein neues Team am kommenden Sonntag zum Auswärtsspiel nach Cottbus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: