Personalpolitik des FC Bayern:Unterlassungssünden vor der Haustür

"A geh, des is' doch koana für uns": 750 Meter sind es vom Trainingsgelände des FC Bayern bis zu den Nachbarn von 1860 München. Dort hat Lars Bender sieben Jahre lang trainiert - nun soll er für teures Geld gekauft werden. Das Know-how im Marktsegment "Zukunft" war im Klub zuletzt dramatisch unterentwickelt.

Christof Kneer

Am besten nimmt man die Meraner Straße, das ist der direkte Weg. Man kann aber auch die Vintschgauer Straße wählen, die dann in die Südtiroler Straße übergeht. Beide Routen werden mit 750 Metern berechnet, für beide Routen wird eine Fahrzeit von drei Minuten veranschlagt. Drei Minuten ist nicht viel, so gesehen, es ist ungefähr so lange, wie der FC Bayern braucht, um in einem Endspiel seine Elfmeterschützen zu bestimmen. Drei Minuten trennen die Säbener Straße von der Grünwalder Straße, das Trainingszentrum des FC Bayern von jenem des TSV 1860.

1860 Muenchen v TuS Koblenz - 2. Bundesliga

Spielte lange vor der Haustür: Lars Bender (links), hier noch im Trikot von 1860 München.

(Foto: Johannes Simon/Getty Images)

Sieben Jahre lang, von 2002 bis 2009, hat der Spieler Lars Bender drei Minuten vom FC Bayern entfernt trainiert. Mit dem Geld, das der FC Bayern in diesen sieben Jahren ausgegeben hat, könnte man mindestens die Meraner Straße kaufen, und ginge es nur nach den Bayern, würde jetzt bald wieder eine größere Investition fällig: Dieser Lars Bender soll unbedingt her, aber der Strafzins für die Versäumnisse von einst könnte üppig ausfallen. Es könnte sein, dass jede Fahrminute, die zwischen den beiden Trainingsstätten liegt, mit fünf, sechs oder sieben Millionen multipliziert wird. Drei mal sieben wären: 21 Millionen.

Es mag die Bayern trösten, dass sie nicht alleine sind mit ihren Unterlassungssünden vor der eigenen Haustür. Auch der Rivale aus Dortmund hat ja gerade erst 17 Millionen aufwenden müssen, um den eingeborenen Dortmunder Marco Reus heimzuholen, den die Jugendtrainer einst verkannten. Aber anders als die Münchner haben sich die Dortmunder ein Gespür für diese Generation bewahrt; die Bayern haben sich nach der hauseigenen Generation Lahm/Schweinsteiger zwar von Louis van Gaal zum Einsatz weiterer hauseigener Talente (Müller, Badstuber) zwingen lassen, aber ihr Know-how im Marktsegment "Zukunft" war zuletzt dramatisch unterentwickelt.

Der Bayern-Spieler Hummels, die 1860-Spieler Sven Bender und Leitner, der Nürnberg-Spieler Gündogan? Spielen alle in Dortmund.

Vermutlich waren die Bayern auch deshalb zwei Jahre hintereinander nicht mehr Meister: weil sie den heimischen Markt nicht im Griff hatten. Während es die deutschen Spitzentalente nach Dortmund und Leverkusen zog, entdeckten die Bayern auf Benders Position den überreifen, nicht mehr ausbaufähigen Anatoli Timoschtschuk und den seriösen, aber kaum mehr ausbaufähigen Luiz Gustavo. Kostenpunkt: 28 Millionen. Das Potenzial in einem Spieler zu erkennen und auf die Zukunft hochzurechnen, war noch nie die Spezialdisziplin dieses Klubs, mitunter haben die Bayern das auch mit gesunder bajuwarischer Hybris als unter ihrer Würde empfunden. Bender? A geh, des is' doch koana für uns!

Zwei Transfers aber zeigen, dass die Bayern künftig nicht mehr gewillt sind, diesen Markt der Konkurrenz zu überlassen. Sie haben Mitchell Weiser aus Köln geholt, ein Talent des Jahrgangs 1994. Und sie holten Matthias Sammer vom reiferen Jahrgang 1967, einen Führungsspieler, der Stärken und Schwächen aller deutschen Spieler der Jahrgänge 1994 und jünger auswendig kennt.

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