Süddeutsche Zeitung

Per Mertesacker verlässt Bremen:Hü, hott, Arsenal!

Er will weg, er bleibt, er geht doch: Das wochenlange Wechseltheater um Werders wichtigsten Abwehrmann Per Mertesacker ist zu Ende - der Transfer des Nationalspielers zu Arsenal London ist beschlossene Sache. Den Bremern bleibt die Einsicht, dass der Verkauf sich wenigstens finanziell lohnt.

Jörg Marwedel, Bremen

Wenn man es nüchtern betrachtet, wird die sportliche Krise des FC Arsenal wohl die wirtschaftliche Krise von Werder Bremen beenden. Nach dem 2:8 der Londoner Gunners bei Manchester United am Wochenende, der höchsten Niederlage seit 1896, hat sich Arsenals Teamchef Arséne Wenger doch noch entschlossen, den deutschen Nationalverteidiger Per Mertesacker, 26, zu verpflichten.

Für Werder-Chef Klaus Allofs wäre dieses Geschäft eine Art Rettungsanker. Sein Team war ohne Beteiligung an einem internationalen Wettbewerb viel zu kostspielig geworden, dazu kam die Renovierung des Weserstadions, die mehr als zehn Millionen Euro teurer wurde als geplant. Auch deshalb hatte Werder zuletzt schon den Kapitän und Spitzenverdiener Torsten Frings abgegeben. Am Dienstag sagte Allofs dem Weser Kurier: "Zwischen Werder und Arsenal ist alles klar." Eine offizielle Bestätigung des Transfers wird am Mittwoch erwartet.

Löw erlaubt Medizincheck

Vor gut einem Jahr flog Mesut Özil nach Madrid, um bei Real einen Vertrag zu unterzeichnen, der Werder fast 16 Millionen Euro einbrachte. Diesmal jettete Mertesacker am Dienstag mit Lufthansa-Flug 3382 von Düsseldorf nach London, um den Medizincheck zu absolvieren und letzte Details zu klären.

Der Bundestrainer hatte ihn für einen Tag freigestellt - Zitat Löw: "Am späten Montagabend hat Per mich auf meinem Zimmer angerufen und darüber informiert, dass ein Angebot vorliegt" -, auch Allofs Plazet lag vor. Es geht um einen Vertrag bis 2015 mit einem Jahresgehalt von angeblich 4,7 Millionen Euro - fast doppelt soviel, wie Mertesacker in Bremen verdiente. Werder wird zwischen neun und elf Millionen Euro kassieren. 2012 hätte Mertesacker mit dann auslaufendem Vertrag ohne Ablöse gehen können.

Allofs sagt: "Es war seit geraumer Zeit Pers Wunsch, seine Karriereplanung noch einmal voranzutreiben und für einen großen europäischen Klub zu spielen." Arsenal sei immer "Pers Wunschverein" gewesen. Mindestens zweimal gab es schon Kontakt zu Wenger, zuletzt 2010.

Trotzdem hatte Trainer Thomas Schaaf den gebürtigen Hannoveraner, der 2006 nach Bremen kam und 237 Bundesligaspiele für Werder bestritt, zu Saisonbeginn zum Kapitän befördert. Wegen seiner Pläne hatte der Verteidiger aber keinen neuen Vertrag unterschrieben - obwohl er, wie er sagte, "stolz" sei, "Werder anführen zu dürfen".

Zum "Hü und Hott" (Mertesacker) um seine Personalie in den vergangenen Wochen hat er selbst viel beigetragen. Nach dem 2:0 Anfang August gegen Kaiserslautern schürte er die Gerüchte, als er auf die Frage nach seiner Zukunft sagte: "Alles steht in den Sternen", ein Wechsel sei ein "schweres Thema". Allofs hat ihm kein Treuebekenntnis abgefordert, er sagte nur: "Wenn ein Angebot käme, wären wir gesprächsbereit."

Zwei Wochen später, nach dem 5:3 gegen Freiburg, schien Mertesacker Entwarnung für alle Werder-Fans zu geben: Es sei sein "Plan, hierzubleiben". Eine Woche später war die Handelsbörse wieder eröffnet. Nach dem 2:1 in Hoffenheim lautete sein jüngstes Statement: "Man soll niemals nie sagen."

Als er das sagte, hatte Arsenal noch nicht 2:8 verloren. Allofs hatte auch diesmal wieder die Gesprächsbereitschaft eines Händlers offenbart. Man könne "in jedem Mannschaftsteil noch einen abgeben", sagte er am Wochenende, und alle, die sich für Werder-Spieler interessierten, "haben ja meine Nummer".

Tatsächlich gibt es auch ohne Mertesacker vier Innenverteidiger im Kader. Neben dem nach 15 Monaten Verletzungspause fast gesunden Naldo und Sebastian Prödl, hat Werder - wohl auch, weil man eine Offerte für Mertesacker erhoffte -, zwei weitere Profis für die Abwehrmitte verpflichtet. Vom FC Genua wurde der griechische Nationalspieler Sokratis Papastathopoulos geholt, der sich auch schon als rechter Verteidiger bewährte, vom 1. FC Nürnberg kam Andreas Wolf.

Es sei klar, dass "Per sportlich und menschlich ein riesiger Verlust für Bremen ist", sagt Allofs. Schließlich sei er "ein Riesentyp und war unser Kapitän". Mertesacker wird wohl schon bald alte Kollegen wiedersehen. Am 13. September trifft der FC Arsenal in der Champions League auf den deutschen Meister Borussia Dortmund.

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SZ vom 31.08.2011/jbe
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