Pep Guardiola:Der Ruf des Herzens

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Wohin verschlägt es Pep Guardiola als nächstes?

(Foto: Adrian Dennis/AFP)

Josep Guardiola deutet ein Ende seines Engagements bei Manchester City im Sommer 2023 an. Ihn reizt die Aussicht auf ein Nationaltraineramt - die Spur führt nach Südamerika.

Von Javier Cáceres

Romantik und Nostalgie sind mächtige Gefühle - im Leben und erst recht im Fußball, der allwöchentlichen Wiederkehr der Kindheit, wie ihn der spanische Schriftsteller Javier Marías einmal nannte. Die Kindheit des Josep Guardiola, 50, ist nicht nur von seiner Zeit beim FC Barcelona geprägt, wo er in der Jugend aktiv war. Sondern auch von einem Drama, das sich in der katalanischen Hauptstadt abspielte, als Guardiola elf war: Das Aus Brasiliens bei der Weltmeisterschaft 1982 im Estadio de Sarrià, der mittlerweile abgerissenen Heimstatt von Espanyol Barcelona. In größerer Schönheit wie beim 2:3 gegen Italien starb vermutlich nie eine Mannschaft bei einer WM. Sócrates, Zico, Cerezo, Júnior, Éder, sie blieben alle unvollendet und doch im Herzen all jener, die das Spiel damals sahen. Sie riefen Emotionen hervor: Zum Beispiel bei Pep Guardiola, der nun recht deutlich zu verstehen gab, dass er die Seleção zu neuem Glanz führen möchte.

Am Mittwoch nahm Guardiola an einem Sponsorentermin für einen Finanzdienstleister teil, der auch die frühere US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton als Gastrednerin bezahlt hatte, und gab zweierlei bekannt. Erstens, dass er sein seit 2016 laufendes Engagement bei Manchester City im Sommer 2023 beenden will - was natürlich die Spekulation erlaubt, dass er schon 2022 abtreten könnte, um nicht zu einer so genannten "Lame Duck" zu werden. Und zweitens, dass sein folgender Job, nach einem "Sabbatical", eine Anstellung bei einer Nationalmannschaft sein werde. Er würde gern einmal bei einer Copa América dabei sein, sagte Guardiola. Womöglich als Trainer Brasiliens? "Ich denke, dass der Trainer der brasilianischen Auswahl immer ein Brasilianer sein wird. Ich sehe keinen Ausländer bei Nationalmannschaften wie Brasilien", erklärte er. Einerseits weiß er, dass das natürlich noch zu besprechen sein wird, in den kommenden Jahren ist dafür viel Zeit. Und andererseits weiß er, das ist bekannt, dass er schon einmal diesen unaussprechlichen Traum hegte: Vor der WM 2014 soll er sich über Mittelsmänner diskret beim brasilianischen Verband in Stellung gebracht haben.

Einen prominenten Fürsprecher hätte er jedenfalls: Brasiliens aktuellen Nationalcoach Tite, der im Gegensatz zu vielen Landsleuten seinen Chauvinismus in Grenzen hält (und sich deshalb auch ins Zeug legte, um eine andere Barça-Legende, Xavi Hernández, als Assistenten zu holen). In Madrid wiederum erklärte Nationaltrainer Luis Enrique am Donnerstag, dass es keinen besseren Nationaltrainer für Spaniens Nationalteam gebe als Guardiola, "das wäre perfekt".

So weit wird es aber nicht kommen. Guardiola ist zwar bis heute stolz darauf, mit Spanien 1992 Olympiasieger geworden zu sein. Doch unter den spanischen Nationalisten gilt Guardiola als Hassfigur, weil er sich für die Separatisten seiner katalanischen Heimat eingesetzt hat. In Brasilien hätte er ein bequemeres Leben als in Spanien, gleiches gilt für Argentinien, dessen Fußball ihm immer auch als Inspiration diente. Ehe er die Entscheidung traf, Trainer zu werden, pilgerte Guardiola zu Meistern wie César Luis Menotti und Marcelo Bielsa, der heute Leeds United in der englischen Premier League trainiert.

Der letzte WM-Titel, der auf den amerikanischen Subkontinent wanderte, war jener von 2002

Nur: Wird er es wirklich wagen? Denn ob der südamerikanische Fußball wettbewerbsfähig genug ist, wenn Guardiola das Kapitel Manchester beendet, darf bezweifelt werden. Der letzte WM-Titel, der auf den amerikanischen Subkontinent wanderte, war jener von 2002, als Brasilien gegen Deutschland in Yokohama siegte. Danach nahm der Bedeutungsverlust Südamerikas auf allen Ebenen stetig zu. Sportlich, wie sich regelmäßig bei jeder Klub-WM zeigt, und auch sportpolitisch, wie man an den anschwellenden Diskussion um die Abstellungen der lateinamerikanischen Spieler sieht.

In den letzten Jahren ist der dortige Fußball zum Zulieferbetrieb für die europäische Fußballindustrie geworden, es gibt keinen Spitzenspieler, der noch in der Heimat spielt. Nun stehen sie einer Rebellion, Europas Ligen wollen keine Spieler für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele abgeben wollen. Angeführt von der englischen Premier League weigern sich die großen Spielklassen, die Länderspielreisen ihrer teuer bezahlten Angestellten zu genehmigen. Die Engländer verwiesen auf die behördlichen Vorschriften, die verpflichtende Quarantäne-Zeiten nach sich ziehen (und bei der EM tendenziell egal waren). Spaniens Liga wiederum teilte am Donnerstag mit, dass sie juristische Mittel ergreifen wolle, um Ausreisen der lateinamerikanischen Spielern zu verhindern. Die Fifa hatte die Abstellungsperiode um zwei Tage verlängert, weswegen südamerikanische Spieler wahrscheinlich den vierten Spieltag in Spieltag verpassen würden. Ähnliche Töne schlägt Italiens Serie A an. Frankreichs LFP zeigte sich flexibler, so dass Neymar und Lionel Messi (PSG) wohl ihre Teams zum Duell zwischen Brasilien und Argentinien anführen dürfen. Dennoch: Die Nationaltrainer Brasiliens und Argentiniens sind gebeutelt. Vor allem Argentiniens Lionel Scaloni: Er müsste mindestens 21 Spieler ersetzen.

Interessant dürfte sein, wie die Spieler reagieren. Die Profis befällt beim Gedanken an die Heimat ja auch Nostalgie, die Nationalteams sind oft das einzige, belastbare Band nach Hause. Der erste Akteur, der sich positioniert hat, war der früher beim FC Bayern und Bayer Leverkusen angestellte Chilene Arturo Vidal, der zurzeit bei Inter Mailand sein Geld verdient. Er teilte mit, er werde in jedem Fall in die Heimat fliegen - egal, wer ihm das verbieten sollte. "Ich werde dort sein", sagte er, und rief die Kollegen auf, es ihm gleich zu tun.

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