Süddeutsche Zeitung

Fall Peng Shuai:Chinas Regierung zieht eine Nebelwand hoch

Erstmals äußert sich Peking offiziell zur Tennisspielerin Peng Shuai und stellt die Causa als Plot böser Mächte dar. Derweil hagelt es Kritik am IOC und dessen Präsident Thomas Bach.

Von Johannes Knuth

Die chinesische Regierung hat sich erstmals offiziell in der Causa um die wochenlang verschwundene Tennisspielerin Peng Shuai zu Wort gemeldet. Und das tat sie so, wie man es erwarten durfte: Sie zog eine Nebelwand hoch, die das kritische Publikum offenbar zusätzlich einschüchtern sollte. "Einige Leute sollten ihre bösartigen Unterstellungen beenden und diese Sache nicht politisieren", sagte Zhao Lijian, ein Sprecher des Außenministeriums, am Dienstag in Peking. Als sei das ein Plot böser Mächte: dass eine Tennisspielerin einen der einst mächtigsten Männer der Volksrepublik der sexualisierten Gewalt bezichtigt, ihr Beitrag im Internet sofort von der chinesischen Zensur gelöscht wird, die Athletin wochenlang verschwindet - und nun auf Bildern auftaucht, die daran zweifeln lassen, ob sie sich frei bewegen und sprechen kann.

Und das Außenministerium? Bediente noch einmal das Narrativ, das Chinas Staatsmedien die vergangenen Tage gestreut hatten. Videos zeigten da unter anderem, wie Peng im Kreis von Bekannten dinierte, wie sie dabei auffällig hölzern über das Datum sprach, wie sie Autogramme bei einem Tennisturnier gab. Und immer wieder Beteuerungen: Es gehe ihr gut!

Wenig überraschend griff der Regierungssprecher Lijian auch das Videotelefonat auf, das Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), zuletzt mit Peng geführt hatte. Dabei hatten Bach, die IOC-Athletensprecherin Emma Terho und das IOC-Mitglied Li Lingwei - Letztere übrigens eine Vertreterin des Nationalen Volkskongresses, des formellen Parlaments Chinas - lediglich das erörtert, was zuvor in Chinas Medien gestreut wurde: dass Peng in Peking sei, dass es ihr gut gehe, dass man ihre Privatsphäre respektieren möge. Ob sie von den Behörden unter Druck gesetzt wurde? Wie es um ihre Vorwürfe steht? Ob diese untersucht werden? Das alles erwähnte das IOC nicht; es sagte auf Nachfragen auch nicht, ob es diese drängenden Themen angesprochen hatte. Das Video des Gesprächs stellte es ebenfalls nicht zur Verfügung.

Die WTA bekräftigt, dass sie weiterhin Zweifel hege, auch nach Bachs Videosprechstunde mit Peng

Die Schalte trat weltweit scharfe Kritik los, die das IOC als willigen Adjutanten des chinesischen Systems porträtierte. "Sie sollten extrem vorsichtig sein, sich nicht als Weißwäscher von möglichen Menschenrechtsverletzungen zu beteiligen", sagte ein Vertreter von Amnesty International. Die Sportlervereinigung Global Athlete warf dem IOC vor, sich "mitschuldig an der bösartigen Propaganda der chinesischen Behörden und deren mangelndem Interesse an grundlegenden Menschenrechten und Gerechtigkeit" zu machen. Auch in der Tennisszene regt sich weiter Kritik, nachdem prominente Profis wie Naomi Osaka, Serena Williams und Novak Djokovic Aufklärung gefordert hatten - offenbar ohne Sorge darüber, wie sich das auf potenzielle Partnerschaften mit chinesischen Sponsoren auswirken könnte.

Der britische Tennisspieler Liam Broady verbreitete in den sozialen Medien ein Foto von 2016, auf dem IOC-Präsident Bach und der damalige Vize-Premier Zhang Gaoli in die Kameras lächeln, Seite an Seite. Alle Vorbereitungen für die Winterspiele 2022 in Peking liefen prächtig, versicherte der Vize-Premier damals. Zhang, das ist übrigens der Mann, den Peng in ihrem Beitrag beschuldigt hatte, sie missbraucht zu haben. Der Pensionär war bis zuletzt nirgends zu sehen gewesen.

Die WTA, die Vereinigung der Berufstennisspielerinnen, bekräftigte indes, dass Bachs Videosprechstunde mit Peng ihre Zweifel nicht vertrieben hätte: Es sei "angenehm" gewesen, Shuai in den Videos zu erleben, aber das stille nicht die Unruhe der WTA. Man befürchte nach wie vor, dass die Spielerin nicht ohne Zensur und Druck mit der Welt kommunizieren könne. Die WTA hatte bereits versprochen, dass sie sich aus dem millionenschweren chinesischen Sportmarkt zurückziehen wolle, sollte sie keine glaubhaften Lebenszeichen erhalten und sollten Pengs Vorwürfe nicht transparent und fair untersucht werden.

Die Affäre dürfte durch die Interventionen aus Peking und Lausanne, dem Sitz des IOC, kaum ausgestanden sein. Das IOC steckt bereits massiv in der Kritik, weil es Verstöße gegen Menschenrechte in China seit Jahren nicht thematisiert. Am 4. Februar sollen in Peking die Olympischen Winterspiele beginnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5471261
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/schm/ebc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.