Trainer bei der TSG Hoffenheim:Der vierte Nagelsmann-Nachfolger

Trainer bei der TSG Hoffenheim: Immer noch beliebt in Stuttgart: Pellegrino Matarazzo ist vielleicht der einzige Trainer der Bundesligageschichte, der durch eine Entlassung einen Imagegewinn erzielt hat.

Immer noch beliebt in Stuttgart: Pellegrino Matarazzo ist vielleicht der einzige Trainer der Bundesligageschichte, der durch eine Entlassung einen Imagegewinn erzielt hat.

(Foto: John Macdougall/AFP)

Der neue Trainer Pellegrino Matarazzo weiß, welchen Fußball die TSG spielen müsste, um wieder zu sich selbst zu finden. Sportdirektor Rosen muss auch im eigenen Interesse hoffen, endlich einen Nagelsmann-Erben gefunden zu haben.

Von Christoph Ruf

Julian Nagelsmann könnte wohl heute noch Trainer in Hoffenheim sein, hätte er es nicht 2019 vorgezogen, zunächst zu RB Leipzig und dann zum FC Bayern zu wechseln. Dass er Spuren im Kraichgau hinterlassen hat, wird spätestens seit Dienstag niemand mehr bestreiten. Da verkündete die Hoffenheimer Pressestelle nämlich zum einen, dass Nagelsmanns damaliger Torwarttrainer Michael Rechner künftig mit ihm in München arbeiten wird. Und zum anderen, dass ein Mann neuer Cheftrainer wird, der 2019 in die Wohnung in Wiesenbach gezogen ist, in der zuvor Nagelsmann gewohnt hatte.

Weil Pellegrino Matarazzo zwischen 2017 und 2019 zunächst als U17- und danach als Co-Trainer der Hoffenheimer Profis gearbeitet hatte, wurde er von Sportdirektor Alexander Rosen gleich als alter Bekannter begrüßt -und mit Kosenamen: "Rino kennt nicht nur unseren Klub, sondern auch einen Großteil der Mannschaft aus eigener Erfahrung. Umgekehrt kennen wir auch ihn und sind deshalb davon überzeugt, dass er der richtige Mann auf der Cheftrainer-Position ist." Im Übrigen habe Matarazzo beim VfB Stuttgart gezeigt, dass er "mit Druck umgehen" könne. Das ist dieser Tage tatsächlich keine unwichtige Qualifikation in Sinsheim: Die TSG ist nach zehn weitgehend punktlosen Spielen in Serie massiv abstiegsgefährdet.

Dabei ist Matarazzo, 45, vielleicht sogar der einzige Trainer der Bundesligageschichte, der durch eine Entlassung einen Imagegewinn erzielt hat. In seiner Stuttgarter Zeit gelang ihm zunächst der Aufstieg aus der zweiten Liga, dann eine ziemlich gute erste Bundesligasaison (Rang neun). Auch Platz 15 und der nur knappe Klassenverbleib im zweiten Erstliga-Jahr vermochten an seinem Image als ziemlich bestmöglicher VfB-Trainer nicht zu kratzen.

Und als er im Herbst 2022 dann dennoch entlassen wurde, regten sich im Schwäbischen Emotionen, die ein wenig an den südbadischen Volksaufstand nach dem Ende der Ära Volker Finke in Freiburg (2007) erinnerten. Matarazzos Nachfolger, Bruno Labbadia, hat jetzt ein veritables Problem: Gewinnt sein Team und spielt dabei vielleicht sogar noch gut, verweigern ihm weite Teile der Fanszene die Autorenschaft am Erfolgserlebnis und wenden ein, dass der Sieg auch unter seinem Vorgänger zu feiern gewesen wäre. Niederlagen werden hingegen vollumfänglich bei Labbadia abgeladen.

Schon 2019 fing eine sportliche Abwärtsentwicklung an, die nun bedrohliche Ausmaße angenommen hat

Das mag ungerecht sein, hat für Matarazzo aber den großen Vorteil, dass er mit einem strahlenden Image in Hoffenheim anfangen kann, wo man zudem mit seinen drei Vorgängern wenig Glück hatte. Dass weder dem grummeligen Niederländer Alfred Schreuder, noch dem schwer zu greifenden Sebastian Hoeneß das Charisma von Nagelsmann in die Wiege gelegt wurde, konnte man ihnen nur schwer vorwerfen. Doch schon 2019 fing eine sportliche Abwärtsentwicklung an, die nun - nach sieben Monaten unter André Breitenreiter - bedrohliche Ausmaße angenommen hat. Zuletzt spielte die TSG jedenfalls nicht besser, als der Tabellenplatz (14) und die Ergebnisse - 1:4 gegen Gladbach, 2:5 in Bochum ­- nahelegen. Im Schnitt kommen in dieser Saison zudem nur noch 22 000 Zuschauer.

Auch das ist ein Alarmsignal für einen Verein, der seine Dauerkarten mangels Tradition Jahr für Jahr durch überzeugenden Fußball neu bewerben muss. Matarazzo weiß als Absolvent der Hoffenheimer Trainerschule, wie der Fußball aussehen müsste, den die TSG spielen sollte, um wieder zu sich selbst zu finden. Von Rosen, der eigentlich ein großer Freund von langfristigen Trainerengagements ist, hat er einen Vertrag bis 2025 bekommen. Der Sportdirektor dürfte inständig hoffen, dass er beim vierten Nagelsmann-Nachfolger nun endlich den passenden gefunden hat. Und das nicht zuletzt im eigenen Interesse.

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