Peking:Spielverderber unerwünscht

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Wenige Monate vor Beginn der Spiele, schickt die chinesische Regierung immer mehr unbequeme Olympia-Kritiker in Arbeitslager.

Henrik Bork

Chinas Staatssicherheit hat ihren olympischen Endspurt begonnen. Sieben Monate vor Beginn der Sommerspiele erlebt Peking den Höhepunkt einer neuen Verhaftungswelle. Dissidenten und Kritiker der Spiele verschwinden in Gefängnissen und Arbeitslagern. Immer häufiger wird dabei inzwischen der Paragraph 105 des Strafgesetzbuchs angewandt, der den "Aufruf zum Umsturz der Staatsgewalt" unter Strafe stellt, wie die Menschenrechtsgruppe "Chinese Human Rights Defenders (CHRD)" in einem neuen Bericht belegt. Die Menschenrechtler haben 41 Fälle dokumentiert, in denen Kritiker der Spiele und Regimegegner unter dem Vorwurf des "Aufrufs zum Umsturz" verhaftet und meist zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.

Kampagneplakat gegen die Vergabe der Olympischen Spiele an China. (Foto: Foto: AP)

Das jüngste Opfer ist der prominente Aidsaktivist und Olympiakritiker Hu Jia. Zwanzig Polizisten stürmten am 27. Dezember seine Wohnung und nahmen ihn fest. Die Polizisten unterbrachen sofort seine Internet- und Telefonleitung - die Außenwelt sollte so wenig wie möglich von der Festnahme erfahren. Hu Jias Frau und seine sechs Monate alte Tochter blieben unter Hausarrest zurück. Der Vorwurf gegen ihn lautete "Aufruf zum Umsturz der Staatsgewalt".

Obwohl Hu Jia damals wegen seiner mutigen Artikel im Internet und seines Einsatzes für Aidsopfer bereits unter Hausarrest stand, hatte er am 26. November per Web-Kamera an einer Anhörung des Europaparlamentes in Brüssel teilgenommen. Dabei hatte er die Spiele in Peking als "Menschenrechtskatastrophe" bezeichnet. Beobachter sind überzeugt, dass die Behörden Hu Jias Festnahme gezielt auf den 27. Dezember gelegt hatten, weil viele ausländische Korrespondenten in Peking zu dieser Zeit im Weihnachtsurlaub waren.

Schon am 13. Dezember war Wang Dejia festgenommen worden, ein bekannter Online-Kommentator aus der südchinesischen Stadt Guilin. Er hatte unter anderem eine Schrift mit dem Titel "Olympische Spiele mit Handschellen werden nur eine Katastrophe für das Volk werden" veröffentlicht. Auch für ihn wurde am 14. Dezember ein formeller Haftbefehl mit dem Vorwurf des "Aufrufs zum Umsturz" ausgestellt. Er hatte die kommunistischen Machthaber, die sich gerne im Licht der Sommerspiele sonnen wollen, besonders mit seiner Bemerkung gereizt, während übertriebene Ausgaben für moderne Sportarenen getätigt würden, müssten einfache Bürger "wie Schweine und Hunde" leben.

Im Xuanwu-Haftzentrum in Peking sitzt derzeit auch Ye Guoqiang ein, der Bruder des als "Olympischer Gefangene" bekannt gewordenen Ye Guozhu. Er hatte gegen den nicht ausreichend kompensierten Abriss seines Restaurants protestiert, das dem Neubau einer der für die Sommerspiele geplanten Sportstätte weichen musste. Am 30. September wurde er unter dem Verdacht des "Aufrufs zum Umsturz der Staatsgewalt" festgenommen. Sein Bruder Ye Guozhu war schon im Dezember 2004 zu vier Jahren Haft verurteilt worden, nachdem er einen Protestmarsch gegen erzwungene Umsiedlungen von Bürgern wegen der Olympia-Neubauten organisiert hatte.

In einer Zelle in der Nordostprovinz Heilongjiang sitzt Yang Chunlin ein. Er hatte Unterschriften für eine Petition namens "Wir wollen Menschenrechte, nicht die Olympiade" gesammelt. Die 41 dokumentierten Fälle seien nur die "Spitze des Eisbergs", betonten die CHRD-Menschenrechtler.

© SZ vom 10.1.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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