Süddeutsche Zeitung

Biathlet Arnd Peiffer:Oldie mit Blick auf die Siegerstraße

Zwischen zwei 23-Jährigen gewinnt der zehn Jahre ältere Arnd Peiffer seine WM-Medaille. Dass er immer noch mithalten kann, liegt auch an seiner Liebe zum Detail.

Von Saskia Aleythe

Würde er alles allein für die Medaillen machen, hätte Arnd Peiffer die Waffe womöglich schon in die Ecke gestellt. Nur irgendwie aufs Podium zu kommen, nur irgendwie das Preisgeld mitzunehmen, da würde dem 33-Jährigen im Nachhinein etwas fehlen. Peiffer will es perfekt machen, wenn er schon mit Glückwünschen überschüttet wird. Und so saß er nun mit seiner Silber-Medaille um den Hals bei der Pressekonferenz neben der Biathlon-Strecke in Slowenien, und es blitzte seine Motivation für dieses Rennen hervor. Nur einmal zuvor sei ihm ein "richtig gutes" Einzel über 20 Kilometer gelungen, beim WM-Sieg 2019 in Östersund. "Ich habe gehofft, ich schaffe es noch einmal mit einem fehlerfreien Schießen", sagte der Deutsche und da klang der Gewinn der Medaille auf der Hochebene Pokljuka fast wie eine Nebensache.

Sich an den Details seines Sports abzuarbeiten, ist eine besondere Leidenschaft, die Peiffer ausmacht. Sie trägt ihn schon lange zu seinen Erfolgen, sie sorgte dafür, dass er immer zur Stelle war in den vergangenen Jahren, wenn sich das deutsche Team nach Glücksmomenten sehnte. Warum immer Peiffer? Es mag auch an seinem Faible für Statistiken liegen, er kann so manche herbeten, auch wenn er noch Minuten zuvor nach seinem Zieleinlauf um Atem gerungen hat. In den bisherigen 15 Rennen der Saison hätten die deutschen Männer vier Mal auf dem Podium gestanden, sagte Peiffer also, deswegen müsse es nun auf der Pokljuka einmal "in einem Einzelrennen passen, wenn man die Quote hernimmt." Es passte natürlich vor allem, weil er 20 von 20 Scheiben traf, als nur einer von fünf der insgesamt 100 Starter an diesem Tag. Arnd Peiffer nennt das nüchtern: "Meinen Job machen".

Viele Ältere haben ein hartnäckiges Leiden. Peiffer tut alles mal weh - aber nur ein bisschen

Zehn Jahre sind vergangen, seit Peiffer seine erste Medaille in einem Rennen jenseits der Staffeln feiern konnte, Gold war das, 2011 im Sprint von Chanty Mansijsk. Er ist unfassbar viele Rennen gelaufen, 385 insgesamt, doch an guten Tagen kann er immer noch mithalten mit den Besten, die mittlerweile zehn Jahre jünger sind als er. Sturla Holm Lägreid und Johannes Dale, die sich um ihn reihten mit Gold und Bronze im Einzel, sie sind beide erst 23 Jahre alt und wohnen in Norwegen in derselben Straße, der Siegerstraße quasi. Zwischen ihnen wirkt Peiffer wie ein Oldie, in Individualrennen hat bei dieser WM noch keiner über 30 eine Medaille gewonnen - außer Peiffer. Dabei war die Ausgangslage nicht blendend nach Rang 36 im Sprint und Platz 20 in der Verfolgung. "Natürlich waren die Fans und Medien sehr kritisch mit uns. Ich glaube, wir haben die Kritik verdient", sagte Peiffer, der trotzdem versucht, das "Selbstbewusstsein nicht von meinen Ergebnissen abhängig zu machen." Nicht Abheben bei Erfolgen, nicht Einigeln bei Niederlagen, im Gleichgewicht sein, so wie auch im Rennen. "Für mich ist es besser, nicht zu viel zu wollen am Schießstand, eher mich zu entspannen", sagt Peiffer und das hat er dann hinbekommen wie ein buddhistischer Mönch.

Natürlich muss Peiffer heute länger regenerieren als noch vor zehn Jahren, doch gesundheitlich plagen ihn selten Probleme. Ganz anders als bei Simon Schempp, der seine Karriere mit 32 kürzlich beendete oder bei Erik Lesser, ebenfalls 32, der sich immer wieder angeschlagen durch die Rennen kämpft. "Erik hat immer irgendwo eine Sollbruchstelle, das ist mal der Rücken, der Ellenbogen oder der Beuger", sagt Peiffer, "mir tut alles immer so ein bisschen weh, damit kann man aber immer noch ganz gut klarkommen." Dass er immer noch um Medaillen kämpfen kann, liegt dann aber auch an seiner Einstellung. Es würde ihm eher nicht einfallen, an einem Ruhetag "mit meinem Mountainbike in den Bikepark zu gehen und einen Backflip zu probieren", sagt Peiffer. Lesser hatte sich dabei das Schlüsselbein gebrochen.

Auf und ab geht es trotzdem mal bei ihm, das hat man auch bei dieser WM erlebt. Aber Peiffer weiß, wie er wieder rauskommen kann und wie er sein Training angehen muss. "Ich mache nichts mehr, wovon ich nicht glaube, dass es mir hilft", sagt er selber, "man bekommt über Jahre die Erfahrung: Welche Einheiten haben mir gut getan und welche nicht." Das Alter, es kann auch ein Vorteil sein und der Rest ist eine Frage des Timings. "Die Hochs sind nicht mehr ganz so hoch, die Tiefs wahrscheinlich tiefer als mit 23", sagt Peiffer zur körperlichen Verfassung, "der Schlüssel ist, gerade das Hoch zu erwischen, dann ist man noch konkurrenzfähig." Das beste Beispiel dafür gibt er gerade selber.

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