Süddeutsche Zeitung

Basketballer des FC Bayern:Paul Zipser ist zurück im Spiel

Der Ex-Nationalspieler macht beim BBL-Auftakt der Bayern mehr als nur acht Punkte - er besiegt mit seinem Comeback die Geister der Vergangenheit. Nach einer Notoperation am Kopf soll er wieder zu einer Größe im Team werden.

Von Sebastian Winter

1:56 Minuten noch bis zum Ende des ersten Viertels, dann war es tatsächlich soweit. Paul Zipser lief aufs Feld, seine FC-Bayern-Basketballer führten da in ihrem ersten Saisonspiel 19:14 gegen Ulm, das sie am Ende gewannen. Größer dürfte aber zuvor das Gefühl für Zipser gewesen sein, unter dem großen Applaus der 5303 Zuschauer überhaupt wieder spielen zu dürfen.

Zu Beginn der vergangenen Saison hatte der 28-Jährige noch darauf achten müssen, dass er nicht umfällt beim Laufen, die Reha, das erste Training, es war ein unendlich lange scheinender Weg zurück, ein langsames Herantasten, mit Kurzeinsätzen, in denen Zipser noch wie ein Fremdkörper wirkte im Spiel der Bayern. Aber immerhin feierte er im vergangenen März gegen Hamburg sein Bundesliga-Comeback - 271 Tage nach dem Schock.

Im Juni 2021 war Zipser während der Finalserie des FC Bayern gegen Alba Berlin notoperiert worden, wegen einer Hirnblutung, die ein gutartiger, angeborener Tumor ausgelöst hatte. Der Profi überlebte den hochkomplizierten und riskanten Eingriff, er trug auch keine bleibenden Schäden davon, was nicht selbstverständlich war, im Herbst 2021 sagte er im FC-Bayern-Podcast: "Das war am Ohr, am Kleinhirn, schon eine beschissene Stelle. Dort sind einfach mehrere Zentren, die für verschiedene Sachen zuständig sind; bei mir war es die Koordination."

Auf wackligen Beinen kehrte Zipser zurück, eine Lungenembolie hatte er sich auch noch eingefangen nach der OP. Ein Schritt zurück, zwei nach vorne, manchmal wieder zwei zurück, so kann man seine Zeit in der Reha beschreiben. An Basketball war lange nicht zu denken. Zipser musste das Spiel neu lernen, neu denken, alleine die Koordination fiel ihm schon schwer.

Acht Punkte hat Zipser zum Sieg beigesteuert - das ist schon ein beachtlicher Erfolg

Der 2,03 Meter große Shooting Guard hat zugleich betont, dass Gesundheit nun für ihn an erster Stelle stehe, wohl auch, weil er ohnehin sensibilisiert ist in puncto Rückschlägen. 2017, in seiner zweiten NBA-Saison bei den Chicago Bulls, lief es für ihn nicht gut, er traf nicht gut, hatte wenig Spielzeit. Wie sich später herausstellte, hatte er sich wohl noch während der Saison einen Ermüdungsbruch im Fuß erlitten, mit dem er weiterspielte, weil er nicht diagnostiziert worden war.

Nun ist Zipser also wieder da, nicht nur Kurzeinsätze sind geplant, der gebürtige Heidelberger soll wieder zu einer wichtigen Größe im Bayern-Spiel werden. Ob das gelingt, steht noch in den Sternen. Wie hart die Zeit für Zipser gewesen sein muss, zeigt auch eine kürzlich getätigte Aussage von Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic: "Er wird nie wieder der Spieler werden, der er vor der OP war, aber bei ihm geht's darum, das Beste aus seinen Möglichkeiten zu machen." Zipser hat einen Monat nach seiner Operation einen neuen Drei-Jahres-Vertrag bei den Bayern unterschrieben.

Die acht Punkte, die Zipser zum aus Sicht der Münchner am Ende unnötig knappen 87:80 (39:39)-Arbeitssieg über Ulm beisteuerte,- davon sechs Freiwürfe samt 100-Prozent-Quote, außerdem ein Defensiv-Rebound - dürfen daher schon als Erfolg gelten. In einem Spiel, in dem die Bayern kurz vor der Halbzeit einen 16:1-Lauf Ulms über sich ergehen ließen, fielen der starke US-Playmaker-Zugang Cassius Winston (25 Punkte) und Nick Weiler-Babb (18) am meisten auf bei den Hausherren, aber Zipser gönnten die Fans an diesem Abend am ehesten seine Punkte.

Und sie geben Anlass zu Optimismus. Bayern-Trainer Andrea Trinchieri hatte bereits am Mittwoch vor dem Ulm-Spiel gesagt: "Paul Zipser hatte die volle Vorbereitung, er ist ein anderer Spieler als letzte Saison, die eine Saison der Regeneration und Erholung war. Es fehlen noch kleine Dinge, aber wir sind in der letzten Phase für sein Comeback."

Nachdem Trinchieri dann Zipsers Spiel gegen Ulm beobachtet hatte, schien er sich bestätigt zu fühlen: "Er war sehr stabil, in der Offensive immer am richtigen Ort. Die Gegner respektieren ihn, es ist alles da, es fehlt nur noch ein bisschen Glanz und Geschwindigkeit." Paul Zipser kann sicher sehr gut mit dieser kleinen Analyse leben.

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