Bob Hanning gibt auf: „Offen gesagt, ich bekomme das gar nicht mehr zusammen.“ Es geht um die Verletzungshistorie seines Kapitäns Paul Drux, der sich vergangene Woche im Training erneut schwer am Knie verletzt hat. Eineinhalb Jahre lang hatte Drux zuvor versucht, zu seiner Bestform zu finden. Im April vor einem Jahr war die Achillessehne gerissen, zum Jahresende war er am Knie operiert worden und hatte deshalb die Heim-Europameisterschaft im Januar verpasst. Zu Saisonbeginn hatte er dann erklärt, dass er nicht schmerzfrei spielen könne. Nun kam nach einer MRT-Untersuchung die bittere Gewissheit: „Die behandelnden Ärzte schließen eine Rückkehr in den Leistungssport aus“, sagt Hanning.
Es ist der Schlusspunkt einer nicht enden wollenden Verletzungsmisere des 127-maligen Nationalspielers Paul Drux, der nun mit 29 Jahren im besten Handballeralter seine Karriere beenden muss: „Das Ergebnis der Untersuchungen ist für mich sehr niederschmetternd, das muss ich für mich jetzt erst einmal verarbeiten“, teilt er mit. Vor zwei Tagen hat sich Hanning mit ihm bereits getroffen, um auszuloten, wie es für Drux weitergehen kann. „Er hat erst einmal noch einen Vertrag mit einer Option“, sagt der Geschäftsführer der Füchse Berlin, „wir geben Paul Zeit und werden dann gemeinsam schauen, wie wir das lösen. Wir haben überhaupt keine Hektik.“
Drux wird in den kommenden Tagen zum zweiten Mal Vater, was wenigstens temporär die trübsten Gedanken vertreiben werde, hofft Hanning. Dann stehen zwei Operationen an, bis Januar werde man „Luft holen“ und sich dann dem Thema nachhaltiger widmen.
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Bundesliga-Schlusslicht HC Erlangen verpflichtet Martin Schwalb als Trainer. Der Champions-League-Sieger soll den ambitionierten Klub nach dem Fehlstart wieder auf Kurs bringen. Seine ersten Ziele: Ruhe ausstrahlen – und die Erwartungen dämpfen.
Eines stellt Hanning sogleich klar: „Egal, was Paul machen will, wir werden ihn dabei unterstützen. Er wird immer ein Fuchs bleiben.“ Hanning hatte kürzlich laut über sein eigenes Karriereende nachgedacht, das er in vier Jahren anvisiert, Drux würde er gerne als Nachfolger sehen. Der schließt demnächst sein Bachelor-Studium der Wirtschaftsinformatik ab, man müsse sich um ihn keine Sorgen machen, findet Hanning: „Er ist ein absolut bodenständiger Typ, der in der Lebenswelt immer erfolgreich sein wird, egal, was er macht.“
Drux steht wie kein Zweiter für das Modell der Füchse, vornehmlich auf den eigenen Nachwuchs zu setzen
Natürlich würde ihn Hanning gerne weiterhin in einer Funktion in seinem Klub sehen, Drux ist so etwas wie der Parade-Fuchs. Zusammen mit Fabian Wiede war er der Erste, der aus dem Füchse-Nachwuchsprogramm, das Hanning installiert und entwickelt hat, so richtig durchstartete. Der Funktionär ist eine Art Ziehvater der beiden. Nicht nur für Füchse-Erfinder Hanning sind die gemeinsamen 14 Jahre mit vielen schönen Erinnerungen verbunden: „Einmal kam Iker Romero zu mir und beschwerte sich fürchterlich, dass der Trainer diesen jungen Kerl spielen lässt und er auf der Bank sitzt. Bis er dann sagte, dass der Trainer ja sogar recht hat.“
Der junge Kerl war Paul Drux, der Spanier Romero damals ein Weltstar, der vom großen FC Barcelona nach Berlin gewechselt war. Hanning bezeichnete Drux als „jungen Karabatic“, denn er warf sich mit einer Urgewalt in die gegnerischen Abwehrreihen und war ein exzellenter Verteidiger, ähnlich wie der einstige Welthandballer aus Frankreich. „Ein kompletter Handballer“, wie Hanning sagt. Vielleicht war es auch seine kompromisslose Spielweise, die immer wieder körperlichen Tribut in Form von Verletzungen einforderte: „Jetzt sagt sein Körper, ich kann nicht mehr“, erzählt Hanning.
Drux steht wie kein Zweiter für das Modell der Füchse, vornehmlich auf den eigenen Nachwuchs zu setzen. Er gewann mit Berlin mehrere A-Jugend-Titel, war U18- und U20-Europameister und wurde bei den Füchsen zu einem Fixpunkt im Nationalteam, wo Olympiabronze 2016 sein größter Erfolg war. Den EM-Titel kurz vorher hatte er verpasst – wegen einer Schulterverletzung. Sein letzter Erfolg war der Sieg mit den Füchsen in der EHF-European-League im vergangenen Jahr. Den Berlinern ist Paul Drux immer treu geblieben, trotz verlockender Offerten aus dem In- und Ausland, wie Hanning betont: „Paul ist ein Botschafter für unsere Sportart und unseren Verein.“ Nicht nur bei den Berliner Fans ist Drux äußerst beliebt, in der Liga und auch international wird ihm großer Respekt entgegengebracht. Die zahllosen Mitleidsbekundungen belegen das.
Andererseits gibt es im Profisport wenig Raum für Mitgefühl, zuletzt war Drux nicht mehr in der Lage, auf dem exorbitant hohen Niveau des Meisterschaftszweiten und Champions-League-Teilnehmers mitzuhalten – auch das ist Teil der Wahrheit. Und durch seinen Ausfall haben die Füchse nun eine Lücke zu füllen, vorn wie hinten einen kompletten Handballprofi zu ersetzen, wie Hanning festhält.
Man werde den Markt beobachten und reagieren, wenn „es wirtschaftlich und sportlich aber auch perspektivisch Sinn ergibt“, sagt der Geschäftsführer. Denn Hanning weiß in Christoph Beneke, 21, und Matthes Langhoff, 22, Nachwuchskräfte im Aufgebot, die fortan „in größere Rollen hineinwachsen“ müssten: „Wir haben viel Potenzial in den eigenen Reihen.“ Selbstredend entstammen die beiden Rückraumspieler der Füchse-Talentschmiede.
Trainer Jaron Siewert bedauert den Verlust „einer riesigen Identifikationsfigur, Paul war seit Beginn meiner Amtszeit Kapitän und elementarer Bestandteil der Erfolge“. Auch Siewert entstammt im Übrigen der Berliner Nachwuchsakademie, war U18-Europameister und debütierte in jungen Jahren bei den Profis – wo er mit Drux zusammenspielte. Dann entschloss er sich mangels Perspektive zu einer Trainerlaufbahn, gefördert von Bob Hanning. Ein Muster für Drux? Hanning sagt: „Wenn er das wollte, hätte er meine Unterstützung.“