Süddeutsche Zeitung

Paul Breitner wird 60:"Bei mir lief's ganz flüssig"

Paul Breitner wird 60 Jahre alt: Ob mit der "Peking Rundschau" unter dem Bild von Mao oder in Boxershorts vor einem Sportwagen - Paul Breitner polarisierte. Gern auch neben dem Platz. Der Fußballer aus Kolbermoor gehörte zu den Leitwölfen seiner Zeit - und verursachte gerne Skandale "um seine Ruhe zu haben".

Die Karriere in Bildern

Paul Breitner wird 60 Jahre alt: Ob mit der "Peking Rundschau" unter dem Bild von Mao oder in Boxershorts vor einem Sportwagen - Paul Breitner polarisierte mit seinem Auftreten. Der Spieler aus Kolbermoor gehörte zu den Leitwölfen seiner Zeit, produzierte auch gerne Skandale, "um seine Ruhe zu haben". Text: Thomas Bierling Aus seinem Geburstag macht sich Paul Breitner nicht viel: "Es bedeutet ja nichts anderes, als dass ich 60 Jahre schon ein sehr schönes Leben führen durfte." Ein Leben voller Abwechslungen, aber auch vieler Erfolge. Und einem der schönsten Fußballerbonmots: "Dann kam das Elfmeterschießen. Wir hatten alle die Hosen voll, aber bei mir lief's ganz flüssig."

Zusammen mit Uli Hoeneß, Sepp Maier, Gerd Müller und Franz Beckenbauer war Breitner für die erste sportliche Glanzzeit des FC Bayern verantwortlich. Egal ob er im Mittelfeld oder in der Abwehr eingesetzt wurde, auf den Kolbermoorer mit der Afromatte war Verlass. Sein Auftreten neben dem Platz polarisierte jedoch.

Ob durch das Posieren mit der Peking Rundschau unter einem Porträt von Mao Zedong, das eine Nähe zum Marxismus vermuten ließ, oder ein Foto in Boxershorts vor einem teuren Sportwagen - Breitner wollte nie vorhersehbar sein. "Ich habe viel Blödsinn gemacht, was mir wiederum geholfen hat, dass sich die Leute mit mir selber nicht mehr beschäftigt haben. Die haben Stoff gekriegt, ich hab Schlagzeilen geliefert, und hab dann meine Ruhe gehabt", erklärt Breitner sein Verhalten.

Rein sportlich gesehen war größte Erfolg von Paul Breitner der Gewinn der Weltmeisterschaft 1974. Er selbst hatte per Elfmeter den Ausgleich gegen die Niederlande erzielt, bevor Gerd Müller zum entscheidenden 2:1 traf. Nach dem Spiel lagen sich Trainer Helmut Schön (rechts) und Breitner in den Armen. Wenig später überwarf sich Breitner aber mit Schön, nannte dessen Assistenten Jupp Derwall einen "Linkmichl" und verkündete seinen Rücktritt aus dem DFB-Team.

Das WM-Finale in München ist für Breitner ohnehin nicht der emotionale Höhepunkt seiner Karriere. Mehr in Erinnerung blieb ihm zum Beispiel der Sieg mit dem FC Bayern gegen den Atletico Madrid im Europapokal der Landesmeister ein paar Wochen vor der WM 1974. Im Brüsseler Heysel-Stadion besiegten Breitner und seine Kollegen die Spanier im Wiederholungsspiel mit 4:0. "Rein vom Spektakel her war das unvorstellbar", sagte Breitner. 

Weltmeister, Europameister, Europapokalsieger, Meister und Pokalsieger in Spanien und Deutschland, Fußballer des Jahres - in Breitners Vita fehlt beinahe kein einziger Titel. Nach vier Jahren beim FC Bayern wechselte er 1974 für drei Millionen Mark nach Spanien zu Real Madrid, wo er zusammen mit Günter Netzer spielte (im Bild). 1977 kehrte aber wieder nach Deutschland zurück.

Zunächst wollte kein deutscher Verein die geforderte Ablösesumme von 1,6 Millionen Mark zahlen. Bis Günter Mast kam. Der Besitzer des Jägermeister-Imperiums hatte die erste Werbung auf dem Trikot einer Bundesliga-Mannschaft durchgesetzt und finanzierte den Wechsel des Bayern zu Eintracht Braunschweig. Das war eine Sensation. Die Niedersachsen waren plötzlich Geheimfavorit auf den Titel - doch das Experiment mit Breitner scheiterte. Braunschweig landete auf Platz 13 und Breitner ging zurück nach München.

Auch der FC Bayern hätte sich Breitner eigentlich nicht leisten können, doch der neue Manager Uli Hoeneß überredete den neuen Trikotsponsor, die fast zwei Millionen Mark für den Rückkehrer aufzubringen. Breitner begründete zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge (links) eine neue erfolgreiche Bayern-Ära Anfang der achtziger Jahre.

Breitner kam auch zu einem Comeback in der Nationalmannschaft. Nach dem Rücktritt von Bernd Schuster glaubte Bundestrainer Derwall, seine Mannschaft brauche den Anführer Breitner bei der WM 1982. Doch der Bayer machte sich nicht gerade um den Teamgeist verdient, die Mannschaft von 1982 kam zwar ins Finale, gilt aber als eine der unsympathischsten der DFB-Geschichte. Im Endspiel verlor Deutschland klar gegen Italien mit 1:3 (im Bild: Breitner im Laufduell mit Marco Tardelli). Dabei wurde Breitner zum erst dritten Spieler der WM-Geschichte, der in zwei Finalspielen ein Tor erzielte.

Zusammen mit Franz Beckenbauer (links) galt er als der "Führungsspieler" seiner Zeit. Ob beim FC Bayern, in Madrid oder in Braunschweig, Breitner war stets der "Leitwolf", der Kritikern wie Oliver Kahn im heutigen Fußball fehlt. Er selbst sieht das aber überhaupt nicht so. "Im heutigen Fußball ist kein Platz mehr für Typen wie mich", sagt er. "Lahm und Schweinsteiger machen es wunderbar, genauso, wie es der heutigen Generation entspricht.  Die Art, wie früher Führungsspieler mit anderen umgegangen sind, lässt sich heute niemand mehr gefallen." 

Breitner hat selbst viele Regeln revoltiert und alles hinterfragt. Trotzdem findet der ehemalige Chefkritiker auch mahnende Worte für Philipp Lahms Autobiografie: "Philipp hat schlicht und ergreifend gegen einen ungeschriebenen Kodex in diesem Geschäft verstoßen."

1983 beendete er seine aktive Karriere. Erst 23 Jahre später kehrte er in den Verein zurück, laut eigenen Angaben als "Marken-Botschafter und Repräsentant" des FC Bayern und "Berater des Vorstandes, für was auch immer". Als Berater hatte er sich auch vorher schon verstanden, jedoch in  einer Rolle, die dem FC Bayern überhaupt nicht passte: als Kolumnist in einer Boulevardzeitung. Seitdem er wieder zurück ist, müssen die Bayern keine wöchentlichen Querschüsse in der Öffentlichkeit befürchten - nur noch interne.  

Zudem wird er von den Bayern gerne als "Glücksfee" bei Auslosungen eingesetzt. Zunächst zog er stets machbare Gegner. Nur in der diesjährigen Auslosung der Champions-League-Gruppen nicht: Mit Manchester City, Villarreal und dem SSC Neapel haben die Münchner eine schwere Gruppe erwischt. "Wahrscheinlich setzen sie mich jetzt erst wieder ein, wenn sie wieder interessante Reisen haben und nicht irgendwo in den Osten fliegen wollen", nimmt es Breitner mit Humor.

Beinahe wäre er sogar Bundestrainer geworden. Nach der WM 1998, zu "Zeiten des schlimmsten Rumpelfußballs" (Breitner) sah er sich schon an der Spitze der deutschen Nationalelf. "Ich habe mich 17 Stunden als Teamchef gefühlt", sagte Breitner. Aber dann teilte er dem damaligen DFB-Präsidenten Egidius Braun mit, dass er sich zurückzieht. "Ich habe ihm gesagt, dass er mich nicht durchbringen würde beim Präsidium, weil zu viele Leute dort vor mir Angst haben."

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