Patrick Wiencek:Diesmal in der Hauptrolle

Verteidiger Patrick Wiencek ist der Anker der deutschen Mannschaft, Antreiber und Motivator zugleich.

Von Saskia Aleythe, Köln

Manche Bilder sind im Kopf so stark verankert, dass sie noch immer Gefühle auslösen, auch zwölf Jahre später. Ein Bild hat Patrick Wiencek als erstes im Kopf, wenn er an die Weltmeisterschaft 2007 denkt: wie Torhüter Henning Fritz nach dem Halbfinal-Sieg gegen Frankreich mit dem Ball durch die Halle rennt, im Jubeltaumel. "Da kriege ich heute noch Gänsehaut", sagt Wiencek. Damals war er 17 Jahre alt und hat das Ganze vom Fernseher aus verfolgt. Und nun? Ist Wiencek dabei, seine eigenen Bilder zu schaffen, mit sich selbst in einer Hauptrolle.

Privat gilt Wiencek als stiller Geselle, auf dem Handballfeld hat er begriffen, dass man als deutscher Handballer derzeit gar nicht so viel machen muss, um sich nach Belieben noch ein bisschen mehr Zuspruch vom Publikum abzuholen. Montagabend, Hauptrundenspiel gegen Kroatien, vier Minuten waren erst gespielt, doch Wiencek liebt gerade das Spiel mit den Fans: Da streckte er beide Arme seitlich von sich und wippte kräftig mit ihnen, schon wurden die Schreie lauter, das Klatschen intensiver. Wiencek ist der Anker der deutschen Abwehr, aber auch Antreiber und Motivator.

Sein großes Plus ist, dass er trotz seiner Masse extrem beweglich ist

Eine Mischung aus Ungläubigkeit und Genießen liegt auf den Gesichtern der deutschen Handballer, wenn sie die Hallen dieser WM betreten: Schon in Berlin holten sie sich die Euphorie der Zuschauer ab, die sie auch selber entfacht haben mit ihren Siegen. Und nun also Köln, was für Wiencek auch Heimatgefühle auslöst: In Duisburg wurde er geboren, spielte beim Bergischen HC, Tusem Essen und dem VfL Gummersbach, bevor er 2012 die Region für den THW Kiel Richtung Norden verließ.

Es ist eine Rückkehr zu den Anfängen seiner Karriere, und Wiencek zeigte gegen Kroatien das, was die Mannschaft zuvor auch schon stark gemacht hatte. Zusammen mit Hendrik Pekeler bildet er das Herz der Verteidigung, sie spielen ja auch in Kiel zusammen, "da braucht man nicht viel Sprache, da versteht man sich blind", sagt Wiencek. Sein großes Plus ist, dass er trotz aller benötigter Körpermasse extrem beweglich ist, schnell in alle Richtungen pendeln kann - und dabei nur selten Zeitstrafen kassiert. Abseits vom Hochhüpfen und Würfeabblocken hat der 29-Jährige außerdem einen besonderen Blick für den Ball und kann so auch mit vergleichsweise zärtlichen Mitteln die Gegner nerven. Neun Mal hatte er vor der Partie gegen die Kroaten sogenannte Steals geschafft, also dem Gegner den Ball geklaut, was in der Regel dann auch zu schnellen Toren führt. Am Montagabend trug er sich selber in die Torschützenliste ein, mit einem Wurf über das gesamte Spielfeld hinweg, als das Tor der Kroaten leer stand.

Um zu wissen, wie Wiencek tickt, ist vor allem eine Szene dieser WM im Gedächtnis geblieben: wie er sich gegen Frankreich in einen Freiwurf warf und den Ball mit dem Gesicht abblockte. Wiencek ging zu Boden, lag auf dem Rücken wie ein Käfer - und jubelte. "Wenn man einen guten Block macht, verhindert man meistens ein Tor. Dann kann man auch mal jubeln, als wenn man ein Tor gemacht hätte", findet Wiencek. Die Zuschauer machen mit, so oder so. Und als der Halbfinaleinzug fest stand, guckte Wiencek noch einmal ungläubig auf die fast 20 000 Zuschauer, die ihm zujubelten. Bilder, die bleiben.

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