2:0 in Manchester:Paris gewinnt dank Tuchels Einfällen

Manchester United v Paris Saint-Germain - UEFA Champions League Round of 16: First Leg

Gut in Form im Old Trafford: PSG-Trainer Thomas Tuchel.

(Foto: Getty Images)
  • Paris Saint-Germain gewinnt 2:0 bei Manchester United, obwohl die Angreifer Neymar und Edinson Cavani fehlen.
  • Es ist die höchste Heimniederlage in der Europapokalgeschichte des Klubs.
  • Die Leistung in Manchester dürfte Paris Saint-Germain helfen, sich weiter vom Vorurteil zu emanzipieren, in entscheidenden Spielen auf der Strecke zu bleiben.
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Von Sven Haist , Manchester

Der Mann des Spiels bei Paris Saint-Germain bekam sich vor Freude nicht mehr ein. Genauso ausgelassen wie die Spieler auf dem Platz bejubelte Thomas Tuchel die Tore seines Innenverteidigers Presnel Kimpembe und von Weltmeisterflitzer Kylian Mbappé. Schließlich war Paris vor dem Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beinahe abgesprochen worden, bei Manchester United einen Erfolg erzielen zu können. Der französische Meister musste mit dem verletzten Neymar auf den teuersten Spieler der Welt verzichten und kurzfristig den Ausfall des Mittelstürmers Edinson Cavani kompensieren. Aus dem 450-Millionen-Euro-Angriff blieb lediglich Mbappé übrig. Vermutlich hätte Paris im Nachhinein aber auch noch ohne ihn im Old Trafford gewonnen.

Das taktisch geprägte 2:0 (0:0) gegen Manchester United am Dienstagabend scheint den Verdacht aus der Gruppenphase der Champions League zu bestätigen, dass Paris einzig und allein auf Thomas Tuchel mit seinen Einfällen wirklich angewiesen ist. Mit seinem Analyseteam tüftelte er ein Vorgehen aus, das seinen norwegischen Kollegen Ole Gunnar Solskjær am Seitenrand aussehen ließ wie einen, der gerade, nun ja, sein Premierenspiel in der Champions League coachte. Die erste verlorene Partie für Solskjær nach zehn Siegen in elf Pflichtspielen stellt für Manchester United die höchste Heimniederlage im Europapokal dar. Der englische Rekordmeister unterlag nie zuvor in seiner Historie zu Hause einem Gegner um mehr als einen Treffer.

Die Ausgangslage vor dem Rückspiel in der französischen Hauptstadt in drei Wochen führt die Hoffnung bei United aufs Weiterkommen geradezu ad absurdum. Dabei wollte sich der Verein in Anwesenheit der Legenden Bobby Charlton, Alex Ferguson, David Beckham, Laurent Blanc und Ryan Giggs mit einem vorzeigbaren Ergebnis in der europäischen Spitzengruppe zurückmelden.

Seit dem verlorenen Finale 2011 im Wembley gegen den FC Barcelona scheiterte Manchester in den vergangenen acht Jahren jeweils spätestens im Viertelfinale der Königsklasse - und daran wird sich in dieser Saison voraussichtlich nichts ändern. "Paris war heute ein Level über uns. Das zweite Tor war fantastisch, das muss man anerkennen", sagte Solskjær: "Wir dürfen uns jetzt nicht selbst bedauern. Das Spiel war ein Augenöffner." Am meisten wohl für Solskjær selbst. Weil ihm offengelegt wurde, woran er zu arbeiten hat, um eventuell mal das zu schaffen, was ihm als United-Spieler 1999 gelang: der Gewinn des Triples.

Im Gegensatz zu Paris, das auf verschiedene Strategien zurückgreifen kann, je nachdem welche Spieler zur Verfügung stehen, lehnte sich ManUnited zuletzt einfach an Paul Pogba an, den besten Spieler im Aufgebot. Eine Abhängigkeit, auf deren Grundlage Tuchel seine Siegformel entwickelte, weil er wusste, dass United ein alternativer Spieler zu Pogba im Mittelfeld fehlt, der den Ball zielgerichtet nach vorne passen kann. Als Manndecker für Pogba opferte sich der gewiefte Marquinhos, der dem französischen Ausnahmespieler nach alter Schule auf dem Platz überallhin folgte. Nur einen Schuss aufs Tor brachte United zustande, der niedrigste Wert in der Champions League im Old Trafford seit Februar 2005.

Paris Saint-Germain nutzt die Ungeduld von ManUnited

Um sich aus der Einengung zu befreien, hätte sich Pogba entweder auf die Seiten begeben oder Solskjær die Formation abändern müssen. Weder das eine noch das andere passierte allerdings, nicht mal nach dem Rückstand. Die Statistik wies Pogba mit lediglich 55 Ballberührungen und 31 Pässen aus, den jeweils wenigsten unter Solskjær. Dazu sprang er beim ersten Gegentor nach einem Eckball minimal unter der Flanke hindurch, den nächsten Treffer leitete er unfreiwillig mit einem Ballverlust ein. So verlor Pogba im Verlauf des Spiels zunehmend die Nerven: Ausholbewegung mit der Hand ins gegnerische Gesicht (22.), gelbe Karte nach Beinstellen bei Marco Verratti (26.), gelb-rote Karte nach Frustfoul an Dani Alves (89.).

Durch den Platzverweis fehlt Pogba im Rückspiel gesperrt. Beim Abgang tätschelte ihm Kimpembe mitfühlend den Kopf, mit verschränkten Armen dagegen schaute Tuchel hinterher - spätestens da dürfte ihm bewusst geworden sein, welcher Coup ihm mit seinem Spielplan mal wieder gelungen ist. "Wir sind erst bei Halbzeit dieser Paarung angelangt, müssen bereit sein für den zweiten Durchgang", mahnte Tuchel trotz des Vorsprungs: "Die können genauso in Paris gewinnen wie wir hier."

Ungeachtet des Risikos nach einem Ballverlust ausgekontert zu werden, forderte Tuchel seine Mannschaft ununterbrochen auf, das Spielgerät am Boden zirkulieren zu lassen. Ihm war aufgefallen, dass speziell Ander Herrera im Mittelfeld bei United dazu neigt, überstürzt auf den Ballführenden loszurennen, wodurch Pogba und Nemanja Matić als Nebenleute gezwungen werden, den Bereich dahinter abzusichern oder im selben Stil herauszurücken. Bei der Entstehung des Eckballs zur Führung durch Kimpembe (53.) - der achte Torschütze für PSG im Wettbewerb - verspekulierte sich just Herrera mit seiner Attacke, die PSG den entscheidenden Freiraum gewährte.

Der zweite Treffer entsprang wiederum demselben Muster: Ballverlust von Pogba, den Herrera zu schnell und zu hektisch gutmachen wollte. Über mehrere Pässe kombinierten ihn die Pariser aus, dasselbe galt für den aufrückenden Matić - während die Abwehrreihe zu weit hinten stand, aus Sorge von Mbappé überlaufen zu werden. Von diesem Freiraum profitierte Ángel Di Maria, der mit seiner Vorlage für Mbappé (60.) den zweiten Assist gegen seinen ehemaligen Verein lieferte. Entgegen kam Paris, dass Manchester United in der zweiten Hälfte offensiver stand, obwohl es die Angreifer Jesse Lingard und Anthony Martial wegen Muskelverletzungen auswechseln musste.

In Manchester Uniteds Ungeduld im eigenen Stadion vorlegen zu müssen, ergab sich für PSG mehr freie Spielfläche in der Offensive - die überragenden Strategen Verratti und Marquinhos nutzten das mit ihrer Ballsicherheit aus. Die Leistung in Manchester dürfte Paris Saint-Germain helfen, sich weiter vom Vorurteil zu emanzipieren, in entscheidenden Spielen auf der Strecke zu bleiben - und von der Annahme, dass ohne Neymar gegen die internationale Konkurrenz nichts zu holen sei.

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