Paris Saint-Germain:Sehnsucht nach Leichtigkeit

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Zlatan Ibrahimovic trifft nur noch selten das Tor für PSG. (Foto: REUTERS)
  • Beim 4:2 von Saint-Germain gegen Evian erlebt Paris das erste Fußballmatch nach den Terroranschlägen.
  • Auf dem Klub lastet aber nicht nur deshalb eine merkwürdige Müdigkeit.
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Von Oliver Meiler

Manchmal dienen Schweigeminuten auch der kollektiven Selbstaufmunterung, mehr noch als der Trauer. Als der Sprecher im Prinzenpark-Stadion am Sonntag vor dem Meisterschaftsspiel Paris Saint-Germain gegen Evian zum Gedenken an die 17 Terroropfer von Paris aufrief, applaudierten alle - anstatt zu schweigen. Das ganze Stadion. Spontan. Und die Minute war nach 15 Sekunden auch schon vorbei, als sehne man sich nach Normalität, nach Leichtigkeit, nach Spiel. Es war die erste Begegnung in Paris nach dem Terror, begleitet von massiven Sicherheitsvorkehrungen, wie sie nun überall im Land das Leben takten. PSG, seit 2011 im Besitz eines staatlichen Investmentfonds aus Katar, gewann gegen das finanziell bescheiden dotierte Evian, 18. der Tabelle, mit Mühe 4:2. Für Freude und Ruhe ist es noch zu früh, in jeder Hinsicht.

Vor einer Woche, bei der Auswärtsniederlage von Paris gegen den abstiegsgefährdeten SC Bastia, hing in der Osttribüne des Stadions Furiani ein polemisches, viel diskutiertes Spruchband der korsischen Fans: "Katar finanziert PSG . . . und den Terrorismus", stand da. Offenbar hatten die Fans die Banderole schon vor den Terroranschlägen gemalt. Zeigen wollten sie diese dann aber doch, als passte sie nun umso besser. Die These, wonach Katar radikale islamistische Gruppen unterstützt, ist nicht neu. Belegt ist sie nicht. Die Franzosen erinnern sich nun aber daran, dass schon Charlie Hebdo gerne Katar, PSG und den Terrorismus zusammenbrachte.

Es rächt sich gerade, dass da ein Team ohne Verbundenheit zum Ort herangezogen wurde

Im September 2014 twitterte die Satirezeitung: "Haben Sie Angst vor einem Terroranschlag in Paris? Dann suchen Sie Zuflucht bei PSG, dem einzigen Ort, den die Dschihadisten sicher nicht angreifen werden, denn auch sie erhalten ihr Geld aus Katar." Satire. Sie soll ja alles dürfen.

Es kommt gerade viel zusammen in Frankreich, viel Verwirrung und Ungewissheit. Fußball wäre da nur ein Nebenschauplatz, wenn er nicht auch politisch wäre - zumal in Paris. Auf dem Verein lastet eine merkwürdige Müdigkeit, auch sportlich. Als forderte der fiebrige, mit vielen Ölmillionen erkaufte Aufstieg schon seinen Tribut. Der Glanz ist weg, ebenso der Nimbus der vermeintlichen Unschlagbarkeit.

In 21 Meisterschaftsspielen hat PSG schon zehn Mal unentschieden gespielt und zwei Mal verloren. Plötzlich traut sich jeder Gegner zu, Paris zu schlagen. Trotz der Stars. Trotz der schier unbegrenzten Möglichkeiten. Trotz der Ambition, dem nationalen Fußballgeschäft zu entwachsen und eine fixe europäische Größe zu werden. In punkto Umsatzzahlen ist man schon ganz oben dabei: rund 500 Millionen Euro, ein beträchtlicher Teil davon kommt von der Qatar Tourism Agency, dem Hauptsponsor. Der Verein PSG (und die Stadt Paris natürlich) sollen Katar als fußballerisches Schaufenster im Westen dienen, als "amuse-bouche" für die kontrovers diskutierte WM 2022 im eigenen Land. Die VIP-Logen im Parc des Princes wurden renoviert, die Eintrittspreise erhöht, das Logo so entrümpelt, dass der Eiffelturm klarer sichtbar ist. Eine Rundumverschönerung. Nicht auszudenken, was wäre, wenn man dieses Jahr nicht nur den französischen Titel verlöre, sondern schon im Achtelfinale die Champions League verlassen müsste. Es geht gegen Chelsea.

Es rächt sich gerade, dass da ein Team "hors sol" herangezogen wurde, künstlich, ohne Erdung und emotionale Verbundenheit zum Ort und seiner fußballerischen Geschichte. Oft steht nur ein einziger Franzose, der Mittelfeldspieler Blaise Matuidi, in der Startelf. Vielen Akteuren fehlt es am festen Engagement, die meisten - so ein beliebter Vorwurf - scheinen mit der Pflege ihres Egos beschäftigt zu sein.

Als Zlatan Ibrahimovic, Thiago Silva und Thiago Motta, um nur diese drei stattlich vergüteten Stars zu nennen, nach Paris kamen, hing noch so etwas wie Pioniergeist über allem. Frankreichs Ligue 1 ist ein bisschen Fußballprovinz, im gefühlten Klassement der bedeutendsten Ligen Europas steht sie an fünfter Stelle. Als sogenannter Weltstar kommt man da nicht einfach so hin, wenn man auch in England oder Spanien spielen könnte. Doch das Geld stimmte. Und die Stadt ist schön und glamourös und voller Boutiquen: Die Damen der Herren folgten gerne. "Ibra" wurde zum sportmedialen Totalphänomen, zu einem Top- und Popstar. Seiner offenen Selbstüberschätzung, die ja hoffentlich mit ebenso viel Selbstironie inszeniert ist, konnte der Schwede kritiklos frönen.

Auch Thiago Silva bleibt hinter den Erwartungen des Vereins zurück. (Foto: REUTERS)

"Glaubst du an Jesus?", soll er seinen nervösen Trainer vor einem wichtigen Spiel gefragt haben, und als der bejahte, sagte er: "Dann glaubst du ja an mich."

Nun, "Jesus" strahlt gerade nicht so sehr. Er ist jetzt 33, eine Ferse schmerzt, er trifft nicht mehr so oft. Auch gegen Evian gelang ihm kein Tor. Es macht den Anschein, als drücke die Provinz nun doch auf Gemüt und Motivation: Guingamp, Lorient, Reims, Metz, Bastia. "Ist Zlatan noch Zlatan?", fragte gerade Le Parisien.

Auch Motta und Silva drehen Runden im eigenen Schatten, lustlos und entzaubert. Den jüngeren Kameraden Lucas Moura, Marco Verratti und Javier Pastore fehlt es noch an Substanz und Konstanz, um die wankenden Pfeiler zu stützen. Für Aufregung sorgen auch verlässlich zwei Herrschaften aus der Offensivabteilung, die ihren Weihnachtsurlaub in der fernen Heimat unerlaubt verlängert hatten: Der Argentinier Ezequiel Lavezzi und der Uruguayer Edinson Cavani ließen das Trainingslager in Marokko ausfallen, um, wie sie sagten, etwas mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Sei doch normal. Viel Verständnis gab es dafür nicht.

In der Wahrnehmung der alten PSG-Fans ist das Team ein Söldnerhaufen ohne Führung

Der Verein strafte sie mit Spielsperren und Geldbußen: 91 000 Euro für Lavezzi, 141 000 für Cavani. Hört sich nach viel an, macht bei beiden aber nicht einmal ein Wochensalär aus. Gegen Evian durften Cavani und Lavezzi erst in der zweiten Halbzeit ein bisschen mittun. Sie suchen offenbar nach neuen Arbeitgebern. Und der Verein wäre wohl auch dankbar, wenn sie gingen: Neues Personal, so will es das Financial Fairplay der Uefa, gibt es nur, wenn altes geht. Kaufen, verkaufen. In der Wahrnehmung der alten, pre-katarischen PSG-Fans ist das Hors-sol-Team ein Söldnerhaufen ohne Führung.

Viel Kritik bekommt deshalb auch Laurent Blanc ab, der Trainer. Zu seinen aktiven Zeiten nannte man den Abwehrchef der französischen Nationalmannschaft "Le Président". So souverän war er, so gesetzt im Gestus. Nun heißt es, Blanc lasse sich von den Stars an der Nase herumführen. Wahrscheinlich haben die Spieler nie vergessen, dass ihr Trainer nach dem Wechsel von Carlo Ancelotti zu Real Madrid nur vierte oder fünfte Wahl der Katarer gewesen war. Blancs Autoritätspolster war von Anfang an nie sehr dick, es zerfaserte mit der Zeit vollends. Thiago Silva sagte unlängst: "Der Coach ist sehr nett mit uns, vielleicht zu nett." Das ist umso problematischer, als PSG seit dem Weggang des Brasilianers Leonardo, einer alten Vereins-Ikone, auch keinen Sportdirektor mehr hat. Und vom katarischen Präsidenten des Vereins, dem ehemaligen Tennisspieler Nasser al-Khelaïfi, erwartet niemand besonderes fußballerisches Fachwissen. Der 41-Jährige steht den Spielern sehr nahe, man ist Kumpel.

In jüngerer Vergangenheit soll es aber vorgekommen sein, dass al-Khelaïfi laut wurde mit den Stars - ein bisschen wenigstens. Hören sollte man die Schelte vor allem daheim, am Golf. Die Geduld des Emirs hat nämlich Grenzen. Man will ja hinauf in die absolute europäische Elite, möglichst schnell, auch ohne Wurzeln.

© SZ vom 19.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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