Paris Saint-Germain:Draxler ist das Opfer der Rochade

Paris Saint-Germain: Hat in dieser Saison erst fünf Minuten für Paris spielen dürfen: Julian Draxler.

Hat in dieser Saison erst fünf Minuten für Paris spielen dürfen: Julian Draxler.

(Foto: AFP)
  • Der Brasilianer Neymar hat bei Paris St. Germain den Platz von DFB-Spieler Julian Draxler eingenommen.
  • Draxler hat in dieser Saison erst fünf Minuten spielen dürfen - in der WM-Saison dürfte weder ihm noch dem Bundestrainer diese Situation gefallen.
  • Angeblich erforschen seine Berater den Markt nach Interessenten - Berichte dazu sind unbestätigt geblieben, aber nicht unglaubhaft.

Von Philipp Selldorf

Während die Fußballwelt darüber rätselt, ob Paris St. Germain tatsächlich den neuen Sturm-Giganten Kylian Mbappé kaufen wird und welche immensen Auswirkungen dieser Vorgang auf die internationalen Märkte von Timbuktu bis Konstantinopel haben könnte, hat sich der Verein aus der französischen Hauptstadt heimlich an einen alten Torwart rangemacht. PSG habe die Zusage von Pepe Reina, 34, erhalten, meldete Sky Italia am Donnerstag, wenngleich die Gazzetta dello Sport ergänzte, der SSC Neapel lehne es ab, den ehemaligen Ersatzmann des FC Bayern gehen zu lassen. Außerdem verriet das rosa Blatt noch, PSG sei nicht zufrieden mit seinen aktuellen Torhütern, dem Deutschen Kevin Trapp und dem Franzosen Alphonse Aréola.

Klingt nach einer alarmierenden Nachrichtenlage für Trapp, zumal ihm in den vier Saisonspielen seines Klubs jedes Mal ein Platz auf der Ersatzbank zugewiesen wurde, doch Jörg Neubauer macht keinen beunruhigten Eindruck. Trapps Manager stellt erst mal fest, er habe "keine Ahnung, ob die wirklich Pepe Reina verpflichten wollen", und er ist auch nicht interessiert daran, den Wahrheitsgehalt der Sache zu untersuchen ("es ist eins der 1000 Gerüchte, die derzeit umherschwirren"). Er sagt es so: "Wir beschäftigen uns erst dann mit den Dingen, wenn wir wissen, dass etwas Relevantes passiert ist."

Eine gesunde Geisteshaltung ist das. In einem Klub wie Paris St. Germain, der neben sportlichen auch von politischen Interessen getrieben und von sehr viel Geld bewegt wird, sind die Tage vor dem Schließen der Wechselbörse eine Phase der größtmöglichen Ungewissheit. Das muss auch Trapps Kollege Julian Draxler, 23, erfahren. Als er im Juni als Kapitän das Nationalteam durch den Confed Cup führte, sah er sich noch als Angestellter eines Fußballklubs, der zwar in einer Weltstadt zu Hause ist, aber nicht in einer Liga von Weltrang.

Draxler schoss zehn Tore in 25 Partien

Die französische Ligue 1 sei noch nicht auf dem Stand der Premier League und der Bundesliga, "das kann man nicht vergleichen", sagte Draxler. Zu groß sei das Wettbewerbsgefälle hinter den besseren Klubs. Gemeint waren damit auch Vereine wie der Paris-Gegner an diesem Freitagabend, AS St. Etienne, der in der vorigen Saison 37 Punkte Rückstand auf PSG hatte und trotzdem noch der oberen Mittelklasse der Liga angehört.

Damals konnte Draxler nicht ahnen, dass seinem Arbeitgeber die ungleichen Verhältnisse in der Ligue 1 ebenso egal sind wie der Bestandsschutz für seinen im Januar für mehr als 40 Millionen Euro erworbenen Spieler. Draxler hatte nach dem Wechsel aus Wolfsburg schnell seinen Platz gefunden neben dem Uruguayer Edinson Cavani, dem Argentinier Angel Di María und dem Brasilianer Lucas. Er bestritt 25 Partien und schoss zehn Tore.

Jetzt allerdings hat PSG einen weiteren Brasilianer verpflichtet, einen Mann namens Neymar Junior, mit dem Draxler sicher auch gut zusammenspielen könnte - wenn der neue Kollege nicht seinen Platz eingenommen hätte. Wie Draxler pflegt Neymar als offensiver Tempodribbler und Tiefenläufer von der linken Seite ins Zentrum zu ziehen.

L'Equipe berichtet über Kontakt zum FC Bayern

Zwar sind ständige Flügel- und Positionswechsel im System des Trainers Unai Emery inbegriffen, in die erste Elf hat es Draxler aber nicht mehr geschafft: Fünf Minuten hat er bisher mitspielen dürfen. Insgesamt. Viel zu wenig auch in einer Saison, die durch die WM in Russland gekrönt wird. Am Dienstag ruft Jogi Löw die Nationalmannschaft zu den WM-Qualifikationsspielen in Tschechien und gegen Norwegen zusammen. Draxler, beim Confed Cup zum besten Spieler des Turniers gekürt, wird dabei sein, doch dem Bundestrainer kann es auf Dauer nicht gefallen, wenn sein Linksaußen im Verein nicht mehr zum Einsatz kommt.

Draxler ist Opfer der Rochade, die fern von Paris beschlossen wurde

Draxler hat ein paar Fehler gemacht, um seine Karriere voranzutreiben, aber für den aktuellen Karriereknick kann er nichts. Er ist das Opfer einer Rochade, die in arabischen Herrschaftshäusern beschlossen wurde. Der Kauf Neymars ist das Ergebnis der globalen Strategien, die das Emirat Katar - der Besitzer von PSG - entwickelt hat. Dass auch Mbappé der Sturmreihe von PSG zugefügt werden soll, macht Draxlers Stammplatz-Aussichten nicht besser.

Berichte, dass seine Berater den Markt nach Interessenten erforschen, sind unbestätigt geblieben, aber nicht unglaubhaft. Zuletzt hieß es in L'Équipe, auch dem FC Bayern sei Draxler zur Übernahme angeboten worden. Daraufhin erklärte Berater Roger Wittmann, sein Mandant fühle sich in Paris wohl, "ein Wechsel ist kein Thema". Das kann man für wahr halten, muss man aber nicht: Aus Draxlers Situation ergibt sich der Handlungsdruck von selbst. Auch PSG ist mit Rücksicht auf Uefa-Vorschriften nicht ganz frei. Den Wunsch des FC Barcelona, Di María zu kaufen, soll Paris abgelehnt und dafür Draxler offeriert haben. Barcelona lehnte angeblich ab.

Was zu alldem in gewöhnlich besser informierten Kreisen erzählt wird, ist wenig. Beim FC Bayern herrscht Schweigen, andere geben zu, nicht die leiseste Ahnung zu haben. Den Kreis der Vertrauten um sich hat der Nationalspieler eng gezogen - als öffentliche Figur hat er schlechte Erfahrungen gemacht. In Schalke ließ er sich vom Verein als kommender Superstar vermarkten, das hat ihm später oft geschadet; in Wolfsburg benutzte man ihn als Sündenbock und Mittel zur Vereinspolitik - wozu er allerdings mit seinem Verhalten eingeladen hatte. In Paris schien er endlich seinen Aufbruch in die große internationale Karriere zu verwirklichen. Womöglich muss er nun schon wieder den nächsten Umweg nehmen.

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