Paris Saint-Germain:Angst vor großer Langeweile

Paris Saint-Germain: Berühmte Tribünengäste: Gegen Liverpool ist der Einsatz von Neymar (links) und Kylian Mbappé fraglich.

Berühmte Tribünengäste: Gegen Liverpool ist der Einsatz von Neymar (links) und Kylian Mbappé fraglich.

(Foto: Franck Fife/AFP)

Während der Verein die heimische Liga dominiert, steht gegen Liverpool der Einzug ins Achtelfinale auf dem Spiel.

Von Sven Haist, Paris

Das Freizeitprogramm in Paris kann sich sehen lassen. Doch der Reiz am Anblick der Sehenswürdigkeiten, ob Louvre, Arc de Triomphe oder Eiffelturm, besteht in seiner Seltenheit. Sobald die Attraktionen einmal zum Alltag gehören, fällt einem bei Langeweile selbst in Paris die Decke auf den Kopf. Zumal wenn man nicht als Historiker in der französischen Hauptstadt tätig ist, sondern als Fußballprofi bei Paris Saint-Germain.

Die Sorge, bei einem vorzeitigen Kollaps in der Champions League mangels sportlicher Herausforderung für den Rest der Saison vor Eintönigkeit nicht mehr weiter zu wissen, soll den Spielern nun Beine machen gegen den FC Liverpool. Bei einer Niederlage am Mittwoch im Prinzenpark droht PSG erstmals, seitdem der Staatsfond Qatar Sports Investment im Mai 2011 für 130 Millionen Euro die Kontrolle über den Klub übernahm, der Spielstopp in Europas prestigeträchtigstem Wettbewerb schon in der Gruppenphase. Eine Herabsetzung in die Europa League als Dritter wäre dabei ähnlich demütigend wie die Aussicht, als Tabellenletzter international gar nicht mehr mitwirken zu dürfen. Denn die heimische Ligue 1 taugt nicht zum Zeitvertreib: Nach 14 Siegen in 14 Spielen läuft das Ligaprogramm für den Spitzenreiter und Vorjahresmeister mehr denn je nebenher.

Um in der Champions League, dessen Henkelpokal sich der Emir in Katar so sehr wünscht, nicht früh auszuscheiden, sondern sie zu gewinnen, hat der aus Doha finanzierte Verein in den vergangenen sieben Jahren circa eine Milliarde Euro versenkt, in Ablösezahlungen für neue Spieler. Von diesen Profis sind manche schon wieder weg (David Beckham, Zlatan Ibrahimovic), einige noch da (Edinson Cavani, Ángel di María, Thiago Silva) und andere erst vor kurzem gekommen (Neymar, Kylian Mbappé). Allerdings kommt es jetzt, just beim Grande Finale, für PSG statt auf die kostspieligen Zugänge eher auf Thomas Tuchel an, den deutschen Trainer, der im Sommer nach seinen Stationen bei Mainz und Dortmund ablösefrei nach Paris gekommen war. In der bisherigen Spielzeit müht sich Tuchel, in der Mannschaft von PSG wieder eine Struktur aufzubauen, die auf mehr gründet als bloß auf den ewigen Geldsünden der Katarer.

Die Verpflichtungen des brasilianischen Ballkünstlers Neymar (222 Mio. Euro), der als Wochengehalt eine Million Euro abräumen soll, und des französischen Weltmeisterflitzers Mbappé (180 Mio.) haben das Teamspiel in Paris seit anderthalb Saisons quasi außer Kraft gesetzt. Der erhöhte finanzielle Einsatz der Leute um Klubpatron Nasser Al Khelaifi erfolgte nach der Niederlage im Achtelfinal-Rückspiel der Königsklasse im Frühjahr 2017, als Paris das Weiterkommen mit einem 1:6 in Barcelona verspielt hatte und dem Team danach kein Fortschritt mehr zugetraut worden war. Dabei hatte das 4:0 aus dem Hinspiel noch als Vorzeigeleistung schlechthin gegolten. Damals brillierten Cavani, di María und Julian Draxler im Angriff einer Mannschaft, der nicht erklärt werden musste, dass es erfolgversprechender ist, auf dem Platz zusammen und nicht alleine zu spielen.

An den Habitus bei Neymar und Mbappé, sich jeweils für den Oscar des Weltfußballs zu halten, scheinen sich die Mitspieler inzwischen gewöhnt zu haben. Jetzt ist die Frage: Können sie auf höchstem Niveau auch ohne ihre Ausnahmekicker noch mithalten? Die Vereinschefs sind offenbar überzeugt, dass Neymar und Mbappé mit ausreichend Toren schon dafür sorgen werden, dass PSG die entscheidenden Spiele gewinnt. Bloß war dies halt bislang nicht zu beobachten, gegen Neapel reichte es in beiden Partien zu Unentschieden. Am Dienstag vor einer Woche gab es nun um den Klub einen Aufschrei, als sich Neymar an den Adduktoren und Mbappé an der Schulter verletzten, jeweils während sie mit ihren Nationalmannschaften unterwegs waren. Gegen Liverpool sollen beide mitwirken.

Aber sind sie auch fit? Dieser sogenannte schwarze Dienstag würde in einen schwarzen Mittwoch übergehen, sofern es Tuchel nun nicht gelingt, aus seinem Sammelsurium an Taktiken eine Strategie auszuwählen, die - im Trainerduell mit Jürgen Klopp - den Vorjahresfinalisten in die Knie zwingt. Beim 2:3 im Hinspiel in Liverpool hatte Tuchel die Auftaktniederlage mit einem Formationswechsel fast noch abwenden können. Seitdem hat er seinen Handlungsspielraum vergrößert: mit einer Dreierkette, der Rückkehr des am Kreuzband verletzten Rechtsverteidigers Dani Alves und dem Fördern des aus der Pariser Jugendakademie stammenden Außenspielers Moussa Diaby, 19.

Als lästigen Begleiter schleppt Paris Saint-Germain seit Jahren allerdings ein labiles Gemüt mit sich herum, das immer zutage tritt, wenn es darauf ankommt. Dem viermaligen Scheitern hintereinander im Viertelfinale folgte das zweimalige Aus im Achtelfinale. Ein neuerliches Scheitern hätte die Konsequenz, dass der nächste Anlauf auf den europäischen Thron eine Wartezeit von einem Dreivierteljahr nach sich ziehen würde. Zur Überbrückung der Pause müsste Tuchel in Paris dann wohl zum Stimmungsmacher werden, um seine Spieler bei Laune zu halten. Und wer Thomas Tuchel bei seinen Analysen zuhört, weiß, dass er kaum etwas weniger schätzt als das: den Animateur zu geben.

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