Tuchel und Paris Saint-Germain:K.-o.-Spiel in der Kloschüssel

Tuchel und Paris Saint-Germain: Paris-Trainer Thomas Tuchel.

Paris-Trainer Thomas Tuchel.

(Foto: AFP)
  • Paris Saint-Germain droht an diesem Dienstag beim SSC Neapel das frühe Aus in der Champions League.
  • Trainer Tuchel könnte dann das einzigartige Schicksal widerfahren, dass er bei Paris rausfliegt, obwohl er die Meisterschaft mit seiner Mannschaft bisher total dominiert.

Von Oliver Meiler, Neapel

Es gibt Stadien, die tragen ihre Hässlichkeit, ihre abschreckende Unwirtlichkeit mit Stolz. Das Stadion San Paolo von Neapel, draußen in Fuorigrotta, ist so eines: mehr Schwitzbude als Galatempel, im Besitz der Stadt. Auch nach dem jüngsten "Restyling", wie sie das in Neapel nennen, ist das San Paolo eine Arena wie aus einer anderen, kommerzloseren Zeit. Sympathisch unmodern, aber eben nicht sehr schön. Der Präsident des SSC Napoli, der römische Filmproduzent Aurelio De Laurentiis, der das Stadion bei der Gemeinde teuer mieten muss, nennt es recht unumwunden "un cesso", was hier zur Wahrung der Eleganz mit "Klo" übersetzt sei.

An diesem Dienstagabend gastiert die blasierte Königsklasse in der Kloschüssel. Das San Paolo erwartet einen Verein, der mit aller Macht versucht, Fußball mit Glamour zu verbinden und seine Stars dafür auch schon mal auf den Pariser Laufsteg schickt: das finanziell aufgepumpte und aufgeblasene Paris Saint-Germain. Dem Emir aus Doha, der den Klub vor sieben Jahren kaufte, ging es immer darum, in Europa groß zu sein, damit Katar mitglänzt und eine Adresse wird. Softpower nennt man das. Maximal fünf Jahre Zeit hatte sich der Emir einmal gegeben, um sich mit PSG ganz oben in Europa zu etablieren.

Für prominentes Personal gab er so viel Geld aus, dass es alle Regeln des Financial Fairplay sprengte. Aber er kam damit durch, weil, nun ja, sich offenbar immer hohe Fußballfunktionäre finden lassen, die sich von den Sirenen des Golfs bezirzen lassen. Zwei der fünf weltbesten Fußballer der Gegenwart, der Brasilianer Neymar und der Franzose Kylian Mbappé, spielen für Paris - nicht etwa, weil es da im Alltag besonders viel Spaß machen würde, Fußball zu spielen. In der nationalen Meisterschaft, der nicht sehr hoch notierten Ligue 1 , spielt PSG nur gegen sich selbst. In der laufenden Saison steht der Topfavorit nach zwölf Spieltagen noch ohne Punktverlust da: zwölf Siege, 36 Zähler. Tordifferenz plus 34. Der Zweitplatzierte hat elf Punkte Rückstand, und der Winter hat noch nicht mal begonnen.

Fordert die Ligue 1 die Überflieger zu wenig?

Nein, Neymar, Mbappé & Co. spielen bei PSG, weil sie da verrückt viel Geld verdienen und die Ambition des Emirs teilen. Sie wollen unbedingt über Frankreich hinauswachsen. In der Champions League.

Die Frist der fünf Jahre ist schon lange abgelaufen, weiter als ins Viertelfinale der Champions League hat man es noch nie gebracht. Nun aber spielt Paris am Dienstagabend in Neapel bereits in der Gruppenphase gegen die Einmottung. Okay, die Gruppenauslosung war nicht eben barmherzig, aber welch Selbstbewusstsein steckt doch im Motto: "Ici, c' est Paris." Verliert das Team gegen das Napoli des gemütlichen Kollegen Carlo Ancelotti, nachdem es bereits zum Auftakt beim FC Liverpool von Jürgen Klopp 2:3 verloren hatte und das Heimspiel gegen Neapel nur 2:2 ausgegangen war, dann verpufft der Pariser Traum wohl auch für diese Saison. Diesmal früher denn je, bereits vor der K.-o.-Phase.

Man kann sich dann fragen, ob der Emir nicht plötzlich genug haben könnte. Fragen kann man sich auch, ob dem deutschen Trainer Thomas Tuchel dann das einzigartige Schicksal widerfahren würde, dass er bei Paris rausfliegt, obwohl er die Meisterschaft mit seiner Mannschaft bisher dominiert, wie das kein Verein in einer größeren Liga jemals getan hat.

In Europa aber wird Tuchel von seinen Besten bisher im Stich gelassen. Die Sportzeitung L'Équipe schreibt, der viel gelobte Sturm mit Neymar, Mbappé und Edinson Cavani sei in Spielen gegen große Gegner "besorgniserregend ineffizient". Gut möglich, dass die Ligue 1 die Überflieger zu wenig fordert, sie gar in falscher Selbstüberzeugung wiegt. Dazu kommt, dass Tuchel seine Stars hofiert.

Tuchels vorbeugende Nähe zu den Topspielern wird kritisiert

Die Zeitung Libération findet, er herze sie immer einen Tick zu innig, seine Hand bleibe immer eine Sekunde zu lang auf den Rücken der Spieler liegen, in den Trainings werde viel und aufdringlich gelacht. "Das ist kein Fußball mehr", schreibt die Zeitung bissig, "das ist schon offenes Geflirte." Tuchel beugt aber wohl vor. Sein Vorgänger Unai Emery, der nun den FC Arsenal coacht, hatte nach seinem Weggang gesagt, Neymar und Kollegen hätten ihn schlicht ignoriert. Das soll Tuchel nicht passieren. Nach außen lobt er seine Spieler stets überschwänglich - in zusehends besserem Französisch, das ist eine halbe Lebensversicherung.

Aber eben: Sollte Paris im rauen Klima des San Paolo verlieren, stünde wahrscheinlich wieder alles zur Diskussion.

Vom Rand der Kloschüssel, hoch oben neben der Curva B, Reihe 25, Sitz 18, Distinti Superiore, hört man den lauten Sprecher des Klubs nicht: Daniele "Decibel" Bellini ist ein Star, er filmt sich gerne selbst bei der Arbeit, damit dann auch die Fans auf Youtube etwas davon haben. Doch im flachen, weit ausladenden Stadion verliert sich der Sound. Bildschirme gibt es im San Paolo auch keine, nur eine schmale Leuchttafel auf halber Höhe der Tribüne. Wer also wissen will, wer da unten gerade spielt, der sollte besser sehr gut sehen oder sich anders zu helfen wissen. Die Leichtathletikbahn, die sich um den Rasen windet, hilft natürlich nicht.

Buffon feiert eine kleine Rückkehr

Es ist schon lange her, dass das San Paolo mal voll war, obwohl Napoli seit einigen Jahren den schönsten Fußball im Land spielt: wirblig schnell und lustvoll. Der geringe Zuschauerzuspruch liegt daran, dass De Laurentiis die Kartenpreise stark erhöht hat. An diesem Dienstag aber ist alles anders, das Stadion endlich wieder ausverkauft. In den Kurven werden Fahnen mit dem Konterfei des Allzeitheiligen des Vereins hängen, von Diego Armando Maradona - neben solchen der Nostalgiker königlicher Vergangenheit, der Neobourbonen.

Einen freundlichen Empfang wird Edinson Cavani erhalten, so er denn fit genug ist, um aufzulaufen. Drei Jahre lang hat der Uruguayer für Napoli gespielt und phänomenale 104 Tore erzielt, bevor er nach Paris wechselte, wo er deutlich weniger glücklich ist. Seine Kinder leben noch immer in Neapel bei seiner ersten Frau. Die Söhne, beide Fans von Napoli, sieht er nur selten, ist halt alles etwas kompliziert. Und so spekuliert man in Neapel immer wieder mal, ob Cavani zurückkehren könnte.

Eine kleine Rückkehr feiert indes Gianluigi Buffon, der Torhüter von PSG, gewissermaßen eine Heimkehr. "Gigi nazionale" spielt zum ersten Mal wieder in Italien, diesmal als Gegner. Das war er in Neapel natürlich früher schon, als er noch für Juventus das Tor hütete und die Stimme von "Decibel" Bellini jeweils unterging in der gellenden Schmähung des San Paolo.

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