ParisIn der Metro endet die Inklusion

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In der Station „Passy“ weisen Plakate auf die Paralympics hin. Nur 4,6 Prozent der Metro-Stationen sind für Menschen im Rollstuhl zugänglich.
In der Station „Passy“ weisen Plakate auf die Paralympics hin. Nur 4,6 Prozent der Metro-Stationen sind für Menschen im Rollstuhl zugänglich. (Foto: Umit Bektas/REUTERS)

Während der Paralympics diskutiert Paris mit neuer Schärfe und reichlich Selbstkritik über Barrieren im U-Bahn-Netz der Hauptstadt.

Von Oliver Meiler, Paris

Paris versteht sich selbst als maximal inklusiv, gerade in diesem Sportsommer. Alles ist so angelegt, dass die Paralympics dieselbe Aufmerksamkeit erhalten wie die Olympischen Spiele. Die Eröffnungs- und Schlussfeiern wurden und werden von denselben Leuten inszeniert, die schon für den Start und das Ende von Olympia Regie führten. France 2, der größte französische Staatssender, und seine Partnerkanäle übertragen wieder alle Wettbewerbe live. Die Welt soll zuschauen können, wie Paris die Parathleten feiert, mit welcher Anerkennung und welcher Würde.

Nur, im Pariser Alltag scheitert diese Inklusion ausgerechnet beim meistbenutzten und schnellsten Transportmittel der Stadt: bei der lieben, aber alten Metro. Und zwar ganz dramatisch. Von den 303 Pariser U-Bahn-Stationen der Betreibergesellschaft RATP sind nur vierzehn – in Ziffern: 14 – auch für Menschen im Rollstuhl zugänglich. 4,6 Prozent. Oder anders, weil die Zahl vielleicht noch eindrucksvoller wirkt: 289 sind es nicht. Nur eine einzige Linie, die eben erst ausgebaute und relativ neue Ligne 14, ist ganz rollstuhlkompatibel.

Ein bisschen besser wird die Statistik einmal werden, wenn die neuen Linien 15, 16, 17 und 18 des „Grand Paris Express“ rund um die Stadt mit ihren 64 Haltestellen ans Netz angeschlossen sein werden: Die werden alle rundum inklusiv sein, konform mit einem Gesetz von 2005. Darin heißt es, dass alle Bürgerinnen und Bürger dasselbe Recht auf öffentliche Mobilität haben sollen. Über dem Boden, also in den Bussen und den Straßenbahnen, wurde der Zugang auch für Rollstuhlfahrer angepasst.

Das Problem mit der Metro ist natürlich nicht neu. Aus Anlass der Paralympics wird es aber mit neuer Schärfe und reichlich Selbstkritik debattiert. Für gehörlose und sehbehinderte Menschen ist in den vergangenen Jahren einiges getan worden. Doch für Passagiere, die Mühe mit dem Gehen haben, bleibt die Metro unmöglich: auch für Mütter mit Kinderwagen, für Reisende mit schweren Koffern, für Betagte und, eben, für Rollstuhlfahrer.

Stadt und Region streiten sich über Zuständigkeiten

Valérie Pécresse, die Präsidentin der Regionalverwaltung von Île-de-France, in ihrer Rolle zuständig für die öffentliche Mobilität in Paris und der Banlieue, sagte vor ein paar Tagen, die Bauarbeiten für eine vollständige Inklusion würden etwa 15 bis 20 Milliarden Euro kosten und zwanzig Jahre dauern. Denn ja, was müsste da gegraben werden in den Haltestellen der sogenannten „historischen Linien“. Überall da, wo es noch keine Aufzüge gibt, müssten Schächte ausgehoben werden, vorbei an alten Kanalisationen, an Drahtbündeln.

Das Projekt gibt es schon, es nennt sich „Un métro pour tous“, eine Metro für alle. Pécresse sagte bei der Gelegenheit auch noch, die Region werde nur ein Drittel der nötigen Ressourcen aufbringen wollen, die restlichen zwei Drittel müssten von der Stadt Paris und vom französischen Staat beigetragen werden. Seitdem streiten sich die Stadt und die Region über Zuständigkeiten und Versäumnisse. Paris, muss man dazu wissen, wird sozialistisch regiert, die Île-de-France bürgerlich. Der Baubeginn zieht sich wohl noch etwas hin.

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