Nicht jeder Auftritt von Alexander Zverev, 27, auf dem Sand von Paris muss zum Marathon werden. Am Mittwochabend gewann er das Viertelfinale der French Open in drei glatten Sätzen gegen den Australier Alex de Minaur, und er hat dafür diesmal nur 2:59 Stunden gebraucht. Zum vierten Mal nacheinander gehört er nun zu den besten vier Tennisprofis bei diesem Turnier: „Ein weiteres Halbfinale – vielleicht kann ich auch mal eines gewinnen!“, sagte er anschließend auf dem Platz.
Im Match gegen den 25 Jahre alten Australier, das er 6:4, 7:6, 6:4 gewann, genügte Zverev nach zwei kraftraubenden Fünfsatzmatches in den Runden zuvor diesmal ein normales Arbeitspensum. Er ist nun seit elf Partien auf Sandplätzen ungeschlagen. Um den Einzug ins Finale spielt er am Freitag gegen den Norweger Casper Ruud, 25, der am Mittwoch spielfrei hatte und kampflos weiterkam, weil der Titelverteidiger Novak Djokovic sich am Meniskus verletzte und sich, laut Medienberichten, einer Operation unterziehen musste. Im zweiten Halbfinale treffen der neue Weltranglistenerste Jannik Sinner, 22, Sieger der Australian Open, und Wimbledon-Champion Carlos Alcaraz, 21, aufeinander.
Nicht wenige Experten hätten an diesem Mittwochabend ein Viertelfinale Zverevs gegen den Russen Daniil Medwedew erwartet, aber der Australier hatte den Weltranglistenfünften ebenso schnörkellos aus dem Turnier befördert wie zuvor den Sieger der BMW Open von München, Jan-Lennard Struff. Dabei fühlte sich de Minaur anfangs völlig fehl am Platz bei diesem Pariser Schlechtwetterturnier auf ungeliebtem langsamem Boden. „Ich dachte immer, um gut auf Sand zu spielen, brauche ich Hitze.“ Der bisherige Turnierverlauf war ein „Kulturschock“ für ihn.
De Minaur, der seit Kindertagen in Alicante lebt, wird in Australien als der erste Landsmann seit zwanzig Jahren gefeiert, der wieder Tritt gefunden hat auf der rutschigen terre battue. Letztmals hatte 2004 Lleyton Hewitt im Pariser Viertelfinale gestanden. Zwar hat de Minaur bislang acht Titel auf der ATP-Tour gewonnen und sich bis auf Platz elf der Weltrangliste vorgearbeitet, aber weiter als bis unter die letzten acht eines Grand-Slam-Turniers kam er bislang nie, obwohl er sich am Mittwoch mit seiner Variabilität, mit cleveren Stoppbällen und tollkühn platzierten Volleys durchaus Chancen verschaffte.
Mit abwechslungsreichen Schlägen den Favoriten aus dem Rhythmus zu bringen: Das war die Taktik, die im ersten Satz nur anfangs funktionierte. Zverev dominierte die letzten Punkte mit wuchtigem Spiel.
Zverev gewinnt den nächsten Tiebreak
Im zweiten Durchgang hatte der Defensivkünstler de Minaur mehr Erfolg, zumal er die gegnerischen Aufschläge hervorragend retournierte. Zverev gelang kein Ass – dafür erspielte sich de Minaur beim Stand von 6:5 aus seiner Sicht einen Satzball; er vergab diese eine Möglichkeit im gesamten Match. Im anschließenden Tiebreak lag Zverev bereits 0:4 zurück, dann kam ihm das zunehmend fehlerhafte Spiel des Australiers zugute und er sicherte sich den Satz 7:6 (7:5); ohnehin sind Tiebreaks Zverevs große Stärke in Paris, er hat seit 2016 von 25 dieser Satzentscheidungen erst zwei verloren. Im dritten Durchgang hielt er de Minaur dann in Schach, um den Arbeitstag noch vor Mitternacht zu beenden.
Diesmal hatte es keine Verzögerungen im Turnierzeitplan gegeben, weil die vorausgegangenen Viertelfinalspiele der Frauen rechtzeitig beendet wurden – mit einem Ausgang, der die Zuschauer verblüffte: Denn die Italienerin Jasmine Paolini und die erst 17 Jahre alte Russin Mirra Andrejewa fegten am Nachmittag die beiden Favoritinnen vom Platz.
Die 17-jährige Mirra Andrejewa erreicht das Halbfinale
Die erste Überraschung gelang der quirligen Paolini, 28, die mit ihrem angriffslustigen Spiel die frühere Wimbledonsiegerin Jelena Rybakina auf dem Court Philippe-Chatrier entzauberte, 6:2, 4:6, 6:4. Und sie ist fest entschlossen, nach Jannik Sinners Erfolgen die festa italiana auch in der nächsten Runde fortzusetzen.
Denn im Halbfinale am heutigen Donnerstag (ab 15 Uhr) steht Paolini der 17-jährigen Andrejewa gegenüber, die am Mittwoch die Weltranglistenzweite Aryna Sabalenka in drei Sätzen schlug, 6:7 (5), 6:4, 6:4. Allerdings war Sabalenka nicht auf der Höhe ihrer Kunst, sie litt erkennbar unter Schmerzen und musste eine medizinische Auszeit beanspruchen. Für die Pressekonferenz nach dem Match ließ sie sich wegen Erkrankung entschuldigen.
Mirra Andrejewa, die schon in Wimbledon und bei den Australian Open das Achtelfinale erreicht hatte, ist nun die jüngste Halbfinalistin eines Grand-Slam-Turniers seit Martina Hingis vor 27 Jahren. „Im Moment habe ich sogar vergessen, wie das Ergebnis lautet. Ich habe versucht, mich nur auf mich zu konzentrieren“, sagte sie, zum Amüsement der Zuschauer, anschließend im Interview auf dem Platz. Im zweiten Match des Donnerstags spielen die Weltranglistenerste Iga Swiatek und Coco Gauff aus den USA um einen Platz im Pariser Finale.