Paris schlägt den BVB:Tuchel hat gute Laune

Champions League - Round of 16 Second Leg - Paris St Germain v Borussia Dortmund

Thomas Tuchel jubelt in Paris.

(Foto: UEFA)
  • Paris Saint-Germain schlägt den BVB im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinales mit 2:0 und erreicht die Runde der letzten Acht.
  • Für Thomas Tuchel ist das eine große Erleichterung. Er wird in Paris am Erfolg in der Königsklasse gemessen.
  • Der BVB tritt glanzlos auf - dazu sieht Can nach einem Schubserchen gegen Neymar die rote Karte.

Von Carsten Scheele

Wann hat Thomas Tuchel zuletzt derart die Faust geballt? Wann hat er zuletzt so stolz den Finger in die Luft gereckt, im Jubelknäuel mit seinen Spielern, wie am Mittwochabend nach dem Schlusspfiff im Prinzenpark? Und anschließend einen solch aufgedrehten Auftritt im TV-Studio hingelegt?

Der deutsche Coach hat mit Paris Saint-Germain das Viertelfinale der Champions League erreicht - nach vielen schweren Jahren in der Königsklasse, in denen PSG dreimal in Serie im Achtelfinale gescheitert war, teilweise hoch dramatisch. Die Geduld der milliardenschweren katarischen Investoren mit Tuchel sei bald am Ende, hieß es, doch jetzt dieser Rückspielsieg gegen Borussia Dortmund, Tuchels Ex-Verein, bei dem er 2017 in Unfrieden gehen musste. Wieviel Genugtuung steckte also in Tuchels Faust, in Tuchels Finger?

Eine Menge, vorsichtig geschätzt. 1:2 hatte Paris das Hinspiel in Dortmund verloren, das Rückspiel nun 2:0 gewonnen - und Tuchel war gut drauf. Er hielt dem Sky-Moderator mit einem breiten Grinsen im Gesicht vor, wie vor dem Spiel in der Berichterstattung Stimmung gemacht worden sei: gegen PSG, gegen Tuchel, gegen seine Startruppe, die dem Trainer nicht immer folgten, weil die Spieler ja lieber Party machten, als ernsthaft zu trainieren. "Die Gemengelage vorher und wie über unsere Mannschaft vorher gesprochen wird, das hat ja immer so ein Geschmäckle", sagte Tuchel also schon mit lauterer Stimme: "Ich sehe all die Schlagzeilen: Tuchel hat sein Team nicht im Griff. Die Spieler machen, was sie wollen, das ist ja ein Zirkusdirektor."

Favre fand die Leistung des BVB okay, Zorc eher nicht

Noch ein Grinsen, ein rauschhaftes Lachen. Dann Tuchels eigene Rechnung. PSG habe eine tolle Champions-League-Gruppe gespielt, stehe nun im Viertelfinale, dazu in zwei französischen Pokalfinals, führe nebenbei mit zwölf Punkten Vorsprung die Tabelle an. "Dann kommt die Statistik, dass wir in 28 Spielen nur einmal verloren haben. Dauernd wird gequatscht. Wie denken die, dass man von 28 Spielen nur eines verliert?", so Tuchel weiter: "Wir haben einen Riesenaufwand betrieben und es war schwer, weil Dortmund stark ist und es war doppelt schwer, ohne Zuschauer."

Champions League - Round of 16 Second Leg - Paris St Germain v Borussia Dortmund

Anti-Corona-Maßnahme konterkariert: Statt im Stadion standen Tausende Fans vor dem Stadion, um ihre Mannschaft zu feiern.

(Foto: UEFA)

Es hätte ein noch triumphalerer Abend werden können, wären die Umstände andere gewesen. Doch auch Frankreich ist von der Corona-Angst ergriffen, weshalb die Behörden entschieden, die Partie ohne Zuschauer auszutragen. Das Geisterspiel vor leeren Rängen im Prinzenpark, bei dem einige Tausend Fans nur von außerhalb des Stadions singen und Feuerwerk in die Luft schicken konnten, bezeichnete Tuchel als "superschade". Fußball sei für die Zuschauer da: "Die besten Spiele sind immer ein Zusammenspiel zwischen Spiel, Mannschaft und Zuschauer. Dann entsteht eine besondere Atmosphäre. Wenn das komplett fehlt, ist das sehr trist."

Trist war die Stimmung auch bei den Dortmundern. Sie sind raus, gegen eine Mannschaft, die man im Hinspiel noch so gut im Griff gehabt hatte. Auffällig war, wie sehr die Analysen der Verantwortlichen auseinander gingen: Während Trainer Lucien Favre einen passablen Auftritt seiner Mannschaft gesehen hatte ("das Spiel war nicht schlecht"), bei dem in vielen Situationen nur der letzte Pass gefehlt habe, fiel das Urteil von Sportdirektor Michael Zorc härter aus.

"Wir wissen, dass Neymar ein toller Schauspieler ist"

"Ich weiß nicht, ob der Mut gefehlt hat: Wir waren nicht gut genug heute, zu fehlerbehaftet", sagte Zorc im Fernsehen, dabei bezog er sich auf die beiden Situationen, die zu den Pariser Toren geführt hatten. Erst durfte sich Neymar nach einem Eckball ungehindert aus dem Rücken von Ashraf Hakimi stehlen und am Fünfmeterraum frei einköpfen (28.). Dann war es der frühere Münchner und Hoeneß-Liebling Juan Bernat, der den Ball nach einer scharfen Hereingabe mit der Fußspitze ins Tor bugsierte, wieder freundlich flankiert von Hakimi und Kollegen (45.).

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Neymar fällt nach einem Schubser von Emre Can dankbar hin.

(Foto: UEFA)

"Beim ersten Tor kann Neymar halbhoch am Fünfmeterraum einköpfen - das darf nie passieren", kritisierte auch Abwehrchef Mats Hummels, der in der Schlussphase als Mittelstürmer mitwirkte, weil der BVB noch ein Tor brauchte für die Verlängerung - das aber nicht mehr fallen wollte. Erling Haaland, der neue Stürmerheld und Torschütze aus dem Hinspiel, schoss im Rückspiel in 90 Minuten nicht einmal aufs Tor und musste sich danach auch noch den Spott der Pariser Mannschaft angucken: Auf dem Feld und in der Kabine imitierten sie seine Yoga-Jubel-Pose, die er im Hinspiel zelebrierte.

Einig waren sich die Dortmunder immerhin in der Bewertung der roten Karte für Emre Can nach dessen Scharmützel gegen Neymar, der den zwar deutlichen, aber keineswegs überharten Schubser dankbar annahm und zu Boden sank (89.). "Viel zu hart, fast lächerlich", zürnte Favre über den Platzverweis. Can habe doch "nur ein Foul gemacht". Fand auch Zorc, sein Urteil: "Wir wissen, dass Neymar ein toller Schauspieler ist, das hat er heute gezeigt."

Anders sah das, wer hätte es gedacht: Tuchel. "Neymar ist total verlässlich", so die Wertung seines Trainers, nach unruhigen Wochen, in denen er sich mehr als einmal über das Stargebahren seines schillernsten Spielern hatte ärgern müssen: "In Momenten wie heute muss Neymar auf das Feld, weil er den Druck aushält. Er hat keinen Schiss, vor keiner Situation." Tuchel grinste und ging.

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