Paralympics:Was den Sportlern von Gold bleibt

Pyeongchang 2018 Winter Paralympics

Nach der pompösen Abschlussfeier geht es für die Athleten zurück in den Alltag.

(Foto: REUTERS)
  • Der Deutscher Behindertensportverband zieht nach den zwölften Winter-Paralympics in Pyeongchang eine positive Bilanz.
  • Für viele Behindertensportler beginnt jetzt wieder der Alltag.
  • Die große Mehrheit der Athleten braucht pragmatische Lösungen, um sich die glanzvollen Weltspiele alle vier Jahre überhaupt leisten zu können.

Von Ronny Blaschke, Pyeongchang

Wenn die Siegerehrung zu Ende geht und die Kameras verschwinden, wenn das Adrenalin abklingt und die Müdigkeit eintritt, dann ist sie irgendwann da, diese unausweichliche Frage: Was nun mit dem Gold? Wie lässt sich mit einem paralympischen Sieg der Alltag leichter gestalten? "Es wird nicht alles anders, aber es gibt interessante Möglichkeiten", sagt der Biathlet Martin Fleig, der in der sitzenden Klasse über 15 Kilometer Gold gewann. Der Freiburger Fleig hat die ersten Einladungen aus der Stadtgesellschaft erhalten. Er ist noch zu erschöpft, um sich darauf richtig freuen zu können.

Für die Sommerdisziplinen sind es die Leichtathleten Markus Rehm, Heinrich Popow oder neuerdings Niko Kappel, für den Winter ist es höchstens die Monoskifahrerin Anna Schaffelhuber: Athleten, die es auch zwischen den Paralympics hin und wieder über die Wahrnehmungsschwelle schaffen. Die große Mehrheit der Behindertensportler braucht pragmatische Lösungen, um sich die glanzvollen Weltspiele alle vier Jahre überhaupt leisten zu können.

Martin Fleig, 28, hat eine solche Lösung gefunden, unabhängig von Ministerien oder Sponsoren. Über den Berufsberater des Olympiastützpunktes in Freiburg erhielt er Kontakt zum Landkreis Breisgau-Schwarzwald. Dort machte er eine Ausbildung und arbeitet nun in der Führerscheinstelle. "Ich kann Beruf und Sport perfekt aufeinander abstimmen", sagt Fleig. "Ich muss mich nicht für das eine oder andere entscheiden."

Denn im kommerzialisierten Spitzensport werden längst auch die Paralympier an Medaillen gemessen. Bei den zwölften Winterspielen in Pyeongchang hat das deutsche Team mit 19 Medaillen den fünften Platz in der Nationenwertung belegt, davon sieben in Gold. In Sotschi vor vier Jahren waren es 15 Medaillen, neun in Gold. "Wir sind sehr zufrieden mit dieser Bilanz", sagte Chef de Mission Karl Quade. Nicht nur wegen der Anzahl, sondern vor allem: wegen der Vielfalt. "Wir sind mit unserem Fördersystem auf dem richtigen Weg." Die meisten Medaillen gewannen die USA, insgesamt 36, darunter 13 in Gold.

Deutschland rückt vom Personenkult ab

Die Winterspiele mit ihren vergleichsweise kleinen Teilnehmerzahlen und ihrem großen Leistungsgefälle brachten traditionell wenige Seriensieger hervor: In Pyeongchang gewannen nun acht deutsche Athleten Medaillen, in Sotschi waren es fünf. Diese Entwicklung folgt einem internationalen Trend: Sportler aus 26 Nationen erhielten Medaillen, so viele wie nie zuvor bei Winterspielen. Unter den diesjährigen Premierensiegern waren unter anderem der Gastgeber Südkorea und im Curling auch China, das Austragungsland für die Winterspiele 2022 in Peking.

Nach dem Personenkult um die fünffachen Goldgewinnerinnen Verena Bentele in Vancouver und Anna Schaffelhuber in Sotschi achtete der Deutsche Behindertensportverband (DBS) nun auf eine abwechslungsreiche Präsentation seiner Persönlichkeiten. Bei der Eröffnungsfeier trug die asketische Multisportlerin Andrea Eskau die deutsche Fahne, sie gewann insgesamt sechs Medaillen, zuletzt am Sonntag Bronze mit der Langlauf-Mixed-Staffel. Bei der Schlussfeier wurde die Aufgabe der sehbehinderten Biathletin Clara Klug übertragen, die zweimal Bronze gewann. "Sie kann als Identifikationsfigur bei jungen Leuten das Interesse für den Sport wecken", sagt Karl Quade. Das gilt auch für die alpinen Skifahrerinnen Andrea Rothfuss und Anna-Lena Forster.

Die Entwicklung des Behindertensports stößt auf Hindernisse

Es ist dem DBS stets ein Anliegen, den auf medaillenträchtige Disziplinen ausgerichteten Staatssportsystemen aus China, Russland oder der Ukraine ein ganzheitliches Modell entgegenzustellen. Rund sieben Millionen Menschen haben in Deutschland eine Behinderung. Nicht mal ein Viertel sind sportlich aktiv oder trauen sich intensive Bewegungen zu. Doch in den Wochen nach Paralympics wenden sich überdurchschnittlich viele behinderte Menschen an Vereine oder Gymnastikgruppen. "Mit der Professionalisierung des Leistungssports entwickelt sich auch der Breitensport", sagt Andrea Eskau. "Wir sollten es Kindern und Jugendlichen einfach machen, Sport zu treiben."

Lange hatten sich Talente im Behindertensport nicht entfalten können, weil sie dessen Potenzial nicht kannten - oder weil Sportstätten mit Barrieren abschreckend wirkten. Beim Landesverband des DBS in Bayern wird demnächst ein hauptamtlicher Skitrainer den Austausch zwischen Sport, Schulen und Krankenhäusern fördern. Generell will der DBS bis zu den Sommerspielen 2020 seine Hauptamtlichkeit stärken. Auch sein Vorstand ist noch ehrenamtlich. Das soll sich ändern.

Doch die Entwicklung des Behindertensports stößt auf Hindernisse. Im August finden in Berlin kurz nacheinander die Europameisterschaften der nicht behinderten und der behinderten Leichtathleten statt. Der DBS hoffte zumindest auf ein gemeinsames Organisationskomitee, so wie es bei Olympischen und Paralympischen Spielen seit 2012 Praxis ist. Doch der Europäische Leichtathletikverband sträubte sich gegen eine Zusammenarbeit.

Berlin hätte eine inklusive Plattform geboten, um neue Fördermodelle voranzutreiben. 21 Paralympier sind nun bei Bundesministerien angegliedert, im Wintersport gehören Andrea Rothfuss, Anna Schaffelhuber und Anna-Lena Forster zum Zoll, das dem Finanzministerium untersteht. Sie erhalten monatlich 2500 Euro. "So kann ich mich ohne Sorgen auf mein Studium konzentrieren", sagt Anna-Lena Forster, die am Sonntag ihr zweites Gold gewann, im Slalom. Der DBS möchte diese pragmatischen Lösungen ausbauen. Damit die zeitliche Distanz zwischen Paralympics nicht mehr allzu groß wirkt.

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