Anna-Lena Forster bei den Paralympics:Slalom aus dem Schatten heraus

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Schwer erleichtert: Anna-Lena Forster hat nach zwei zweiten Plätzen doch noch Gold gewonnen bei den Paralympics. (Foto: Wang Zhao/AFP)

Nach dem Karriereende von Anna Schaffelhuber schauen viele bei diesen Winter-Paralympics auf Monoskifahrerin Anna-Lena Forster. Nach zweimal Silber glückt ihr in der Kombination der erste deutsche Sieg in Peking.

Von Sebastian Fischer

Anna-Lena Forster hatte eine richtige Vorahnung. Vier Titel hat sie gewonnen bei den Weltmeisterschaften der paralympischen Schneesportarten in Lillehammer im Januar, und natürlich ist sie gefragt worden, ob sie dies zu wiederholen plane bei den Paralympics in Peking. Forster hat dann zur Zurückhaltung gemahnt, schließlich war im Januar unter anderem ihre stärkste Konkurrentin im Monoskifahren, der Disziplin für Athletinnen im Rollstuhl, nicht dabei: die Japanerin Momoka Muraoka.

Am Sonntag stand fest, dass Forster keine vier Goldmedaillen gewinnen würde. Sie holte in Yanqing zum zweiten Mal Silber, nach der Abfahrt auch im Super-G, jeweils hinter Muraoka. Am Montag, in der Super-Kombination, gewann sie das erste Gold für Deutschland bei diesen Winterspielen. Sie hatte zweimal Tränen in den Augen: Zuerst vor Enttäuschung, nach sechs Sekunden Rückstand auf Muraoka im Super-G; dann vor Freude, weil sie im Slalom noch aufholte und am Ende 0,77 Sekunden Vorsprung hatte.

Im Mittelpunkt: Anna-Lena Forster (Mitte) beim Jubel über Gold mit dem deutsche Para-Ski-Alpin-Team. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

"Ich weiß, dass ich gut Slalom fahren kann, aber dass ich sechs Sekunden aufholen kann, hätte ich nie gedacht", sagte sie: "Doch noch Gold zu holen, war so emotional. Und so erleichternd, weil schon viel Druck und Erwartungshaltung von außen kam. Da bin ich froh, dass ich wenigstens eine Goldmedaille schon in der Hand hab."

Forster, 26, hat bei diesen Spielen auch mit einem Vergleich zu kämpfen. Eine deutsche Athletin, die ihren Monoski mithilfe von zwei Krücken-Ski in den Händen elegant um Tore und Stangen lenkt und Medaillen gewinnt? Einige, die bei dieser Vorstellung einen Namen im Kopf haben, denken womöglich noch an Anna Schaffelhuber, die 2014 in Sotschi fünf Goldmedaillen gewann, jeweils eine in jedem möglichen Rennen. 2019 hat sie ihre Karriere beendet, arbeitet inzwischen als Lehrerin. Sie traue Forster fünfmal Gold zu, sagte sie vor den Spielen.

Forster gewann schon 2018 ihre ersten Goldmedaillen

2018 in Pyeongchang waren beide noch zusammen am Start, Forster holte da ihre ersten zwei Goldmedaillen, im Slalom und in der Super-Kombination, trat schon etwas aus dem Schatten. Diesmal steht sie erstmals ohne Schaffelhuber an ihrer Seite bei Paralympics im Fokus. Das deutsche Team ist klein, nur 17 Athleten insgesamt, Probleme in der paralympischen Nachwuchsförderung in den vergangenen Jahren sind gerade im alpinen Skisport ein Dauerthema, erst seit 2019 gibt es eine Nachwuchs-Bundestrainerin. Umso mehr ist Forster, die mit dem Biathleten Martin Fleig auch die Fahne bei der Eröffnungsfeier trug, diesmal im Mittelpunkt. Um mit der hohen Aufmerksamkeit umzugehen, erzählte sie, habe sie vor den Paralympics auch mit einer Mentaltrainerin gearbeitet.

Ähnlich wie Schaffelhuber erfüllt allerdings auch Forster längst die Aufgabe, nicht nur schnell zu fahren, sondern auch für mehr Aufmerksamkeit und damit mehr Möglichkeiten für den Behindertensport zu werben. Es gibt eigentlich von jeder Veranstaltung der vergangenen Jahre eine pointierte Geschichte, mit der Forster Nachholbedarf ansprach.

Anna Schaffelhuber gewann 2014 in Sotschi fünf Goldmedaillen, sie hat ihre Karriere aber beendet. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Vor den Paralympics 2018 erzählte sie von ihrer Sponsorensuche, und wie ein Schokoladenhersteller ihr eine Tüte mit Süßigkeiten schickte, verbunden mit dem Hinweis, man sei schon sozial engagiert - was auf eine nicht überall angemessene Wahrnehmung des paralympischen Spitzensports hindeutete. Bei der WM 2019 in Slowenien sprach sie die "nicht sehr wertschätzende" Organisation an - für Athleten wie Zuschauer habe es nur vier Dixi-Klos gegeben. Bei der wegen der Pandemie um ein Jahr auf 2022 verschobenen WM in Lillehammer lobte sie den Veranstalter - mit dem Hinweis versehen, dass sie zum ersten Mal in ihrer Karriere Preisgeld für einen Sieg erhalten habe.

Was Forster von der Konkurrenz in der Weltspitze abhebt, ist ihre saubere Technik

Es gebe noch viel zu tun, sagt sie, aber in ihrer eigene Karriere ist die Konzentration auf den Sport möglich. Forster, die in Radolfzell am Bodensee ohne rechtes und mit einem verkürzten linken Bein geboren wurde, fährt seit ihrem sechsten Lebensjahr Monoski. Ihre Eltern hatten eine Möglichkeit gesucht, weiter mit der Familie in den Skiurlaub fahren zu können. Nach dem Abschluss ihres Psychologie-Studiums ist sie seit Sommer "Vollprofi". Im Rahmen der deutschen Spitzensportförderung ist sie beim Zoll angestellt. Und auch wenn die Sponsorensuche immer noch nicht einfach sei, wie sie vor den Paralympics sagte, wird sie von einer Reihe an Partnern unterstützt. Gold ist da natürlich eine Argumentationshilfe.

Was Forster von der überschaubar großen Konkurrenz in der Weltspitze abhebt - nur acht Athletinnen waren für die Super-Kombination gemeldet - ist ihre saubere Technik. Stürze mit dem Monoski sind nicht selten und dünnen das Feld oft weiter aus. Bei Forster sieht die Fahrt dagegen elegant aus, eng an den Stangen, so sind große Abstände nicht ungewöhnlich. Bei ihrer Sechs-Sekunden-Aufholjagd im Slalom, ihrer besten Disziplin, verschenkte sie sogar in einer Passage noch etwas Zeit.

An die Bedeutung ihrer ersten paralympischen Medaille von Pyeongchang komme nichts heran, sagte sie am Montag. Aber: "Das ist schon jetzt ein sehr wichtiger Sieg für mich gewesen heute." Noch zweimal geht sie bei den Spielen an den Start, am Freitag und am Sonntag. Anna Schaffelhuber wird dann übrigens auch zuschauen. Sie arbeitet von Mittwoch an als TV-Expertin für die ARD.

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