Paralympics:Allein als Frau in einer gemischten Sportart

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"Ich repräsentiere alle weiblichen Spielerinnen": Yu Jing im Nationaltrikot. (Foto: Carmen Mandato/Getty Images)

138 Athletinnen bei den Paralympics, das ist in diesem Jahr eine Rekordzahl - und bei mehr als 500 Teilnehmern doch eher wenig. Im Para-Eishockey spielt nur eine mit: Yu Jing, für das erstaunlich erfolgreiche Team Chinas.

Von Benjamin Markthaler

Yu Jing hatte ihre ganz eigene "Flower Ceremony". Eigentlich findet die bei den Paralympics nach den Wettbewerbs-Entscheidungen statt. Wer das Podium erreicht, bekommt das Maskottchen namens "Shuey Rhon Rhon" überreicht, eine rote Laterne. Später gibt es die Medaillenvergabe.

Schon nach dem Viertelfinale gegen Italien - also noch zwei Spiele entfernt von einer Medaillenentscheidung - bekam aber die Chinesin Yu Jing, 38, ihre Zeremonie. Mit Blumen in den Händen wurde sie fotografiert, wenige Minuten zuvor hatte sie ihr Debüt für die Para-Eishockey-Nationalmannschaft ihres Landes gegeben. Para-Eishockey, das mit Schlitten auf dem Eis und zwei Schlägern gespielt wird, ist eine Mixed-Sportart. Was theoretisch bedeutet, dass Männer und Frauen zusammen in einem Team spielen.

Bei den Paralympics geht die Theorie aber nicht so recht auf. 120 Sportler treten für die sieben Länder beim Para-Eishockey-Turnier an, darunter ist Yu Jing die einzige Frau. Bei den sieben Winterspielen der Vergangenheit, in denen Para-Eishockey gespielt wurde, traten insgesamt nur zwei Sportlerinnen an. Zweimal für Norwegen, 1994 Brit Mjaasund Oeyen und 2018 Lena Schroeder.

Jetzt gehört also auch Yu in diese kurze Liste. Fünf Minuten und 19 Sekunden hatte sie ihre Bühne auf dem Eis. "Ich repräsentiere alle weiblichen Spielerinnen. Ich habe die Chance bekommen, für das Nationalteam zu spielen und auf dieser Bühne die Kraft der chinesischen Frauen der ganzen Welt zu zeigen", sagte sie dem Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) nach dem Spiel gegen Italien. Dann gab es noch Blumen, es war Weltfrauentag.

Was es braucht? Der Bundestrainer sagt: "Werbung, Werbung, Werbung"

Das IPC hatte vor den Paralympics bekanntgegeben, bei diesen Spielen werde eine "Rekordzahl" an Frauen teilnehmen, 138. Doch bei mehr als 500 Teilnehmern insgesamt bleibt das ein Missverhältnis. Zum Vergleich: Bei Winter-Olympia waren 1314 Frauen und 1578 Männer dabei. Im Para-Eishockey, der vermeintlich gemischten Sportart, wird der Unterschied am deutlichsten.

Auch in der deutschen Nationalmannschaft, die zum vierten Mal hintereinander die Teilnahme verpasste, spielt keine Frau. Das liege daran, dass es so gut wie keine in Deutschland gebe, die die Sportart betreiben, sagt Bundestrainer Andreas Pokorny. "Wir haben nur fünf Vereine in der Liga. Wir bräuchten mehr Leute, mehr Masse. Seit Jahren kriegen wir einzelne Neue, aber das ist einfach zu wenig international", sagt er.

Rein sportlich sollte die Teilnahme von Frauen eigentlich kein grundsätzliches Problem sein, findet Katrin Brandmeier vom Para-Eishockey-Team des EHC Freiburg. "Männer spielen manchmal vielleicht bisschen körperlicher, dafür sind wir Frauen wendiger", sagt sie. "Ich merke auf jeden Fall keinen Unterschied." Eine Chance, einmal für das deutsche Nationalteam spielen zu dürfen, wird sie trotzdem nicht haben. Denn sie hat kein Handicap. In der Deutschen Liga darf sie zwar antreten, dort wird inklusiv gespielt, wie beim Rollstuhlbasketball. Die Paralympics aber haben strengere Regeln, nur Menschen mit Behinderung dürfen um die Medaillen kämpfen.

Es gibt auch Nationen, in denen schon jetzt viele Frauen die Sportart betreiben. Die zwei großen (Para-)Eishockey-Nationen Kanada und USA vor allem. Die letzten fünf Goldmedaillen im Para-Eishockey gingen an die beiden, alleine die letzten drei an die US-Amerikaner, auch dieses Jahr treffen sie im Finale aufeinander. Aber ohne Frauen. "In den beiden Ländern sind die Männer einfach zu stark. Da müsstest du als Frau schon obertop sein", sagt Bundestrainer Pokorny.

China hat erst seit 2017 ein Nationalteam - und wird von einem Russen trainiert

Lösen lassen würde sich das Problem, zumindest in Deutschland, durch "Werbung, Werbung, Werbung", glaubt er. Zwar war Deutschland in den letzten Jahren Ausrichter zweier großen Ereignisse - der WM 2019 und dem Qualifikations-Turnier für die Paralympics im vergangenen Dezember. Gerade Letzteres konnte wegen Corona allerdings nicht wirklich als Chance genutzt werden, erklärt der Bundestrainer. Und natürlich ist dann auch die gescheiterte Teilnahme keine Hilfe, die Sportart bekannter zu machen.

Yu Jing, die einzige Para-Eishockeyspielerin auf olympischer Bühne, hat derweil am Samstag ohne weitere Einsatzzeit eine Medaille gewonnen. China schlug Südkorea mit 4:0 im Spiel um Bronze. Wie in so vielen Sportarten bei diesen Paralympics, deren Medaillenspiegel die umstrittene Gastgebernation anführt, haben die Chinesen auch im Eishockey ein Programm wie aus dem Boden gestampft. Erst seit 2017 gibt es die Nationalmannschaft.

Das Team wird trainiert von einem Russen, das ist weiterhin erlaubt, während russische Athleten wegen des Krieges in der Ukraine von den Spielen ausgeschlossen wurden. Nikolai Scharschukow heißt der Coach, sein Einfluss auf den Erfolg gilt als enorm. Im offiziellen Spielbericht des IPC war das allerdings kein Thema.

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