Paralympics 2010:Gefeiert wie die Helden

Deutsche Paralympioniken berauschen sich derart an ihrer Vancouver-Bilanz und Platz eins in der Nationenwertung, dass weder ein Eklat noch der bevorstehende Umbruch die Stimmung trüben.

Thomas Hahn

Martin Braxenthaler hat gerade Gold in der Super-Kombination gewonnen, es ist sein drittes bei den Paralympics in Vancouver und Whistler. Er kann nun von sich sagen, mit 38 seinen Ruf als bester Monoskifahrer der Welt bestätigt zu haben. Aber dann erzählt er noch etwas anderes, und der Athlet Braxenthaler vom ESV Traunstein, der oft so eine strenge Zielstrebigkeit ausstrahlt, wirkt plötzlich ganz weich.

Tags zuvor haben er und seine Team-Kollegen das Zelt der ehrenamtlichen Olympia-Helfer besucht, um sich für deren Einsatz zu bedanken. Sie hatten ihre Medaillen dabei, und dann muss sich ein Fest ereignet haben. "Wir san da g'feiert worden wie die größten Helden", sagt Martin Braxenthaler, "das war ein so tolles Erlebnis, dass ich heute früh, wie ich aufg'standen bin, gedacht hab': War des jetzt wirklich oder hast' des 'träumt?"

Die deutschen Paralympier haben tolle Tage erlebt bei ihren Winterspielen 2010, entsprechend aufgeräumt war dann auch die Stimmung im Deutschen Haus von Whistler bei der Bilanzpressekonferenz des Deutschen Behinderten-Sportverbandes (DBS). Der gute Abschluss deutete sich da schon an: Am Ende, nach Verena Benteles fünftem Gold im fünften Wettkampf, dem Langlauf-Sprint, standen die Deutschen mit 13 Goldmedaillen auf Platz eins. So groß war die Begeisterung über die Arbeit der Teams, die Kooperation mit dem Skiverband und die Förderprogramme, dass sie sich bisweilen in Übertreibungen äußerte: "Genialen Spitzensport" hatte Chef de Mission Karl Quade gesehen, "das unterscheidet sich praktisch nicht mehr vom olympischen Bereich."

Außerdem wäre fast untergegangen, dass die deutschen Rollstuhl-Curler, als WM-Dritte angereist, ihr Abenteuer im fernen Vancouver nicht nur mit zwei deutlichen Niederlagen am Freitag gegen Korea (2:9) und Schweden (3:10) beendeten, sondern auch mit einem Eklat. Trainer Helmar Erlewein hatte Skip Jens Jäger im letzten Vorrundenspiel gegen Schweden durch die 60-jährige Astrid Hoer ersetzt. Wegen "sozialer Interaktionen", wie Quade auf Nachfrage erklärte. Der junge Curling-Experte der Paralympics-Zeitung, welche der Tagesspiegel mit Schüler-Reportern betreibt, hatte als Erster gemeldet, dass Jäger nicht wegen seiner Erkältungssymptome fehlte, sondern weil sich das Team von ihm offenbar nicht richtig angesprochen fühlte.

Was nicht unterging, war die Tatsache, dass dem DBS im Wintersport ein Umbruch bevorsteht. Gerd Schönfelder, der Vierfachsieger von Whistler, wird 2014 nicht mehr starten, bei den anderen Mehrfach-Gewinnern Braxenthaler und Verena Bentele ist es unsicher. DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher überlegt, wie er gerade die Trainerschein-Besitzer Schönfelder und Braxenthaler über die Athleten-Karriere hinaus gewinnbringend einbinden kann. Aber es blieb bei der heiteren Grundstimmung, zu der auch die fast unwirkliche Tagesbilanz des Gerd Schönfelder beitrug: Während er mit einem rasanten Slalom-Lauf Gold in der Super-Kombination sicherte, brachte seine Frau daheim in Bayern Sohn Leopold zur Welt.

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