Wie ein grauer Schleier liegt sie da, schmiegt sich ins Tal, zwischen Braun und Grün. Die WM-Piste im slowenischen Maribor wirkt wenig weltmeisterlich, zu warm war es zuletzt im Nordosten des Landes, wo sich das Bachergebirge erhebt und wo vom Wochenende an mit Verspätung die WM der Paraskifahrer starten soll, die Rennen der weltbesten Skifahrer mit Körperbehinderung. Das Problem: Wegen des Schneemangels wird es mehr eine Mini-WM.
Die Para-Abteilung des Skiweltverbands Fis hat die Abfahrts- und Super-G-Rennen sowie die Kombination bereits abgesagt, die Veranstalter mühen sich derzeit, die Pohorje-2-Piste so zu präparieren, dass auf dem schmalen Streifen zumindest in den kürzeren technischen Disziplinen WM-Medaillen vergeben werden können. Trainer und Athleten sind wenig begeistert, oder wie es die beste deutsche Para-Skifahrerin, Anna-Lena Forster, ausdrückt: „Es ist eine Frechheit, dass wir hier überhaupt anreisen.“

Lindsey Vonn bei der Ski-WM:„Das war pretty fucked up“
Nach ihrer Comeback-Ankündigung musste Lindsey Vonn sich von früheren Ski-Heroen einiges anhören. Sich mit 40 Jahren und Titan im Knie Eishänge hinabzustürzen: Sie habe einen „Vollschuss“, hieß es. Bei der WM in Saalbach kontert Vonn nun ihre Skeptiker.
Am Dienstagabend, kurz nachdem Anna-Lena Forster in Maribor angekommen war, meldete sie sich telefonisch. Der Zustand der Piste sei „katastrophal“, sagt die Monoskifahrerin, mit fünf Goldmedaillen bei Paralympics derzeit die erfolgreichste aktive Paraskifahrerin. „Das schmale weiße Band“ sei untauglich für das wichtigste Sportereignis des Winters, erläutert die 29-Jährige. „Der untere Teil ist gar nicht mehr befahrbar.“
Die Problematik ist im Paraskisport symptomatisch
Ein Sprung nach Saalbach-Hinterglemm, Österreich, wo am Donnerstag der Super-G der nichtbehinderten Frauen bei Kaiserwetter und nahezu perfekten Schneebedingungen ausgetragen wurde, 120 teils professionelle Rutscher halfen bei den Vorbereitungen, 15 000 Zuschauer im Stadion und unzählige mehr am Streckenrand machten das Rennen zum Spektakel. Damit stellt sich die Frage, warum die Para-WM im schneefreien Maribor ausgetragen wird – und nicht ebenfalls im Glemmtal?
„Wir Athleten haben uns schon gefragt, warum es nicht möglich ist, dass wir nach den Nichtbehinderten fahren oder da irgendwie drum herum“, erklärt Forster. „Es wäre ja alles gegeben. Wir hatten in Saalbach auch schon mal eine Abfahrt.“ Aus ihrer Sicht „wäre es irgendwie sicher machbar gewesen, das zu koppeln“.

Tatsächlich lässt die Situation der Para-Skifahrer in Maribor eine gewisse Symptomatik erahnen. Bereits vor zwei Jahren mussten die Wettkämpfe kurzfristig nach Spanien verlegt werden, erinnert sich Forster, 2019 war es zu einer ähnlichen Situation gekommen. Inzwischen habe sie für all das „komplettes Unverständnis“, sagt sie. „Es kann von uns keiner nachvollziehen, wie so etwas passieren kann, dass an einem Ort wie Maribor, wo in den letzten Jahren nie richtig viel Schnee lag, eine Abfahrt gefahren werden soll.“
Forsters Kritik richtet sich an den Weltverband Fis Para Snow Sports. Ähnlich sieht es der deutsche Paraski-Bundestrainer Justus Wolf: „Es ist ärgerlich, weil man das Problem hat kommen sehen.“ Bereits bei einem Meeting mit der Fis im Herbst 2024 sei Maribor als Austragungsort moniert worden, so Wolf. „Da gab es sehr viele kritische Stimmen von der Trainerschaft.“ Angesichts der jüngsten Wetterverhältnisse dort „konnten wir kaum glauben, dass wir hier Rennen fahren sollen“.
Die Fis verteidigt die Entscheidung – die Suche nach Skiorten ist alles andere als einfach
Fis Para Snow Sports verteidigt sich auf SZ-Nachfrage. Die Schneekontrolle in Maribor sei am 20. Januar noch positiv ausgefallen. Das Organisationskomitee habe in den vergangenen Wochen „außerordentlich hart gearbeitet“, um trotz der hohen Temperaturen im teilweise zweistelligen Plusbereich ansprechende Bedingungen für alle Rennen zu gewährleisten.Bei der finalen Streckenbesichtigung am Dienstag hätten die Teams allerdings Bedenken geäußert, da „die Strecke für sitzende Athleten eine große Herausforderung darstelle und zu unsicheren Bedingungen führen könnte. Auf der Grundlage dieser Rückmeldungen beschloss die Jury, die Wettkämpfe abzusagen“.
Teil der Wahrheit ist, dass es für die Para-Abteilung der Fis offenbar sehr kompliziert ist, überhaupt einen Austragungsort für Para-Sportevents zu finden. Der Hauptgrund für dieses Phänomen liegt – wie so oft – darin, dass die Veranstaltung finanziell wenig lukrativ ist; mehr noch, die Ausrichter befürchten eher ein Minusgeschäft. Das könnte mit der Vermarktung zu tun haben, es werden etwa, anders als bei den Nichtbehinderten, keine Tickets verkauft und keine Livefernsehbilder gesendet. Probleme also, mit denen auch andere Nischenwintersportarten zu kämpfen haben. So drastisch wie Forster und Co. ergeht es aber den wenigsten.
Lange war tatsächlich vergeblich nach einem Ausrichter für die vorparalympische WM gesucht worden. Erst im Oktober 2024 erhielt Maribor den Zuschlag. Mit den Ambitionen der Athleten passt das dem Vernehmen nach kaum zusammen, „weil wir alle inzwischen sehr professionell trainieren“, sagt Forster, „viele von uns sind Berufssportler“.
Warum also nicht eine gemeinsame WM in Saalbach, wo sich der Winter so anfühlt, wie er sich anfühlen soll? Auf diese konkrete Frage geht die Fis in ihrer Antwort am Donnerstag nicht ein. Forster hinterlegt indes den „Wunsch um mehr Austausch“ mit der Fis. „Ich denke, dass wir Athleten da sicher den ein oder anderen Lösungsansatz hätten, wie man künftig vorgehen könnte.“
Am Wochenende sollen in Maribor die Frauen- und Männer-Riesenslaloms über die Bühne gehen, am Montag und Dienstag die Slaloms. Während in Saalbach die Normalität ihren Lauf nimmt, trainieren sie in Maribor derzeit in einem 15 Stangen kurzen Kurs, noch kürzer als der Lauf beim Saalbacher Teamevent zum Auftakt. Der hatte 19.