Pál Joensen von den Färöer:Sportidol unter erschwerten Bedingungen

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Pál Joensen ist 23 Jahre alt und seit 2008 ein Sportidol auf den Färöern.

(Foto: AFP)

Pál Joensen ist der berühmteste Sportler der Färöer und wird dort längst als Nationalheld gefeiert. Bei der Schwimm-EM in Berlin holt er zwei Silbermedaillen und stellt sein Land damit vor ein freudiges Problem.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Und nun leuchtet tatsächlich diese Flagge von der Anzeigetafel, schon zum zweiten Mal bei dieser EM. Weiß unterlegt mit roten Linien strahlt sie bei der Siegerehrung vom Bildschirm, das ist eine Rarität der Sportgeschichte: Die Färöer tauchen im Medaillenspiegel auf. Pál Joensen ist der Einzige, der das schaffen konnte, denn er ist der Einzige seines Landes, der bei dieser EM teilgenommen hat. In dieser kleinen Nation, die sonst wenig Anlässe zum Jubeln hat, ist Joensen ein Held, seit sechs Jahren schon. Er wird gefeiert wie kein anderer Sportler vor ihm.

Gut möglich, dass am Samstag Joensens Telefon nicht still steht, dass da sogar der Premierminister am Apparat ist, schließlich hat er seine Landsgenossen mal wieder fröhlich gemacht: Zwei Silbermedaillen holte er in Berlin, über 1500 Meter und 800 Meter Freistil. Die Wettbewerbe sind nun für ihn beendet, doch es wartet vielleicht das Schönste überhaupt auf ihn: die Glückwünsche aus der Heimat.

"Größte färöische Sportleistung aller Zeiten"

Pál Joensen ist 23 Jahre alt, seit 2008 ein Sportidol auf den Färöern. Als 17-Jähriger holte er drei Titel bei der Junioren-EM, stellte sogar im Nachwuchsbereich einen Europarekord auf - und der Empfang in seiner Heimat sprengte alle bis dahin bekannten Dimensionen. Auf dem Flughafen wurde der rote Teppich ausgerollt, ein Feuerwerk gezündet und der Regierungschef würdigte seine Medaillen als "größte färöische Sportleistung aller Zeiten". Es waren Worte, die andernorts nur bei Olympia-Siegern fallen. "Der Empfang war überwältigend und hat mich umgehauen", sagt Joensen heute. Ihm sei klar geworden, wie wichtig es ihm ist, seine Nation glücklich zu machen.

Dass er es überhaupt so weit gebracht hat, war schon damals bemerkenswert - denn seine Trainingshalle im heimischen Vágur, einem 1300-Seelen-Ort, bot alles andere als optimale Bedingungen. Vier Bahnen, lediglich 25 Meter lang, keine Trainingspartner. Eine andere Halle gab es nicht. Joensen schwamm alleine und machte das, was ihm der Trainer vom Beckenrand zurief.

Im Schwimmen tauchen öfter neue Gesichter auf, manche gehen, manche bleiben. Und vermutlich ist der Ansporn ein bisschen größer, noch härter zu arbeiten, wenn ein ganzes Land dich verehrt. "Ich werde auf der Straße erkannt," erzählt Joensen, viele Menschen seien stolz auf ihn. Er schwamm weiter in der Mini-Halle und holte 2010 EM-Silber über 1500 Meter, eine Medaille bei einer internationalen Meisterschaft hatte es für das Land bis dahin nicht gegeben.

Dass es nicht nur in Sachen Trainingsbedingungen schwierig ist, auf den Färöern Leistungssport zu betreiben, musste Joensen 2012 feststellen: Er hatte sich für die Olympischen Spiele in London qualifiziert, musste dafür aber unter der dänischen Flagge antreten. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) erkennt die Färöer nicht an. Das war hart für den jungen Schwimmer, doch in seinem Herzen trat er für seine Heimat an, "das wussten auch alle zu Hause".

Und obwohl er der erste Olympiateilnehmer seines Landes war, wurde Joensen nicht glücklich bei den Spielen. Er erlebte ein Leistungstief, den Tiefpunkt seiner bisherigen Karriere. Die Leute in seiner Heimat litten mit, er kam zu der Erkenntnis: Auf den Färöern geht es nicht weiter, wenn er noch größere Erfolge feiern will. Es folgte ein Umzug nach Kopenhagen, er begann ein Mathematik-Studium - und konnte endlich in einer großen Halle trainieren, mit starken Teamkollegen an seiner Seite. Die Zeit in Berlin verbringt er mit dem dänischen Team, auch wenn seine Jacke mit der Flagge der Färöer ein Unikat ist.

Teammanager Rókur í Jákupsstovu nennt Joensen schon jetzt "eine historische Person", in Vagúr entsteht ihm zu Ehren nun eine richtige Schwimmhalle. Auf der Tourismusseite der Färöer wird der Schwimmer als Attraktion angepriesen. Gut möglich, dass schon Planungen für einen Nationalfeiertag geschmiedet werden oder für ein gemeißeltes Denkmal. Das Szenario von vor sechs Jahren wird schwer zu toppen sein - und jetzt hat er schließlich noch zwei Medaillen mehr geholt.

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