Trainer Lukas Kwasniok beim SC Paderborn:In der Ruhe entsteht ein Sturm

Trainer Lukas Kwasniok beim SC Paderborn: Der Regisseur: Lukas Kwasniok will in Paderborn Fußball als Attraktion anbieten.

Der Regisseur: Lukas Kwasniok will in Paderborn Fußball als Attraktion anbieten.

(Foto: Michael Taeger/Jan Huebner/Imago)

Paderborn hat sich unter Lukas Kwasniok zu einem Favoriten der zweiten Liga entwickelt und fordert nun im Pokal Werder Bremen. Das Erfolgsrezept: konsequente Offensive und die Chance auf Karrieresprünge - auch für den Trainer selbst.

Von Christoph Ruf

Ein paar Beobachter hatten es bereits vor der Saison geahnt. Ob es denn sein könne, dass der so unscheinbare SC Paderborn sich heimlich, still und leise zu einem Geheimfavoriten um den Aufstieg in die Bundesliga gemausert habe, wurde damals der Trainer gefragt. Lukas Kwasniok, 41, gab eine für ihn typische Antwort: "Das ist so geheim, dass selbst ich davon nichts weiß."

Nach einem Drittel der Spielzeit reicht ein Blick auf die Tabelle der zweiten Liga, um festzustellen, dass es nicht verkehrt war, Paderborn zum Kreis der Favoriten zu rechnen. Der ersten kleinen Delle der Saison, mit zwei Niederlagen gegen Fürth und Darmstadt, folgten zuletzt wieder klare 3:0-Siege gegen Rostock und Sandhausen. Damit ist Paderborn, bevor es an diesem Mittwoch (18 Uhr) im DFB-Pokal zum Heimspiel gegen Werder Bremen kommt, in der Liga aussichtsreich Zweiter.

Von den Trainern, gegen die der SCP bislang spielte, gab es jede Menge Lob. Auch für die Art und Weise, wie das Team auftritt: gut strukturiert, ballsicher - und dabei von Torwart Jannik Huth bis zu den Stürmern Felix Platte und Marvin Pieringer durchgehend offensiv denkend. Das alles passt derzeit offenbar so gut zusammen, dass Lukas Kwasniok gerade seinen Vertrag bis 2025 verlängert hat.

Nico Schlotterbeck rühmt heute noch Kwasnioks Einfluss auf seine Laufbahn

Seine eigene Trainerkarriere sei von "Trial and Error" geprägt, sagt der Coach, von Versuch und Irrtum. Nach dem frühen aktiven Karriereende als Sportinvalide absolvierte der im polnischen Gliwice (Gleiwitz) geborene Kwasniok mit Anfang zwanzig eine Lehre als Bürokaufmann und wirkte parallel bei unterklassigen Klubs im Fußballkreis Karlsruhe. Zunächst als Spielertrainer, dann nur noch an der Seitenlinie. Den Fußballlehrerschein legte er 2018 ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits elf Jahre als Trainer gearbeitet, die letzten davon in der U17 und der U19 des Karlsruher SC, wo die Gepflogenheiten dem Autodidakten entgegenkamen, wie er erzählt: "Es gab dort im Nachwuchs keine einheitliche Spielphilosophie, ich konnte die Mannschaften nach eigenem Gusto zusammenstellen."

Am Karlsruher Wildpark trainierte er auch Nico Schlotterbeck, den der SC Freiburg diesen Sommer für mehr als 20 Millionen Euro an Borussia Dortmund verkauft hat. Der Nationalspieler nennt Kwasniok noch heute als entscheidenden Mann in seiner Ausbildung, und mancher Kiebitz am Wildpark schwört, dass Kwasniok schon dem 16 Jahre alten Verteidiger Schlotterbeck eine Nationalmannschaftskarriere prophezeit habe.

Wenn Kwasniok über die Zusammenstellung seines aktuellen Teams spricht, macht er kein Hehl daraus, dass er Spieler mit der Aussicht zum SC Paderborn lockt, sich dort für höhere Aufgaben und Vereine empfehlen zu können. Der "nächste Schritt" der Karriere, wie es im Fußball floskelhaft heißt, wird also schon bei der Vertragsunterschrift mitgedacht.

Kwasniok denkt auch selbst in "nächsten Schritten". Ungefragt lässt er durchblicken, dass er "auch mal in die Bundesliga will". Aber ein Job-Hopper, der beim nächstbesten Angebot weg ist, das will er nicht sein. Und bis ins hohe Alter will er auch nicht auf der Trainerbank sitzen. Als er Profitrainer wurde, habe er sich geschworen, sich die "Freiheit im Kopf" zu bewahren: "Wenn die Fußballwelt dich aalglatt zu machen droht, wird es Zeit, sie zu verlassen", sagt er.

Zu solchen Sätzen passt, wofür Kwasniok während der Pandemie zwischenzeitlich bekannt wurde: Weil er sich nicht gegen Corona hatte impfen lassen, coachte er im vergangenen November als erster Trainer im deutschen Profifußball am Seitenrand mit Maske. Später ließ er sich doch impfen, um Paderborn im Sommer auf eine Tour in die USA zu begleiten. "Wenn es persönliche Restriktionen für mich gibt, weil ich mich im Rahmen freiheitlicher Entscheidungen für einen gewissen Weg entschieden habe, werde ich die immer in Kauf nehmen. Aber ich werde meine Mannschaft nie im Stich lassen", sagte er dazu.

Nach dem Bundesliga-Abstieg machte Paderborn eine Bestandsaufnahme - und definierte sich neu

Schon auf seinen Profitrainer-Stationen vor Paderborn hatte Kwasniok durchaus beachtliche Erfolge: In Jena gelang ihm in der ersten Saison der kaum noch für möglich gehaltene Drittliga-Klassenerhalt, ehe er sich in der zweiten mit der gleichzeitigen Übernahme des Managerpostens übernahm. Danach feierte er mit dem damaligen Regionalligisten 1.FC Saarbrücken Siege im DFB-Pokal gegen Teams wie Karlsruhe, Köln und Düsseldorf sowie den Aufstieg in die dritte Liga.

Für Paderborn entschied er sich, weil er beim SCP "zwei, drei Wettbewerbsvorteile" ausgemacht hatte. Zum einen die "Ruhe in- und außerhalb des Vereins", zum anderen die "optimalen Bedingungen, nicht luxuriös, aber zielgerichtet und funktionell". Und vor allem die Tatsache, dass die Vereinsführung wisse, was sie wolle. "Hier wurde nach dem Abstieg aus der Bundesliga eine Bestandsaufnahme gemacht, mit dem Ergebnis: Wir wollen auch auf dem Platz für etwas stehen", sagt er. Nämlich für offensiven Fußball mit Wiedererkennungswert, für eine attraktive Spielweise.

Diese Vorgabe passte gut zu der Art von Fußball, die sein Vorgänger Steffen Baumgart spielen ließ. Und sie passt geradezu optimal zu Kwasniok, der eine Anekdote erzählt: In der vergangenen Saison, nach dem 2:1-Sieg beim HSV, habe er bei den Funktionären - und zwar bei den eigenen - in nachdenkliche Gesichter geblickt. Mit einem 5-4-1-System hatte Paderborn gespielt. Sicherheitsfußball, wie er Kwasniok zuwider ist, wie er manchmal aber sein muss, wenn das Team so instabil ist, wie es ihm in den Wochen zuvor vorkam. Nun aber musste er die bange Frage beantworten, ob dieser Antifußball denn bitte die einmalige Ausnahme bleiben könne. Wohlgemerkt nach einem 2:1-Sieg beim großen Favoriten. Es war einer der Momente, in denen Kwasniok wusste, dass er gerade im richtigen Verein arbeitet. Zumindest bis 2025.

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