Paarläufer Savchenko und Szolkowy:"Silber ist hässlich"

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Erst stürzt Robin Szolkowy, kurz vor Kür-Ende auch Aljona Savchenko: Es war nicht der Tag der deutschen Paarläufer in Sotschi. (Foto: dpa)

Zum Abschluss ihrer Karriere riskieren Aljona Savchenko und Robin Szolkowy in Sotschi viel - vielleicht zu viel. Die fehlerfreien Russen Wolossoschar/Trankow können sie nicht in Bedrängnis bringen. Nach zwei Stürzen bleibt am Ende Bronze. Für die beiden fühlt sich die Medaille wie eine Niederlage an.

Von René Hofmann, Sotschi

Die Schlusspose ist wichtig beim Eiskunstlaufen. Sie soll im Kopf bleiben, wenn die Preisrichter sich daran machen, die Punkte zu vergeben. Bei der Paarlauf-Entscheidung bei diesen Olympischen Spielen geschah deshalb Überraschendes: Die beiden Paare, um die sich alles drehte, verzichteten fast auf die Schlusspose.

Nach einem Augenblick lösten sie diese auf. Maxim Trankow, der auf den Eis Jesus gespielt hatte, verließ seine Partnerin Tatjana Wolossoschar, die mit vor dem Gesicht zusammengeschlagenen Händen dastand, stürzte davon und warf sich voller Begeisterung einige Meter weiter auf die Knie. Es war eine spontane Geste der überschwänglichen Freude.

Bei Robin Szolkowy und Aljona Savchenko gab es wenig später ganz anderes zu sehen. Auch die beiden lösten sich schnell aus der Schlusspose. Aljona Savchenko glitt davon; ratlos, enttäuscht, vielleicht auch wütend. Mehrmals umrundete sie ihren Eispartner, ließ ihn reglos alleine stehen, mitten im Eisring. Erst als der Applaus des Publikums sich legte, reichte sie ihm endlich die Hand, um noch eine Verabschiedung in aller Form auf der größten nur denkbaren Bühne hinzubekommen.

Paarlaufen in Bildern
:Die Tränen von Aljona

Kunst auf dem Eis, ein begeistertes Publikum und ein sehr enttäuschtes deutsches Paar: Aljona Savchenko und Robin Szolkowy haben es nicht geschafft, dafür jubeln die Russen. Die eindrucksvollsten Bilder vom olympischen Paarlauf.

Tatjana Wolososchar/Maxim Trankow (Russland) 236,86 Punkte, Aljona Savchenko/Robin Szolkowy (Chemnitz) 215,78 Punkte. Auf diese Formel verkürzten die Ergebnislisten das Geschehen. Aber das gibt die Geschichte, die sich da vollzog, nicht einmal in den gröbsten Zügen wieder. Nicht den Triumph auf der einen Seite. Und nicht das Drama auf der anderen.

"Wir durften hier keinen Fehler machen", sagte Maxim Trankow als der Druck allmählich von ihm abfiel, "es war unsere Verpflichtung, dieses Gold nach Russland heimzuholen." "Wir waren vier Jahre auf Gold ausgerichtet. Wir wollten kämpfen und gewinnen. Das ist nicht gelungen. Deshalb fühlen wir uns im Moment etwas verloren", sagte dagegen Robin Szolkowy.

Auf Wolossoschar und Trankow lasteten viele Erwartungen. Vor vier Jahren in Vancouver hatte es erstmals seit 1964 kein Paarlauf-Gold für Russland gegeben. Mehr noch: Erstmals seit Menschengedenken hatte es überhaupt kein russisches Paar bei Olympia aufs Siegertreppchen geschafft. Wolossoschar und Trankow waren auserkoren, die Schande auszuwetzen.

Auf der anderen Seite Savchenko und Szolkowy. Vor vier Jahren in Vancouver hatten die beiden Gold verpasst, wegen eines Stolperers in der Kür. Sie ist 30, er ist 34. Gold hätte das Highlight zum Abschluss ihrer Karriere werden sollen. Weil sich die Spannung so lange aufgebaut hatte, weil so viele unterschiedliche Erwartungen mitschwangen, war die Entscheidung ein Höhepunkt dieser Spiele überhaupt.

Die Rivalen kannten sich gut. Wolossoschar hatte bis zu den Spielen in Vancouver ja sogar bei Ingo Steuer in Chemnitz trainiert, wohin sie Savchenko geholt hatte. Beide stammen aus der Ukraine. Beide haben für ihre Eislauf-Träume viel gegeben. Die Heimat, Familie, Freunde: Kann einer Bedeutenderes zurücklassen?

Gut viereinhalb Minuten: So lange dauert eine Kür. Das sieht das Publikum. Was ihr vorausgeht, sieht kaum einer. Dem Mittwochabend war viel vorausgegangen. Wolossoschar und Trankow waren im September schon nach Sotschi gezogen. Seitdem trainierten sie regelmäßig im Eisberg-Palast. "Wir haben ihn entstehen sehen. Natürlich hilft uns das", hatte Maxim Trankow am Dienstagabend behauptet, nach dem Kurzprogramm, als er und Wolossoschar schon 4,5 Punkte Vorsprung auf Savchenko und Szolkowy herausgelaufen hatten.

Und: Er habe sich besonders gefreut, dass Ljudmila Beloussowa und Oleg Protopopow im Publikum waren. "Vor 50 Jahren haben sie ein deutsches Paar bei Olympia bezwungen", erinnerte Trankow - die favorisierten Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler.

Ein Psychospielchen, das die Deutschen gerne annahmen. Sie antworteten darauf mit einem unverhohlenen Jubel, als Aljona Savchenko bei der Auslosung die letzte Startnummer aus einem kleinen Säckchen zog. Als Letzte aufs Eis zu dürfen - das eröffnete taktische Möglichkeiten. So konnten sie selbst entscheiden: Zeigen wir ihn, oder zeigen wir ihn nicht, den dreifachen Wurfaxel, das schwierige Element, das Wolossoschar und Trankow nicht beherrschen und gegen das sie deshalb in den vergangenen Jahren mit dem Vorwurf "zu gefährlich" ausgiebig agitiert hatten.

4,5 Punkte - das war ein deutlicher Rückstand. Aber es war kein eindeutiger. In der Kür hatten Wolossoschar und Trankow zweimal in dieser Saison Nerven gezeigt. Bei den zwei Wettkämpfen unmittelbar vor Olympia. Beim Grand-Prix-Finale war sie zweimal gestürzt, bei der EM er zweimal. Im Training am Mittwoch zeigten Savchenko und Szolkowy die Abläufe noch einmal, mit denen sie den dreifachen Wurfaxel üben. Auch Schattenboxen kann manchmal den Gegner einschüchtern. Bei Trankow und Wolossoschar verfing die Nummer aber nicht.

Die beiden durften als zweites Paar der letzten Gruppe aufs Eis. Sie liefen fehlerfrei. Den Rest erledigten die mehr als 10 000 russischen Fans. Sie brüllten und tobten und als die Noten kamen, war schon abzusehen, dass Savchenko und Szolkowy ihre Nussknacker-Suite würden berauschend darbieten müssen, um noch eine Chance zu haben. Das schafften sie aber nicht. Szolkowy stürzte früh beim dreifachen Toeloop, an den sich noch eine Kombination anschließen sollte. Das war's.

"Volle Pulle", das hatten sie sich vorgenommen. Und in der letzten Kürsekunde versuchten die beiden dann tatsächlich den dreifachen Wurfaxel. Doch auch er glückte nicht. Savchenko fiel. Zwei Stürze: Damit zogen auch das zweite russische Paar Xenia Stolbowa/Fedor Klimow vorbei (218,68). Das aber kümmerte kaum. "Silber ist hässlich. Silber brauche ich nicht", beschied Aljona Savchenko, die vor zehn Jahren ausgezogen war, um ein Gold-Mädchen zu werden.

© SZ vom 13.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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