Kann natürlich sein, dass dieser Druck dann doch zu gewaltig war. Naomi Osaka, Gesicht dieser Spiele, role model, Japans Superstar, politisch bewegt und bewegend, zuletzt im Clinch mit der Presse, deren Fragerei sie so verabscheut. Sie hatte über ihre Depressionen gesprochen und auch darüber, dass sie sich inzwischen wieder besser fühlt.
Jeder kennt ihre Geschichte, jedenfalls in groben Skizzen, Vater aus Haiti und Mutter aus Japan. In dieser Spielerin verdichtet sich vieles, was Menschen gerade rührt, und dann hat sie auch noch das Licht angeknipst bei diesen Spielen, die Flamme entzündet, wie 2000 in Sydney die 400-Meter-Läuferin Cathy Freeman. Normalerweise bürdet man aktiven Sportlern diese Ehre, die zugleich auch Last ist, nicht auf, aber Naomi Osaka hat man es zugetraut, oder sie hat es sich zugetraut. Und vielleicht war das alles zu viel. Kann natürlich sein.
Die Heldengeschichte Osakas ist früh zu Ende
Durch das Tennisturnier war sie bisher zwar gerauscht, geflogen; nach zweimonatiger Turnierpause war sie pünktlich zu Olympia zurückgekehrt, mit Japans Nationalfarben im Haar, auf den Fingernägeln. Um die Heldengeschichte rund zu machen, muss die mit Symbolik aufgeladene Heldin dann aber auch noch gewinnen, was in diesem Achtelfinale schwer werden würde, das zeigte sich auf dem Center Court der Tennisanlage von Tokio schnell, wegen Regens war das Dach geschlossen.
Naomi Osaka hatte sofort ihr Spiel verloren und bekam es nicht zurück: die langen Bälle zu lang, viele Aktionen überhastet. Und dann dieser Privatkrieg mit der Netzkante, die dafür sorgte, dass Osakas Bälle oft schon ins gegnerische Feld rüberschauten, bevor sie dann doch auf der falschen Seite zu Boden gingen.

Naomi Osaka bei Olympia:Gesamtkonzept zum Wohlfühlen
Bei den Olympischen Spielen ist alles darauf ausgelegt, dass Naomi Osaka das Tennisturnier gewinnt - allerdings war die Frage nach den vergangenen Monaten: Kann sie das auch? Die erste Partie gibt Antworten.
Auf der anderen Seite spielte die Tschechin Markéta Vondroušová, French-Open-Finalistin von 2019, präzise, druckvoll, im ersten Satz wie eine auf Fehlerlosigkeit programmierte Maschine. Ihre bekannte Waffe, den Stoppball, brachte sie so dosiert wie wirkungsvoll zum Einsatz. Nach 24 Minuten hatte die Tschechin den ersten Satz gewonnen, 6:1, das wäre nun der Moment für einen Neustart in Osakas Spiel gewesen, er blieb aus.
Denn auch im zweiten Satz blieb Vondroušová stabil, auch wenn sie einmal sogar zwei Doppelfehler hintereinander anbot, Osaka war zwar besser drin jetzt, aber ihr Spiel blieb fahrig. Zwei Matchbälle noch abgewehrt, der dritte war zu viel. 1:6, 4:6, und es fühlte sich genau so deutlich an, wie die Zahlen nun mal aussehen.
Das Gesicht der Olympischen Spiele in Tokio ist draußen. Naomi Osaka packte also ihr Zeug und ihre Hoffnungen zusammen und ging vom Platz, raus ohne Applaus. Ist ja praktisch keiner in der Halle. In solchen Momenten wird die Kühle dieser Spiele ohne Publikum sehr greifbar. Ob sie es noch mal umgebogen hätte, mit Fans, die für sie schreien? Kann natürlich sein.