Ominöse Millionen-Zahlung:Spur in der WM-Affäre führt zu Jack Warner

Ominöse Millionen-Zahlung: Immer ein paar Scheine in der Hand und ein paar Millionen auf dem Konto: Der ehemalige Fifa-Vize Jack Warner.

Immer ein paar Scheine in der Hand und ein paar Millionen auf dem Konto: Der ehemalige Fifa-Vize Jack Warner.

(Foto: Federica Narancio/AFP)

Die Zahlung über zehn Millionen Franken ist der Schlüssel der Affäre um die WM 2006. Es gibt einen Verdacht, wo dass das Geld gelandet sein soll.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Jack Warner stehen unruhige Zeiten bevor. Am Dienstag entscheidet Richterin Ayers Caesar in Trinidad & Tobago über ein Auslieferungsbegehr der US-Justiz. Diese verdächtigt den langjährigen Fifa-Skandalfunktionär des Betrugs, der Geldwäsche und der Zugehörigkeit zur organisierten Kriminalität. Mit der Affäre um die deutsche WM 2006 hat das gar nichts zu tun - aber das könnte sich bald ändern. Nach SZ-Informationen geht die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) dem Verdacht nach, dass 2002 die ominöse Zahlung von zehn Millionen Franken in Warners Zugriffsbereich gelandet sein könnte. Ein Sprecher kommentiert das auf Anfrage nicht; die BA teilte mit, ihre Task Force arbeite mit Hochdruck - und der erforderlichen Akribie. "Uns rennen weder Bankkonten noch Personen davon", heißt es. Bankdaten verschwinden nicht, zumal von Konten, die längst eingefroren sind.

Diese zehn Millionen Franken sind der Schlüssel in der Affäre. Gesucht wird noch immer der Empfänger. Anfang 2002 soll das Fifa-Finanzkomitee die Summe als Garantie gefordert haben, um dem deutschen WM-Organisationskomitee (OK) einen Zuschuss von 250 Millionen Franken zu gewähren. Adidas-Eigner Robert Louis-Dreyfus soll als Darlehensgeber ausgeholfen und OK-Chef Franz Beckenbauer einen Schuldschein unterschrieben haben. Im April 2005 stand die Rückzahlung des Geldes an, inklusive Zinsen 6,7 Millionen Euro. Das OK tarnte die Transaktion als Beitrag zu einem Fifa-Kulturprogramm. Nun spürt die Staatsanwaltschaft Frankfurt in ihrer Steuerermittlung dem Geld nach. An der Frage entscheidet sich, welche Strafen den damals beteiligten Funktionären drohen - und was auf den Deutschen Fußball-Bund zukommt. Dessen Steuererklärung 2006 war nicht korrekt, es droht der Verlust der Gemeinnützigkeit für jenes Jahr und damit verbunden eine Nachzahlung von bis zu 25 Millionen Euro.

In der Schweiz ist zu klären, wohin das Geld 2002 floss. Nun kommt grundsätzlich Bewegung in die Sache. Das Bundesamt für Justiz bestätigte der NZZ, dass das Bankgeheimnis gelockert werde, um die US-Korruptionsermittlungen um die Fifa zu unterstützen. Wenn nun die deutschen Ermittler ebenfalls nachfragen, könnten sie wohl kaum zurückgewiesen werde.

Dass es die zehn Millionen Franken, wie von den Akteuren behauptet, als Vorauszahlung brauchte für einen Zuschuss an das deutsche WM-OK, klingt bizarr; so etwas gab es nie bei einer WM. Bisher gilt als wahrscheinlichste Variante, dass das Geld an Mohammed bin Hammam ging. Was nicht im Widerspruch zu Spuren stünde, die zu Warner führen. Asien-Chef Bin Hammam und Warner, Boss des Nord-/Mittelamerikaverbands Concacaf, waren eng verbandelt. Auch waren beide Vize-Chefs des besagten Finanzkomitees, das von den Deutschen das Geld eingefordert haben soll. Vor Wochen, als der damalige DFB-Chef Wolfgang Niersbach erstmals diese Variante einer Garantiezahlung vortrug, hatte die Fifa einen Geldfluss von Dreyfus in den Weltverband dementiert. Nach SZ-Informationen gibt es inzwischen neue Erkenntnisse. Mit der Causa befasste Stellen deuten an, die Zahlung sei nun doch gefunden. Die Fifa mag sich nicht mehr äußern; sie dementiert aber auch nicht mehr.

Bestechungsorgie sogar gefilmt

Sollte Warner am Ende der Zehn-Millionen-Geldkette gestanden haben, fragt sich, was er 2002 damit anfing. Erklärungsmodell eins: Die Zahlung stand im Kontext einer schwarzen Kasse, etwa für Sepp Blatters Wiederwahl Mitte 2002. Damals war die Fifa politisch zerrissen; Blatter kämpfte gegen Issa Hayatou (Kamerun) um seinen Thron. Die Opposition aus Europa und Afrika war stark, elf der 24 Mitglieder des Fifa-Vorstandes hatten gar Strafanzeige gegen Blatter gestellt. Und dass Warners Concacaf seine Wahlstimmen zu versilbern pflegte, ist dokumentiert: 2011 wurde in der Karibik eine solche Bestechungsorgie sogar gefilmt; das beendete die Karrieren von Warner und Bin Hammam.

Floss der deutsche Vorschuss also dorthin: Haben sich Blatters Büchsenspanner eine schwarze Kasse erkauft?

"Einzelheiten bespreche ich mit Günter Netzer"

Erklärungsmodell zwei: Die Zahlung ist im Kontext mit der WM-Vergabe im Juli 2000 zu sehen. Beckenbauer und andere Beteiligte betonen ständig, Warner habe nicht für Deutschland votiert. Aber woher wollen sie wissen, wie wirklich gestimmt wurde? Die gängige These für Deutschlands 12:11-Sieg über Südafrika sieht zwar so aus, dass die acht Europäer und vier Asiaten im Vorstand einen Block für Schwarzrotgold gebildet hätten. Aber es gibt Widerspruch. Der inzwischen verstorbene Libanese Elias Zaccour, Intimkenner schmutzigster Fifa-Protagonisten, sagte 2013 der SZ, ausgeschert sei der Südkoreaner Chung - und Warner eingesprungen. Zaccour war vor der Vergabe fürstlich vom großen deutschen WM-Förderer Kirch bezahlt worden. Einer der schillerndsten Fifa-Lobbyisten erhielt Hunderttausende - offiziell für Beratung im Filmlizenzgeschäft. Überdies liegt der SZ ein Brief Bin Hammams an Chung vor, in dem der damalige Asien-Chef indirekt den Verdacht äußert, Chung habe nicht für Deutschland gestimmt. In den fünf Seiten vom 22. Mai 2002 ruft er in Erinnerung, wie Asiens Wählerquartett nach Deutschlands Sieg von Afrika-Boss Hayatou in einen Raum bestellt und dort "wie seine Diener niedergebrüllt" wurde - und dass später, im internen Kreis, Chungs Gesicht "rot wie Blut" geworden sei. Bin Hammam fragte sich, ob Chung wirklich auf Seiten Asiens sei.

Könnte am Ende Jack Warner Deutschland-Wähler gewesen sein - und damit der entscheidende Mann neben dem Neuseeländer Charles Dempsey, der die Wahl vor der Schlussrunde einfach verließ?

Warner spielte im WM-Kontext wiederholt eine Rolle

Bei ihrer internen DFB-Ermittlung fanden die Anwälte von Freshfields einen Vertrag zwischen dem WM-OK und Concacaf, unterschrieben von Beckenbauer und Warner. Datiert ist das Papier auf den 2. Juli 2000 - vier Tage vor der Vergabe. Die jetzige kommissarische DFB-Spitze wertet das Papier als "Bestechungsversuch". Es sei um Tickets, Freundschaftsspiele, Ausbildungshilfen und Ähnliches gegangen. Der Vertrag sei nicht vom DFB-Präsidium abgesegnet und daher nicht umgesetzt worden, wird betont. Aber Fakt ist, dass Warner im WM-Kontext wiederholt eine Rolle spielte.

Trinidad & Tobago gehörte zu den Ländern, in die der FC Bayern für Freundschaftsspiele reisen sollte. In den Genuss solcher Partien kamen damals die Länder mehrerer Fifa-Wahlmänner, parallel gab es Abmachungen über TV-Rechte mit der Kirch-Tochter CWL, die den Ländern 250 000 bis 300 000 Dollar einbrachten - und die Marktkenner als unüblich einstuften. Der FCB betont, dass der Kick auf Warners Scholle niemals stattfand. Was nicht heißen muss, dass kein Geld floss: In internen Kirch-Papieren findet sich unter dem Stichwort "CWL/Mr. Jack Warner (Trinidad und Costa Rica)" die Passage: "Die Verträge sind unterzeichnet. Zahlung hat auf ein Trust Account zu erfolgen. Einzelheiten bespreche ich mit Günter Netzer."

Auch mit TV-Rechten an der WM verdiente Warner Millionen. Das spannendste Thema aber dürfte das Ticketing sein. Es habe in dem Vertrag "eine direkte Ticket-Zusage an Jack Warner als Person" gegeben, sagte DFB-Interimschef Rainer Koch kürzlich. Das hat System. Bekannt ist, dass Warner 2006 anrüchige Ticketdeals über die Firma seines Sohns Daryan machte. Prüfer von Ernst & Young dokumentierten, wie Warners Familienbetrieb vom Sommermärchen-Hype bis zu 840 000 Euro Gewinn abschöpfte. Und dabei ging es nur um Karten, die Trinidads Verband zustanden, weil sich dieser erstmals für eine WM qualifiziert hatte.

Auch für die Schweizer BA ist das Ticket-Thema nach SZ-Informationen bedeutend. Vor zwei Monaten legten 2006 ausgebootete Tickethändler in Zürich Papiere vor zu den erstaunlichen Geschäften der Fifa-Langzeitpartner in diesem Geschäftsbereich, der mexikanischen Brüder Byrom. Das Duo erzeugte seit den Neunzigern verlässlich Skandale, geschadet hat ihm das nie. Bei der WM 2006 kamen sie erstmals dick ins Geschäft, unter Händlern galt das offizielle Fifa-Ticketbüro in Frankfurt als verkapptes Byrom-Office. Dass die internationalen Ermittlungen gerade dieses Geschäftsfeld intensiv ausleuchten, liegt auf der Hand: Nirgendwo wurde in den letzten Jahren mehr Geld bewegt, externer Kontrolle weitestgehend entzogen. Just zu den Byroms hatten Fifa- Leute wie Warner den besten Kontakt.

Und nun der Verdacht, dass auch die zehn Millionen aus deutschen Kanälen bei Warner gelandet sind. Dass sie erst 2002 flossen, wäre kein Ausschlusskriterium für einen denkbaren Stimmkauf. Nachdem Warner 2004 für Südafrika als Ausrichter der WM 2010 votiert hatte, so sieht es die US-Justiz, habe er sich und Bundesgenossen die vereinbarten zehn Millionen Dollar erst vier Jahre später auszahlen lassen. Dazu will sie Warner bald befragen.

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